Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant

06.2021 Das kreative Dream-Team Benjamin von Eckartsberg und Thomas von Kummant hat mit „Gung Ho“ einen postapokalyptischen Survival-Thriller geschaffen, in dem die „jungen Wilden“ sich nicht nur rebellierend gegen die Erwachsenen behaupten wollen, sondern dieses auch dringend müssen. Ganz nebenbei schwebt eine stetige Bedrohung der tödlichen Art über ihren Köpfen, denn hinter den Schutzwänden ihrer notgedrungenen Heimat, dem „Fort Apache“, warten die blutrünstigen Reißer.

Nach der Umsetzung von Wolfgang Hohlbeins „Die Chronik der Unsterblichen“, ist „Gung Ho“ das erste eigene Projekt der beiden Münchner. Vor mehr als 20 Jahren führte die Kunst sie zusammen und das eingespielte Team ist längst kein Geheimtipp mehr, sondern Erfolgsgarant auf Autoren- und Zeichner-Ebene. Kein Wunder also, dass die internationale Kundschaft bereits Schlange steht. Wir freuen uns mit Thomas und Benjamin über ihren verdienten Erfolg und sind mindestens ebenso erfreut, dass sie uns für einige Fragen zur Verfügung stehen.

Die Schienen, in denen ich denke, sind sicherlich von der Summe der Filme, Bücher und Comics beeinflusst, die ich im Laufe meines Lebens konsumiert habe. (Benjamin von Eckartsberg)

Comic-Couch:
Lieber Benjamin, lieber Thomas, die Arbeit führte Euch zusammen und ließ Euch (zum Glück für uns Leser) nicht mehr los. Wie muss man sich die Arbeitsteilung bei Euch - am Beispiel von „Gung Ho“ - vorstellen? Habt Ihr feste Abläufe und Vorgehensweisen?

Benjamin von Eckartsberg:
Ganz einfach, Thomy ist der Zeichner und ich der Autor.

Thomy bekommt von mir das Szenario, ganz ähnlich wie ein Drehbuch. Das Szenario ist mit farbigen Blöcken hinterlegt, die angeben, welcher Text in ein Bild gefasst werden könnte. Thomy muss sich nicht daran halten, aber so haben wir schon mal eine ungefähre Vorstellung, wie viele Bilder und Seiten es für die Umsetzung braucht.

Während ich an der Story geschrieben habe, haben wir uns natürlich intensiv ausgetauscht und Thomy hat schon mal mit der visuellen Entwicklung angefangen. Das heißt, den Stil entwickelt, Charaktere und Locations entworfen.

Dafür habe ich auch während des Schreibens intensiv visuelle Recherche betrieben und Thomy nach Themen geordnet gegeben. Er hat zusätzlich selbst auch Recherchematerial gesammelt und so haben wir uns gemeinsam daran angenähert, wie die Postapokalypse in „Gung Ho“ aussehen soll.

Thomas von Kummant:
Aus Benjamins Szenario entwickele ich ein Storyboard, d.h. ich zeichne ca. 400-500 gleichformatige Einzelbilder in Graustufen mit Text. Dieses Storyboard gehen wir dann gemeinsam durch, um zu sehen, ob alles funktioniert, ob man noch kürzen kann oder wo es noch mehr Text oder Bilder braucht.

Wenn für uns beide alles passt, werden die Storyboard Bilder in Szenen aufgeteilt und es entsteht das Seitenlayout der Comicseiten. Dabei achte ich auf die Gewichtung der Bilder, wie groß oder klein, breit oder schmal sie eingesetzt werden. Es entsteht ein Erzählrhythmus und kleine dramaturgische Spannungsbögen auf jeder Doppelseite.

Wenn das Layout steht, kann man den ganzen Comic schon mal in Skizzenform lesen, beurteilen und letzte Änderungen vornehmen. Danach beginnt der lange und anstrengende Prozess des Reinzeichnens und Malens.

Comic-Couch:
Beim Lesen von „Gung Ho“ hatte ich stets ein 80er-Jahre-Bild im Kopf. Einen wilden Mix aus „Die Goonies“, „Die rote Flut“, einen endzeitlichen Hauch von „Mad Max“ und pulsierenden Belagerungs-Szenarien à la John Carpenter. Gab es irgendwelche popkulturellen Einflüsse bei der Entstehung der Geschichte?

