Hanco Kolk

Hanco Kolk, geboren 1957 in Den Helder, zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten Comic-Künstlern der Niederlande. Nach Anfängen in der Underground-Szene, gehörte er 1980 zu den Gründern des Künstler-Kollektivs Studio Arnhem. Zusammen mit Peter de Wit, der selber schon im Alter von siebzehn Jahren in der Branche Fuß fasste, schuf Kolk 1983 die überaus populäre Serie „Gilles der Gauner“. Über zwanzig Jahre erheiterte der schlitzohrige Wegelagerer das niederländische Publikum in kurzen und später auch längeren Geschichten. Ein geschichtlicher Abenteuer-Funny, der zum 40. Jubiläum nun auch bei uns verfügbar ist. 2017 durfte Hanco Kolk dann dem belgischen Kulturgut „Spirou“ seinen Stempel aufdrücken. Auch dieser grandiose Spaß erschien 2023 erstmalig in Deutschland. Grund genug, dem Preisträger des „Stripschapprijs“, der höchsten Auszeichnung der Niederlande für kreatives Comic-Schaffen, ein paar Fragen zu seinen Arbeiten zu stellen.

Mir gefällt die Tatsache, dass ich zu der Generation von Comiczeichnern gehöre, die sich finanziell auf ein Produkt konzentrieren konnten.

Comic-Couch:
Lieber Hanco, 2023 wurden in Deutschland gleich zwei Deiner Werke bei unterschiedlichen Verlagen veröffentlicht. Reden wir zuerst über „Gilles“, welcher bei Panini in einer dreibändigen Gesamtausgabe erscheint.
Seit 2003 ist die langlebige Serie „Gilles der Gauner“ offiziell beendet. Wie fühlt es sich an, diesen niederländischen Kult-Comic nun noch einmal in einer fremdsprachigen Übersetzung in Händen zu halten? Wird man da ein wenig nostalgisch?

Hanco Kolk:

„Gilles“ ruft immer schöne Erinnerungen hervor. Peter de Wit und ich haben viel Energie und Kreativität in die Serie investiert, was uns sehr viel Spaß gemacht hat. Mir gefällt die Tatsache, dass ich zu der Generation von Comiczeichnern gehöre, die sich finanziell auf ein Produkt konzentrieren konnten. „Gilles“ ist der Beweis dafür, dass dies zu schönen Geschichten führt.
Ich suche übrigens einen neuen Job im sozialen Bereich, Grundschulalter und älter (gerne auch was Offenes) ab September in der Region Oberschwaben um Ravensburg herum, da werde ich nämlich dieses Jahr hinziehen.

Comic-Couch:
Kannst Du uns erzählen, wie die Idee zu „Gilles de Geus“, wie der Comic im Original heißt, geboren wurde?

Hanco Kolk:
Die Idee stammt aus einer englischen Fernsehserie namens „Dick Turpin“ über einen legendären Straßenräuber im Jahr 1700.  Ich mochte die Atmosphäre und die verwegene Stimmung der Serie. Etwa zur gleichen Zeit hatte die Band Adam and the Ants mit „Stand and Deliver“, ebenfalls über einen Gentleman-Dieb, einen Hit.  Also habe ich dem Eppo Magazine eine Serie über einen Wegelagerer namens Swash Buckler vorgelegt. Sie mochten die Geschichten und das Design der Figur, bestanden aber darauf, ihn von England in die Niederlande zu verlegen.

Comic-Couch:
Der Hintergrund der Geschichten um „Gilles“ fußt auf wahren Ereignissen. War sofort klar, dass Ihr (Du und dein kreativer Partner Peter de Wit) ein historisches Stück Zeitgeschichte nehmt, um die Handlung dort zu verorten?

Hanco Kolk:
Ich muss sagen, dass die Zeit, in der „Gilles“ spielt, eine Idee des Art Directors Wilbert Plijnaar (Anm. d. Red.: 1995 ebenfalls mit dem „Stripschapprijs“ ausgezeichnet) war. Und es war Peter, der die immensen Möglichkeiten erkannte, die sich daraus ergaben. Sowohl Peter als auch ich sind Geschichtsinteressierte, und wir haben eine Menge Unterlagen über den Krieg gegen Spanien gesammelt. Darin finden sich Perlen von unglaublichen Fakten, und es wäre schade, wenn wir das weglassen würden.

Comic-Couch:
Im Zuge der deutschen Veröffentlichung wurde „Gilles der Gauner“ immer wieder als „niederländischer Asterix“ betitelt. Wie stehst Du zu diesem Vergleich? Ein anerkennender Ritterschlag oder werden da Äpfel mit Birnen verglichen?

