Blacksad: Under the Skin

Spiel-Kritik von Marcel Scharrenbroich (06.2020) / Titelbild: © Anuman Interactive SA

Ein tierischer Detektiv

Nachts sind alle Katzen schwarz…

New York in den 50ern. Besser gesagt, ein alternatives New York in den 50ern. Alternativ deshalb, weil die Stadt von anthropomorphen Kreaturen bewohnt wird. Vermenschlichte Tiere also. Wer den „Cats“-Kinofilm gesehen hat, wird jetzt schon schreiend aus dem Zimmer gerannt sein… aber da dies ja auf so gut wie niemanden zutrifft, sollten wir noch nahezu vollzählig sein.

John Blacksad, ein Kater, verdient sich seine Brötchen als Privatdetektiv. Kleinere Aufträge, bei denen er hier und da mal der Polizei unter die Arme greift, Fremdgeher entlarvt und im Schmutz anderer wühlt. Einen dicken Fisch kann er an Land ziehen, als er mit dem vermeintlichen Selbstmord eines Box-Club- Besitzers konfrontiert wird. Dessen Tochter, Sonia Dunn, glaubt nämlich nicht, dass ihr Vater sich aus freien Stücken erhängt hat. Deshalb engagiert sie Blacksad, damit der mal ein wenig nachhorcht. Ein Verdacht fällt auf den Boxer Bobby Yale, den Star des Clubs, der eigentlich bald seinen großen Kampf haben soll. Umso verdächtiger, dass er genau jetzt, nach dem überraschenden Tod von Joe Dunn, wie vom Erdboden verschluckt scheint. John Blacksad wittert sofort, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugeht und mehr an dem Fall hängt, als es den Anschein macht. Es verschlägt ihn nicht nur in die korrupte Welt des Box-Sports, sondern auch tief in New Yorks Unterwelt. Und ob er da NUR mit einem blauen Auge wieder herauskommt, liegt in der Hand des Spielers…

Noir-Zootopia

„Blacksad: Under the Skin“ versteht sich als klassisches Adventure. Jedoch steuert Ihr hier nicht einen Cursor, mit dem durchs Bild geklickt wird, sondern direkt den Charakter selbst. Objekte oder Charaktere, mit denen interagiert werden kann, werden (in der PS4-Version) mit der blauen X-Taste kenntlich gemacht. Ein Inventar gibt es nicht, da keine Gegenstände, die man untersuchen oder kombinieren könnte, aufgenommen werden können. Die eigentliche Aufgabe besteht darin, an Informationen zu gelangen, die Licht ins Dunkel bringen und uns näher Richtung Ziel führen. Dies geschieht durch Dialoge und das Abklappern unterschiedlicher Örtlichkeiten. Verlaufen kann man sich dabei nicht, da das gesamte Spiel extrem linear aufgebaut ist und so gut wie keine Freiräume lässt. Die Lösung zum Weiterkommen liegt also immer in unmittelbarer Nähe.

Bei den Dialogen hat man meist mehrere Antwort-Möglichkeiten, aus denen unter Zeitdruck (ablaufender Countdown) ausgewählt werden muss. Das Spiel gibt uns zwar einen Hinweis, dass unsere Auswahl mögliche Folgen haben kann, jedoch dürfte dies nicht wirklich viel am Story-Verlauf ändern. Eine ähnliche Vorgehensweise kennt man aus den zahlreichen Vertretern von Telltale Games. Meist nimmt die Geschichte die gewählte Antwort noch mal kurz auf, womit es das dann auch schon war. Einschneidende Wendungen waren so gut wie nie auszumachen. Hat man durch die zahlreichen Gespräche neue Hinweise gewonnen, lassen diese sich in einem Deduktions-Bildschirm („Sherlock Holmes“ lässt grüßen!) zu neuen Schlussfolgerungen verbinden. Mit den neugewonnenen Erkenntnissen geht es dann wieder zu den vorhandenen Gesprächspartnern, die dann wieder mit frischen Fragen bombardiert werden können. So schaufeln wir immer mehr Dreck an die Oberfläche und tauchen tiefer ein in New Yorks Unterwelt. Der tote Box-Club-Besitzer ist nur die Spitze des Eisbergs, denn hier regieren Korruption, die Glücksspiel-Mafia und Fremdenhass.

Etwas Auflockerung gibt es immer wieder durch Quick-Time-Events (QTE), die eine schnelle Reaktion voraussetzen. Zahlreiche Ganoven wollen Euch nämlich den pelzigen Arsch versohlen, was durch geschicktes Knöpfchen-Drücken im richtigen Moment zumindest etwas abgefedert werden kann. Solltet Ihr aber doch mal das Zeitliche segnen, was mit Sicherheit an einigen Trial & Error-Stellen vorkommen wird, ist das aber auch kein Problem, da die Checkpoints recht fair gesetzt sind. Trophäen-Jäger sollten dies allerdings vermeiden, denn EINEN goldenen Kelch gibt es nur, wenn Ihr das Spiel meistert, ohne ins Gras zu beißen… na dann viel Spaß!