Benjamin von Eckartsberg:
Nicht so konkret, aber die Schienen, in denen ich denke, sind sicherlich von der Summe der Filme, Bücher und Comics beeinflusst, die ich im Laufe meines Lebens konsumiert habe. In den Achtzigern war ich zwischen 10 und 20 Jahre alt, ein Alter in dem man alles sehr intensiv aufsaugt. Die Filme in der Zeit haben mich also sehr geprägt. Auch die Beispiele, die du genannt hast. Nur die „Goonies“ habe ich nie gesehen. „Die Rote Flut“ allerdings gleich mehrmals. Die fragwürdige politische Aussage des Films war mir damals als Teenager ziemlich egal. Was mich faszinierte, war die Perspektive der Teenager, die durch den Krieg um ihre Jugend gebracht wurden und auf sich allein gestellt in den Bergen überleben mussten. Das fand ich interessanter als die übliche Teenagerfilm-Problematik, wie der Außenseiter die Promqueen rumkriegt. Diese Parallele ist mir allerdings erst während des Schreibprozesses aufgefallen, bei der eigentlichen Idee war mir das nicht bewusst.

Thomas von Kummant:
Fort Apache ist eher Erinnerungen an Urlaube in den Süden entnommen, aber natürlich prägen einen gute Filme und Serien nach wie vor.

Comic-Couch:
„Gung Ho“ spart neben der meist rasant dargestellten Action auch nicht an Tiefe, was die Charaktere angeht. Innerhalb des vermeintlich sicheren Forts gibt es Tragik, Dramatik und tiefe menschliche Abgründe. War es Euch wichtig hervorzustellen, dass der reale Horror viel bedrohlicher erscheint, als die lauernde Gefahr außerhalb der schützenden Mauern?

Benjamin von Eckartsberg:
Die Kombination aus beidem schien uns vielversprechend. Die sozialen Spannungen innerhalb der Siedlung und die lauernden Reißer außerhalb verstärken sich gegenseitig, schaffen die nötige Fallhöhe für Drama, Emotionen und Action. Das war jedenfalls unser Ziel.

Comic-Couch:
Mit dem gerade erschienenen fünften Band endet die Geschichte. Die Story war von Anfang an auf diese Länge ausgelegt. Gab es zwischenzeitlich dennoch Ideen oder gar Änderungen, die ihr diskutiert und vielleicht sogar kurzfristig eingearbeitet habt? Oder war der Weg derart vorbestimmt, dass keinerlei Abweichungen in Frage kamen?

Benjamin von Eckartsberg:
Kaum. Abgesehen von einigen Dialogänderungen fällt mir gerade nur eine Szene aus dem dritten Band „Sexy Beast“ ein, die ich umgeschrieben habe, während Thomy am Storyboard gearbeitet hat. Und zwar die Szene, in der Archer den Reißern am Hochposten in der Gefahrenzone ein Konzert gibt.

Ursprünglich hatte ich nur geschrieben, dass der frisch verbannte Archer sich vor den Reißern knapp in Sicherheit bringt und dann selbstmitleidig im Regen sitzt und ein traurig Liedlein auf der Klampfe spielt. Nach dem Motto: Allein, so allein. Aber dann fiel mir auf, dass das eine verschenkte Gelegenheit für einen tollen Charaktermoment war und änderte die Szene. Unten sitzen die Reißer und starren hungrig zu ihm hinauf. Archer starrt zurück, und was sieht er? Publikum! Und dann spielt er AC/DC. Das fand ich lustig. Er ist zwar ein fröhlicher Narzisst, aber auch knüppelhart und lässt sich nicht so schnell unterkriegen.

Ich habe eine Art Collagen-Technik entwickelt, die durch grafisch harte Silhouetten trotzdem eine gute Lesbarkeit mit sich bringt. (Thomas von Kummant)

Comic-Couch:
Wie stehen die Chancen, dass Ihr noch einmal in dieses endzeitliche Setting zurückkehrt? Gibt es Pläne, im „Gung Ho“-Universum weitere Geschichten zu erzählen?

