Black Hammer: Visions 1

Black Hammer: Visions 1
Black Hammer: Visions 1
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonMai 2022

Story

Hier wird gefühlt jedes Genre voll bedient. Von Coming-of-Age über Spukhaus-Horror bis hin zum desillusionierten Drama und dem abschließenden Mindfuck. Das macht neugierig auf den nächsten Band.

Zeichnung

Eine breite Palette unterschiedlicher Stile. Da sollte für jeden Geschmack etwas dabei sein. Im Bonusteil gibt es seitenweise Skizzen, Reinzeichnungen und eine Cover-Galerie aller Einzelhefte.

Kurzgeschichten aus dem „Hammerverse“

Aus dem Nähkästchen

Es gibt die großen Heldentaten, bei denen Supermänner und -frauen die Welt vor finsteren Bedrohungen jeglicher Art mit viel Tamtam retten, und die kleinen Dinge, die vielleicht zu banal für die Titelseite wären, im Lokalteil jedoch gut aufgehoben sind. Mit „Black Hammer: Visions“ geht es nun an die Geschichten, die das „Hammerverse“ von Jeff Lemire und Dean Ormston vielleicht nicht auf ein neues Level heben, dafür aber weiter formen. Das hat mit den zahlreichen Spin-offs schon weitestgehend gut funktioniert, und klappt mit den privaten Mini-Storys ebenfalls über weite Strecken.

Die erste Geschichte handelt von Gail Gibbons, uns besser bekannt als (zumindest äußerlich) kindliche Superheldin Golden Gail. Die beiden Teenagerinnen Eunice und Barbara hocken in einem Diner und sinnieren zur Feier ihres Abschlusses mit jeder Menge Kaffee über die vergangenen Schuljahre. Dabei kommen sie auch auf das seltsame Mädchen Gail zu sprechen, welches erst in der vierten Klasse dazustieß. Es entbrennt eine Diskussion zwischen den Absolventinnen, ob und warum Gail ein Freak war. Merkwürdig war, dass sie drei Jahre später ein Mädchen auf der Straße trafen, das 1:1 wie die Gail Gibbons aussah, die damals in die vierte Klasse ging. Nicht gealtert, dafür schwer überrascht, als sie Eunice und Barbara sah. Sie redete sich damit raus, eine jüngere Cousine von Gail zu sein… doch Eunice hatte da gleich so ein merkwürdiges Gefühl.

Danach wird es reichlich düster. Nachdem uns Madame Dragonfly zum Auftakt noch eine Warnung mit auf den Weg gibt, werden wir umgehend in eine regnerische Nacht geworfen. Als ein Cop den Fahrer eines Transporters kontrolliert und ihm noch den heißen Tipp gibt AUF KEINEN FALL im nächsten Örtchen anzuhalten, hört dieser eher halbherzig hin und macht sich eher Gedanken darüber, wie es aussehen könnte, wenn der Officer den grün und blau geschlagenen und praktisch zusammengeschnürten Teenager findet, den er da auf der Ladefläche spazieren fährt. Für den Fahrer geht die Sache noch mal glimpflich aus… vorerst. Denn entgegen aller Warnungen hält er dank Nikotin-Mangels am nächsten Halt an. Der Junge kann sich befreien und flüchtet in die angrenzenden Wälder… mitten in einen noch viel größeren Albtraum.

Haben wir uns von dem Schock erholt, geht es etwas handfester und geerdeter weiter. Abraham Slam hat den Superhelden-Dress vielleicht an den Nagel gehängt, geht aber trotzdem auf die Palme, als von offizieller Seite ein Nachfolger vorgestellt wird. Das staatlich finanzierte Greenhorn hört dann auch noch auf den Namen The Slam! Vielleicht hätte der gute Abraham noch seinen Frieden mit der Tatsache gemacht, gegen einen bestens ausgebildeten Jungspund ausgetauscht zu werden. Was er aber nicht verkraften kann, ist, dass The Slam mit Waffengewalt gegen seine Widersacher vorgeht. Das fühlt sich falsch an und geht gegen alle Werte, für die einst Abraham Slam selbstlos einstand. Um das sinnlose Töten zu stoppen, stellt er sich seinem Nachfolger entgegen… mit fatalen Folgen.

Abschließend verschlägt es uns in seifige Gefilde. Die uns wohlbekannte Helden-Familie ist hier der Star einer TV-Seifenoper. Und diese wird geschaut von jener uns wohlbekannten Helden-Familie, die wiederum… Star einer Seifenoper ist. Klingt verwirrend? Oh ja, ist es auch.

Spielende Schreiber… oder umgekehrt

Immer häufiger sieht man es, dass Comic-Storys von Autoren geschrieben werden, die eigentlich nicht direkt in diesem Metier heimisch sind. Ausgenommen vielleicht Kevin Smith, der scheinbar auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzt. So schreibt David Dastmalchian, den man 2021 noch als Polka-Dot Man in James Gunns „The Suicide Squad“ sah, den vierteiligen Comic „Count Crowley: Amateur Midnight Monster Hunter“ für den amerikanischen DARK HORSE Verlag. Für das 100-seitige DC-Special „Gotham City Villains: Anniversary Giant“ verfasste Danny DeVito, der Pinguin aus Tim Burtons „Batman Returns“ höchstpersönlich, die Pinguin/Catwoman-Story „The Penguin in: Bird Cat Love“, während der aktuelle Riddler Paul Dano – aus Matt Reeves‘ düsterem Psycho-Thriller „The Batman“ – den im Oktober 2022 in den Staaten erscheinenden „Riddler: Year One“ inszenieren wird. Durchaus interessant…