Hanco Kolk:
Ich verstehe die Anspielung, aber sie steht nur für die Hauptprämisse: ein kleines Land, das sich einer großen Macht entgegenstellt. Wir können uns nicht mit Uderzo und Goscinny vergleichen. Sie waren beide die absolute Spitze. So einfach ist das!

Comic-Couch:
Wie stehen die Chancen, dass wir „Gilles“ und die Geusen irgendwann noch mal in Aktion sehen?

Hanco Kolk:
Null Prozent. Mein Zeichenstil hat sich weiterentwickelt, und die Zeiten haben sich geändert. Es ist nicht mehr machbar, diese Art von Mainstream-Comic zu machen und nicht zu verhungern. Abgesehen davon haben sowohl Peter als auch ich andere Projekte, die unsere Aufmerksamkeit erfordern!

Comic-Couch:
Dann hast Du noch ein „Spirou“-Abenteuer geschrieben und gezeichnet. Und zwar ein sehr gelungenes! Wie kam es denn dazu?

Hanco Kolk:
Vielen Dank für das Kompliment! Es handelte sich um einen einfachen Anruf des Verlegers, der mich fragte, ob ich Interesse hätte. Ich habe sofort zugesagt, ohne zu ahnen, dass ich in die Fußstapfen von Franquin und anderen Großmeistern treten würde. Als mir das klar wurde, freute sich mein alter Freund, das Imposter-Syndrom (Anm. d. Red.: = Hochstapler-Syndrom. Ein psychologisches Phänomen, bei dem Betroffene von massiven Selbstzweifeln geplagt werden), bei jedem Panel, das ich zeichnete, zu mir zu kommen.

Comic-Couch:
Hattest Du bei der Geschichte freie Hand oder gab es da strenge Vorgaben?

Hanco Kolk:
Die einzige Vorgabe war, dass es in Holland stattfinden musste. Ich lebe in Rotterdam, ich liebe die „Spirou“-Periode von 1960 und vor allem Talbot. Ein bisschen googeln mit den Stichworten „Rotterdam“ und „1960“ ergab „Floriade“ (Anm. d. Red.: Internationale Gartenbauausstellung in den Niederlanden). Ich fand die Postkutsche, und die Geschichte nahm ihren Lauf!

Comic-Couch:
„Tulpen aus Istanbul“ besticht durch einen sehr modernen Zeichenstil. War es dank Deiner künstlerischen Erfahrung leicht, den richtigen Ton zu treffen? Wie lange dauert es, bis ein „Spirou“ die eigene Handschrift trägt, ohne verfälscht zu wirken?

Hanco Kolk:
Das war sehr, sehr schwierig. Ich wollte es nicht zu künstlerisch machen, aber ich wollte es auch etwas weniger bizarr als „Gilles“ machen. Wenn man dann noch das Imposter-Syndrom hinzufügt, hat man einen Cocktail, der nach hoffnungslosem Versagen riecht. Zum Glück konnte ich ihn trinken und dieses Problem in den Griff bekommen. Aber jeden Tag musste ein neues Glas des Cocktails getrunken werden.

Comic-Couch:
Gibt es Planungen, dass weitere Deiner Comics den Weg zu uns finden? Ich denke da vor allem an die Geschichten aus „Meccano“ und die überaus erfolgreiche Reihe „S1NGLE“.

Hanco Kolk:

Es ist ein Kunstbuch in Arbeit, das 2024 erscheinen soll. Und was „Meccano“ angeht: Ich halte mich in dieser Serie nicht zurück, daher habe ich meine Zweifel, ob sich ein deutscher Verlag trauen würde, sie in Deutschland zu veröffentlichen!

„S1NGLE“ ist mehr Mainstream und ein Tageszeitungscomic. Soweit ich weiß, gibt es in deutschen Zeitungen keine täglichen Comics.

Das Interview führte Marcel Scharrenbroich im November 2023.
Foto: © Hanco Kolk

Alita:
Battle Angel

Der „Große Krieg“ ist seit 300 Jahren vorbei. Unter der gigantischen Himmelsstadt Zalem, der letzten ihrer Art, befindet sich Iron City. Hier sind alle Strukturen zusammengebrochen, was die Straßen - speziell nach Einbruch der Dunkelheit – zum gefährlichen Pflaster werden lässt. Im Jahr 2563 sind Cyborgs keine Seltenheit mehr und viele von ihnen verdienen sich ihr Geld als Kopfgeldjäger… sogenannte Hunter-Warrior. Titelbild: © 2019 Twentieth Century Fox

mehr erfahren