Benjamin von Eckartsberg:
Ja, die gibt es, aber das ist noch nicht spruchreif.

Comic-Couch:
Hat noch kein Network wegen einer Film- beziehungsweise Serien-Umsetzung angeklopft? Enorm viel Potential wäre doch vorhanden…

Thomas von Kummant:
Doch, schon, aber darüber sprechen wir lieber erst, wenn es etwas Konkretes zu vermelden gibt.

Comic-Couch:
Was mich persönlich sofort umgeblasen hat, waren die Zeichnungen in „Gung Ho“. Farbenfroh, detailverliebt und mit extrem hohem Wiedererkennungswert. Diese entstanden komplett digital. War dieser Stil von Anfang an klar gewählt, oder stand auch die Idee einer „klassischen“ Umsetzung zur Debatte?

Thomas von Kummant:
In Frankreich gibt es eine große Menge an tollen Zeichnern. Jeder hat eine unvergleichliche Art zu Zeichnen und seinen eigenen Strich. Da wir „Gung Ho“ für den Französischen Markt entwickelt haben wollte ich unser Projekt visuell abheben und habe mich deswegen dazu entschieden den Strich wegzulassen. Ich habe eine Art Collagen-Technik entwickelt, die durch grafisch harte Silhouetten trotzdem eine gute Lesbarkeit mit sich bringt.

Comic-Couch:
Thomas, wo liegen für Dich die Vor- und (falls vorhanden) Nachteile beim digitalen Zeichnen?

Thomas von Kummant:
Der größte Vorteil ist sicher das Rückgängig machen, also die Tastenkombination STRG + Z. Außerdem kann man die gleiche Datei immer weiter bearbeiten. Von der ersten Skizze bis zur fertigen Seite wird alles auf dem gleichen Blatt in immer neuen Ebenen erarbeitet. Elemente wie Fahrzeuge und Waffen kann man sich in einem 3D-Programm (z.B. Sketchup) so hindrehen wie man es für ein Bild braucht. Ein Screenshot davon kann auf einer neuen Ebene in Photoshop integriert und nachbearbeitet werden, das erspart viel Zeit. Die „Navigator“ Darstellung der Arbeitsdatei ist auch sehr hilfreich. Das kann man vergleichen mit dem Blick auf das Bild aus der Distanz, um die grafische Wirkung besser zu sehen.

Der größte Nachteil ist, dass man am Ende keine originale Comicseite hat. Der Markt für originale Comicseiten ist gerade in Frankreich groß und wäre eine schöne zusätzliche Geldquelle.

Comic-Couch:
Nicht nur Europa hat die Story der unangepassten Goodwoody-Brüder im Sturm erobert, sondern es sogar über den großen Teich geschafft. Seit April 2019 erscheint „Gung Ho“ beim US-Publisher ABLAZE, was leider noch immer eine Seltenheit ist. Beispiele der jüngeren Vergangenheit wären „Alisik“, „A House Divided“ oder „Endzeit“. Wie kam es zur monatlichen Heft-Veröffentlichung in den Staaten, zu der neben Thomas regelmäßig weitere namhafte Künstler Variant-Motive beisteuern?

Benjamin von Eckartsberg:
Das hat unser Schweizer Verlag PAQUET angeleiert. Die Heft-Veröffentlichung ist eben die Publikationsform, die in den Staaten hauptsächlich praktiziert wird. Dafür war es aber nötig, zu warten, bis Thomy schon an Band 5 arbeitet, so dass es nicht zu einer Zwangspause im Erscheinungsrhythmus kommt. Die Amerikaner sind es nicht gewohnt, ein oder zwei Jahre auf eine Fortsetzung zu warten.

Thomas von Kummant:
Die vier verschiedenen Variant-Cover pro Heft war die Idee von ABLAZE. Die Comichändler können so aus vier verschiedenen Covern auswählen, welche sie für ihren Laden bestellen. Die Idee ist auch, über bekannte Coverkünstler eine Brücke zu schlagen und Interesse an einer neuen, unbekannten Serie zu wecken. Europäische Comics sind in den USA ja eher eine Nische. Ich habe dann auch Künstler vorgeschlagen, die ich mag, wie zum Beispiel Daniel Clarke aus Kapstadt. Es war war sehr spannend, zu sehen, wie all diese unterschiedlichen Künstler „Gung Ho“ interpretieren.