Wenn Ihr die Bekanntschaft von neuen Charakteren macht, könnt Ihr auch Eure Katzen-Instinkte einsetzen und nach Hinweisen an der Kleidung oder in der Umgebung Eures Gegenübers suchen. Auch dies kennt man bereits aus den „Sherlock Holmes“-Games. Wer gerne jede Ecke in einem Spiel genaustens untersucht, wird in „Blacksad: Under the Skin“ ebenfalls fündig. Überall (und selbst an den abstrusesten Orten) sind Sammelkarten aus Hall of Fame-Alben versteckt, deren abgebildete Sportler sich in einem Untermenü jederzeit anschauen lassen.

Nur Theater mit dem Kater

Was eigentlich ein stimmiges Noir-Adventure hätte werden können, wird leider durch die mangelhafte technische Umsetzung gekillt. Hier gibt es leider wenig schönzureden. Ist die Grafik noch einigermaßen ansehnlich, wenn auch etwas zu geleckt und in den Animationen zu steif, wird die Atmosphäre immer wieder durch arge Fehler zerstört. Dies fängt an mit Sound-Aussetzern, enormen Rucklern, Bild-Fehlern, bei denen plötzlich bunte Pixel-Haufen auf dem Bildschirm auftauchen, und kompletten Freezes oder Abstürzen des Spiels. Die langen Ladezeiten geben dem Titel (und dem genervten Spieler) dann den letzten Rest. Es kann nicht sein, dass ein Adventure, das mit seinem doch übersichtlichen Spielraum länger lädt, als Open World-Titel, die teilweise komplett ohne Wartezeiten auskommen. Und bei „Blacksad: Under the Skin“ rotiert der Ladebalken bei jedem Szenenwechsel, bei jedem Zugriff aufs Hall of Fame-Album und bei jedem Versuch, eine neue Schlussfolgerung zusammenzupuzzeln. Absolut nicht mehr zeitgemäß und technisch leider veraltet.

Die von uns getestete PlayStation4-Version erschien als „Limited Edition“, in der die Standard-Hülle in einem O-Card-Schuber untergebracht ist. Die Front ziert ein Lenticular-Bild und zusätzlich sind sechs Charakter-Karten enthalten. Außerdem existiert ein „Collector’s Edition“, die vor allem für Sammler (wie der Name schon sagt…) interessant sein könnte. Hier finden sich auch alle Inhalte der „Limited Edition“, ergänzt durch eine Mappe mit zahlreichen Art-Prints und – als Kernstück dieser Edition – eine Blacksad-Figur aus Kunstharz.

Neben der PS4-Version ist „Blacksad: Under the Skin“ auch für Xbox One, Nintendo Switch und PC erhältlich.

Eine (un)bewegte Vergangenheit

Die Welt von John Blacksad hat eigentlich alles, was man gut in einem Spiel hätte umsetzen können. Dies gelingt nur bedingt, obwohl viele Kleinigkeiten übernommen wurden. Das Adventure basiert nämlich auf einer berühmten Vorlage. Und zwar den Comics von Autor Juan Díaz Canales und Zeichner Juanjo Guarnido. Letzterer lieferte auch die brillanten Bilder zum Comic-Überraschungserfolg „Der große Indienschwindel“, welcher im August 2019 beim Splitter Verlag veröffentlicht wurde.

Privatdetektiv John Blacksad bringt es bislang auf fünf Fälle, die allesamt im Carlsen Verlag erschienen sind. „Irgendwo zwischen den Schatten“, „Arctic Nation“, „Rote Seele“, „Die Stille der Hölle“ und „Amarillo“ zählen mittlerweile zu Klassikern der Neunten Kunst und wurden zudem in einer längst vergriffenen Gesamtausgabe veröffentlicht. „Blacksad: Gesammelte Fälle“ hatte noch zusätzliche Geschichten und einen umfangreichen Bonusteil zu bieten, was für Liebhaber und Sammler natürlich ein Kaufgrund war.

Fazit:

Der spanische Entwickler Péndulo Studios, der eigentlich auf Adventures spezialisiert ist und mit der „Runaway“-Reihe oder „Der Fall John Yesterday“ und „Yesterday: Origins“ bereits positive und durchaus kreative Genre-Beiträge auf den Markt gebracht hat, tut sich mit der Adaption von „Blacksad“ keinen großen Gefallen. Obwohl die Story gar nicht uninteressant ist und auch die deutsche Sprachausgabe zu überzeugen weiß, können die technischen Defizite die halbherzige Umsetzung nicht kaschieren. Ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn ein Spiel um jeden Preis zum anvisierten Termin auf den Markt kommen muss. 6 - 8 Monate mehr Entwicklungszeit hätten Wunder bewirken und zahlreiche Fehler ausmerzen können. Schade.

Wertung: 5

Gameplay: 3  |  Grafik: 7  |  Spielspaß: 5

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Fotos/Screenshots: © Anuman Interactive SA

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