Interessant ist auch, dass Patton Oswalt, den man neben seiner Tätigkeit als Stand-up-Comedian wohl am ehesten als Spence Olchin aus dem langlebigen Sitcom-Klassiker „King of Queens“ und kleineren Rollen in Filmen wie „Blade: Trinity“, „Odd Thomas“ oder „The Circle“ kennt, ebenfalls den Comics sehr zugetan ist… und das nicht erst seit gestern. Oswalt ist fast schon ein alter Hase im Comic-Business und schrieb mehrere Storys für MARVEL und DC. Darunter „M.O.D.O.K.: Head Games“, „Dark Nights: Death Metal - The Multiverse Who Laughs“ und einen Beitrag für den Sammelband „Bizarro World“. Außerdem schrieb er für die dreizehnte Ausgabe von „Bart Simpson’s Treehouse of Horror“ und hatte für DARK HORSE seine Finger bei „Serenity“, „The Goon Noir“ und nun eben „Black Hammer“ im Spiel. Für die achtteilige Mini-Serie „Black Hammer: Visions“ steuerte er direkt den Auftakt bei, der für mich auch schon das Highlight des ersten Sammelbands ist.

„Transfer Student“ – geschrieben von Oswalt und umgesetzt von Dean Kotz – versprüht gleich von Seite 1 an „Ghost World“-Vibes. Jenem Werk von Daniel Clowes, welches gerne als Meisterwerk oder wegweisend gefeiert wird, mich persönlich auf Grund seiner Oberflächlichkeiten und unsympathischen Charaktere aber ziemlich abfuckte. Oswalt nutzt diese Graphic Novel für eine gelungene Hommage und nimmt das Genre Coming-of-Age dabei sehr wörtlich, was für einen Charakter wie Gail Gibbons wie die Faust aufs Auge passt. Kurz-Fazit: Sehr gelungen!

Noch lange nicht alles!

Da der erste Sammelband aus dem SPLITTER Verlag (wo auch sämtliche Bände der Hauptreihe und alle Spin-offs erschienen sind) die ersten vier Hefte der achtteiligen Mini-Serie „Visions“ enthält, kommen natürlich viele weitere Kreative zum Zug. Die zweite Geschichte trägt den Untertitel „The Cabin of Horrors!“ und ist sowohl Psycho-Thriller als auch klassische Horror-Erzählung. Comic- und Drehbuch-Autor Geoff Johns, der bis 2018 Präsident von DC war, Film- und TV-Projekte entwickelte und als Autor so ziemlich jedes Projekt des Verlags unterstützte, verfasste die Kurzgeschichte, während Scott Kolins die Zeichnungen beisteuerte. Stilistisch eher grob und mit vielen Schraffuren versehen, sind dem „Flash“-Zeichner vielleicht nicht die schönsten Bilder des Bandes gelungen, dafür schafft er aber eine angemessen düstere Atmosphäre. Kurz-Fazit: Gute Story, durchschnittliche Zeichnungen.

„Uncle Slam“ wurde von Chip Zdarsky, dem für „Sex Criminals“ und „Howard the Duck“ mehrfach ausgezeichneten Autoren und Zeichner, geschrieben. Thematisiert werden übertriebene Männlichkeit und das Hadern mit dem Altern. Über jemanden, der zwar auf der richtigen Spur ist, dann aber spontan die falsche Abfahrt nimmt. Jemand, der die Vergangenheit festhalten möchte, dabei aber die Zukunft aus den Augen verliert. Bis sie ihm aus den Fingern gleitet. Johnnie Christmas, Zeichner zahlreicher Independent-Comics und Illustrator von William Gibsons unverfilmtem Drehbuch von „Alien 3“, hat die Geschichte mit vielen Perspektiv-Wechseln recht minimalistisch auf Papier gebannt. Kurz-Fazit: Der wohl dramatischste Part des Bandes.

Wirft die vierte Geschichte auf den ersten Seiten bereits viele Fragen auf, werden diese im weiteren Verlauf keinesfalls weniger. Ganz im Gegenteil. Eine Meta-Story, die mit unvorhersehbaren Twists jedoch sehr gut unterhält. Wo Colonel Weird auftaucht, wird es halt häufig mal experimentell und abgedreht. Das bewies schon sein Solo-Spin-off „Cosmagog“, von dem ich mich nahezu perfekt abgeholt fühlte. Bestseller-Autorin Mariko Tamaki, deren Graphic Novel „Ein Sommer am See“ im Regal eines jeden Comic-Freundes stehen sollte, hat im Superhelden-Genre bereits die beiden hervorragenden Stand-Alone-Titel „Harley Quinn: Breaking Glass“ und „Supergirl: Einfach super!?“ vorgelegt und liefert nun auch für „Black Hammer“ ab. Die detaillierten Bilder von Diego Olortegui („X-23“, „Ms. Marvel“, „Aquaman: The Becoming“) haben in diesem Band künstlerisch die Nase vorn. Die atmosphärische Kolorierung von Dave Stewart trägt einiges dazu bei. Kurz-Fazit: Mindfuck in schöner Optik.

Fazit:

Die „Visions“-Mini-Serie aus dem „Black Hammer“-Universum erweist sich schon mit dem ersten von zwei Bänden als ebenso vielfältig wie vielschichtig. Es muss aber gesagt werden, dass dies definitiv kein Band für Einsteiger in Jeff Lemires „Hammerverse“ ist. Vorwissen ist nicht nur empfohlen, sondern unabdingbar, um die Zusammenhänge zu verstehen.

Black Hammer: Visions 1

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