Comic-Couch:
Schon bald seid Ihr wieder auf internationalem Terrain unterwegs, denn der Dunkle Ritter persönlich hat angeklopft. Ihr werdet als deutsches Kreativ-Team eine „Batman“-Story umsetzen. Könnt Ihr uns schon etwas über dieses Projekt erzählen?

Benjamin von Eckartsberg:
Wir haben eine 11-seitige Kurzgeschichte für „Batman - The World“ gemacht. 14 Batman-Storys aus 14 verschiedenen Ländern. Unsere Vorgabe war, eine Batman-Story zu machen, die in Deutschland spielt. Der deutsche Titel ist „Rauhnacht“, und da das nicht treffend ins Englische zu übersetzen ist, heißt die Story in der US-Ausgabe „A Better Tomorrow“.

Thomas von Kummant:
Über den Inhalt dürfen wir nichts erzählen, außer vielleicht, dass sie in den bayerischen Alpen spielt und eher eine Joker- als eine Batman-Geschichte ist.

Comic-Couch:
Wohl der Traum für jeden Zeichner und für jeden Autoren. Wie fühlt sich das an? Und wie muss man sich die Kontaktaufnahme vorstellen? Ruft DC an und sagt „Hey, wir haben „Gung Ho“ gelesen und wollen Euch“?

Thomas von Kummant:
Auf Deutsch wird „Batman - The World“ bei PANINI erscheinen. Der Anruf kam nicht von DC, sondern von Alexander Bubenheimer, dem Chefredakteur von PANINI. Er hat uns gefragt und dann vorgeschlagen. Ich hatte gerade „Gung Ho 5“ beendet. Es hat zeitlich also zufällig gut gepasst.

Und wenn schon ein Superhelden-Comic, dann Batman!

Comic-Couch:
Zuletzt eine fast schon obligatorische Frage, die ich persönlich aber immer sehr spannend finde. Welche Comics haben Euch zuletzt restlos begeistert? Oder gibt es Werke, die Euch maßgeblich geprägt und in Eurem Schaffen beeinflusst haben?

Benjamin von Eckartsberg:
Das sind so viele, und werden immer mehr. Um nur ein paar zu nennen:

„Conan der Barbar“, „Schwermetall“, „Zoo“ von Frank Pé, „Peter Pan“ von Loisel, „Gipsy“ von Smolderen/Marini, „Der Stern der Wüste“ von Desberg/Marini, „Johnny Double“ und „100 Bullets“ von Azzarello/Risso, „Sin City“ von Frank Miller, „Preacher“ von Ennis/Dillon, „Hellblazer“ von Azzarello/Frusin, „Punisher Max“ von Ennis/Parlov, „Jeremiah“, „Die Türme von Bos-Maury“ von Herrmann, „Hellboy“ von Mignola, ...

Ich habe bestimmt viele vergessen.:-)

Thomas von Kummant:
Man entwickelt sich ja geschmacklich immer weiter, aber „Die Suche nach dem Vogel der Zeit“ von Le Tendre/Loisel und „Peter Pan“ von Régis Loisel waren anfangs die Serien, die in mir den Wunsch geweckt haben selbst Comics zu zeichnen.

Das Interview führte Marcel Scharrenbroich im Juni 2021.
Autorenfotos: © Benjamin von Eckartsberg / Thomas von Kummant
Zeichnungen: © Benjamin von Eckartsberg / Thomas von Kummant, CrossCult

Neue Kommentare

Loading

Neu im Forum

Loading

Alita:
Battle Angel

Der „Große Krieg“ ist seit 300 Jahren vorbei. Unter der gigantischen Himmelsstadt Zalem, der letzten ihrer Art, befindet sich Iron City. Hier sind alle Strukturen zusammengebrochen, was die Straßen - speziell nach Einbruch der Dunkelheit – zum gefährlichen Pflaster werden lässt. Im Jahr 2563 sind Cyborgs keine Seltenheit mehr und viele von ihnen verdienen sich ihr Geld als Kopfgeldjäger… sogenannte Hunter-Warrior. Titelbild: © 2019 Twentieth Century Fox

mehr erfahren