Text:   Zeichner: Luke Pearson

Hilda und der Troll

Hilda und der Troll
Hilda und der Troll
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2018

Story

Für junge Leser (6+) definitiv geeignet, können aber auch die Erwachsenen eine Menge Spaß mit „Hilda“ haben. Nachdenklich stimmende Momente und philosophische Ansätze heben den Comic aus der Masse deutlich hervor.

Zeichnung

Kindgerecht und farbenfroh. Kreative Experimente bleiben erfreulicherweise aus. Hier wird geradlinig, übersichtlich und extrem sympathisch durch die Story geführt.

Ein Blauschopf sorgt für Wirbel

Auf Entdeckungstour

In einem urig-gemütlichen Holzhäuschen, mitten in der malerischen Wildnis, lebt die kleine Hilda zusammen mit ihrer Mutter. Bereits ein Blick auf die doppelseitige Karte der Umgebung zeigt, dass hier alles nach „Natur“ ruft und Hildas Heim direkt zwischen grünen Tannen- und Kiefernwäldern, verschneiten Bergspitzen und illustren Orten wie dem „Trollfelsen“, dem „Felstümpel“ sowie einem mysteriösen „Loch“ inmitten der Landschaft liegt. Phantastische Wesen, die wir höchstens aus Märchen und Sagen kennen, sind in Hildas Welt keine Seltenheit und gehen dort regelmäßig ein und aus… so auch in jenem - eben bereits erwähnten - Häuschen.

Kaum lässt das junge, blauhaarige Mädchen die Haustüre einen Spalt geöffnet, kehrt ein kleines Holzmännchen ein und legt sich – als wäre es das normalste auf der Welt – vor den knisternden und heimeligen Kamin. Gelegentlich bringt der Bursche auch direkt das passende Feuerholz mit. Was für ein wohlerzogener und freundlicher, kleiner… Klotz (Hmmm… ein Holzmännchen, das Holz mitbringt. Die Frage nach dem, was er wohl mitgebracht hätte, wenn er ein Mensch wäre, sagt wohl einiges über mich aus…  uuurgh!). Selbst in der fantasievollen Welt von „Hilda“ kommt das merkwürdige Verhalten des putzigen Gesellen dem Mädchen komisch vor. Doch daran soll erstmal kein weiterer Gedanke verschwendet werden.

Es steht nämlich ein nächtlicher Survival-Trip an! Gut, das ist vielleicht etwas dick aufgetragen, denn eigentlich übernachtet Hilda nur in einem Zelt, welches direkt vor dem Haus aufgeschlagen wurde. Sie mag halt die Natur. Und wenn es dann auch noch in Strömen regnet, fühlt sie sich in ihrer hauchdünnen - jedoch sicheren – Nacht-Unterkunft der Außenwelt nur noch mehr verbunden.

Am nächsten Tag geht es dann direkt wieder raus in die Wildnis. Die junge Entdeckerin bricht – bewaffnet mit Stift und Skizzen-Block – auf, um Felsen zu zeichnen und… huch! Wer läuft ihr denn beim Verlassen des Hauses da wieder über den Weg? Das Holzmännchen… war ja klar. Fröhlich pfeifend bringt es Nachschub für den Kamin und macht es sich auf seinem „Stammplatz“ bequem… was für ein komischer, kleiner Geselle. Egal… Hilda bricht auf und zeichnet, was ihr vor die großen Kulleraugen kommt. Über Stock und Stein, durch Täler und über Hügel streift die selbsternannte Abenteurerin, um akribisch alle verschiedenen Felsformationen auf Papier zu verewigen. Begleitet wird sie dabei von Hörnchen, ihrem… ihrem… ja, was ist Hörnchen eigentlich? Man könnte ihr Haustier… besser gesagt, ihren Freund wohl am ehesten als weißen Fuchs mit Mini-Geweih bezeichnen. Ja, das könnte man wohl. Jedenfalls weicht Hörnchen seiner Begleiterin nicht von der Seite.

Als Hilda und Hörnchen bei ihrer Entdeckungstour einen verlorenen Meeresgeist beobachten, der anscheinend den Fjord hinuntergetrieben wurde, fällt dem Mädchen ein merkwürdiger Fels auf. Hmmm… wo hatte sie so etwas schonmal gesehen? RICHTIG… in ihrem Buch „TROLLE und andere gefährliche Kreaturen“! Das steinerne Gebilde sah haargenau aus, wie ein dort beschriebener „Trollfelsen“. Versteinerte Trolle, die in der Dunkelheit lebendig werden. Unheimlich, oder? Ja… Hilda MUSSTE diesen mysteriösen „Trollfelsen“ einfach zeichnen. Um auf Nummer sicher zu gehen, bittet sie ihren kleinen Begleiter, dem versteinerten Troll eine Glocke um die lange, hervorstehende Nase zu hängen. Man kann ja nie wissen. Tatsächlich passiert, was passieren musste: Hilda schläft ein… und als sie erwacht, finden sie und Hörnchen sich in einem ausgewachsenen Schneegestöber wieder. Doch… wo ist der Felsen? Weg. Ist der Troll erwacht und hat sich aus dem Staub gemacht? Die zwei Entdecker irren planlos durch den Wald. Als der Geruch von Rauch Hildas Nase erreicht, folgt sie ihrer Fährte, welche unsere Freunde direkt zu einem bisher unbekannten Häuschen führt. WOW… was für eine moderne und stylishe Hütte! Ihr ratet NIIIIIIE, wer da wohl wohnt. Tja, es ist tatsächlich das Haus vom uns wohlbekannten Holzmännchen! Da wohnt der Kurze so beschaulich und es zieht ihn immer wieder vor den Kamin von Hilda und ihrer Mutter? Jaja, selbst das tollste Heim wirkt kahl, wenn man sich einsam fühlt… Einer der nachdenklich stimmenden Momente, mit denen „Hilda und der Troll“ immer wieder überrascht und philosophische Töne anschlägt.

Da das Holzmännchen sich aber als sehr nette und zuvorkommende Person(?) entpuppt, begleitet es Hilda und Hörnchen ins vertraute und sichere Heim. Ende gut, alles gut… oder? Pustekuchen… denn mitten in der Nacht wird Hilda von einem Geräusch geweckt: *DING*DINGEL-LING*DINGEL-LING*

Sternstunde

Luke Pearsons „Hilda“-Reihe hat sich mittlerweile fest auf dem Markt etabliert und räumte bereits einige Preise ab. Darunter auch der renommierte „Eisner Award“ und der „Max-und-Moritz-Preis“, welcher auf dem „Comic-Salon Erlangen“ verliehen wird. Hauptsächlich richtet sich „Hilda“ natürlich an ein junges Publikum, doch der britische Comic-Zeichner und -Autor Pearson schafft den Spagat, auch erwachsene – oder jung gebliebene – Leser anzusprechen… ja, sogar sie zu berühren. Hildas Welt ist nicht schwarz/weiß… nicht Gut und nicht Böse. Sie wirft einen unschuldigen Blick auf das Unbekannte. Lehrt uns, die Welt mit offenen, unvoreingenommenen Augen zu sehen. Unsere Blicke mal schweifen zu lassen. Zu entdecken. Neugierig zu sein. Dinge aus anderen Perspektiven zu betrachten… durch die unschuldigen Augen eines Kindes.

Die bereits angesprochenen, philosophischen Momente spiegeln sich auch perfekt wieder, als Hilda in ihrem Zelt übernachtet und die prasselnden Regentropfen auf ihrer schützenden Unterkunft beschreibt. „Eine Million Versuche, meine Behaglichkeit zu stören – und ich höre jeden einzelnen scheitern.“ Ein sehr eindringlicher und fast schon poetischer Moment, den ich in einem Comic für Kinder nicht unbedingt erwartet hätte.

Von solchen Momenten lebt übrigens auch Luke Pearsons „Was du nicht siehst“ (ebenfalls bei Reprodukt erschienen und bereits auf unserer „Couch“ ausführlich besprochen). Hier richtet der Künstler sich an ein erwachsenes Publikum und erzählt von Entfremdung, zerbrochener Liebe und verpassten Chancen. Chancen, die ungenutzt bleiben, weil wir im falschen Moment wegsehen. Ein kleines, jedoch beeindruckendes Büchlein, das auch schnell übersehen werden kann, weil… na? Genau… weil man nicht hingesehen hat.

Erfolgsformel

„Hilda“ lebt von seiner unschuldigen und entdeckungsfreudigen Protagonistin, keine Frage. Auch der Humor trifft genau meinen Geschmack. Wenn Hilda durch Kratzgeräusche an ihrem Zelt hochschreckt und in der Sprechblase groß „EIN MONSTER!“ zu lesen ist, sie im nächsten Panel quasi die vierte Wand durchbricht und den Leser mit einem halb zugekniffenen Auge direkt fragend anschaut, nur um - im wiederum nächsten Panel – zitternd in ihrem Schlafsack zu versinken, wo sie mit weit aufgerissenen Augen schon fast vorsichtig denkt „Ein Monster…“, dann trifft das genau den richtigen Nerv und die gezeichnete Komik entwickelt die Dynamik eines Zeichentrick-Films.

Gutes Stichwort! Seit September 2018 ist Hilda auch auf dem heimischen Bildschirm zu bewundern… ein Netflix-Abo vorausgesetzt. In 13 Folgen könnt ihr den furchtlosen Freigeist bei seinen Abenteuern mit Feen, Trollen, Riesen und weiteren illustren Gestalten begleiten. Der Stil der Animationen orientiert sich dabei an den erfolgreichen Comic-Vorlagen, in denen liebevoll gestaltete Charaktere ihren Platz in angenehm warmer Pastell-Kolorierung finden. Farbenfroh, freundlich, detailliert und jederzeit übersichtlich.

„Hilda und der Troll“ wurde in England bereits 2010 unter dem Titel „Hildafolk“ veröffentlicht. 2013 erschien die Geschichte erneut unter dem Namen „Hilda and the Troll“. Im gleichen Jahr erschien die blauhaarige Abenteurerin auch erstmals in einer deutschen Übersetzung… allerdings einige Monate nach der chronologisch zweiten Geschichte „Hilda und der Mitternachtsriese“. Mittlerweile umfasst die Reihe ganze fünf Bände und der Nächste ist bereits für 2019 in Planung. Neben den prachtvollen Hardcover-Bänden mit Leinen-Rücken aus dem Reprodukt Verlag (welcher aktuell für den „Berliner Verlagspreis 2018“ nominiert ist!) sind die ersten beiden „Hilda“-Abenteuer mittlerweile auch alternativ als günstigere Softcover-Ausgaben erhältlich. Doch selbst hier bekommt der Leser was fürs Auge: Die qualitativ ebenfalls hochwertig verarbeiteten Hefte bestechen durch ihr dickes Papier und den partiellen Spotlack, der die Protagonistin - auf dem sonst matt gehaltenen Cover – als Eyecatcher glänze lässt.

Als i-Tüpfelchen gibt es am Ende von „Hilda und der Troll“ noch einen doppelseitigen Blick auf Hildas Schreibtisch, der auf der nächsten Doppelseite Einblicke in das Buch „TROLLE und andere gefährliche Kreaturen“ gewährt. Kann nur nützlich sein… falls ihr selber mal einen „Trollfelsen“ in freier Wildbahn entdecken solltet. Blättert ihr weiter, findet ihr noch ein Mini-Abenteuer mit einem alten Bekannten… wer mag das wohl sein? Danach folgen noch Skizzen von Luke Pearson, über den es auf der allerletzten Seite auch noch wissenswertes zu lesen gibt… abgerundet von einer Auflistung aller bisher erhältlichen „Hilda“-Geschichten

Fazit:

So kurz der Comic mit seinen 40 Seiten auch erscheinen mag, so sehr lohnt es sich, ihm die nötige Aufmerksamkeit zu schenken. Hier kann jeder Leser – egal welchen Alters – noch etwas mitnehmen… und sei es nur das liebevolle und warme Artwork von Luke Pearson. Und – ganz ehrlich – für das kleine Holzmännchen würde ich auch die Tür immer einen Spalt geöffnet lassen.

Hilda und der Troll

Luke Pearson, Luke Pearson, Reprodukt

Hilda und der Troll

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