Andre Lux

1983 im Schwarzwald geboren, ist Andre Lux dem künstlerischen Minimalismus seit Kindheitstagen treugeblieben. Es müssen halt nicht zwangsläufig Mœbius oder Will Eisner sein, um epische Geschichten in Comic-Form zu erzählen… wobei die epochalen Ausmaße sich bei Andre Lux im überschaubaren Rahmen halten. Vielmehr macht er den Alltag zum Mittelpunkt seiner Strips und Geschichten, die gebündelt im VENTIL VERLAG und bei CROSS CULT erscheinen, oder von Lux regelmäßig auf den gängigen Social-Media-Plattformen verbreitet werden.

In „ROBERT – Endlich eingeschult.“ folgen wir dem Titelhelden bei seinen aufregenden ersten Tagen in der Grundschule. Ein heißes Pflaster voller Überraschungen, Erniedrigungen und dem ganzen Scheiß, der zwischen Flötengruppe und Basteln für angehende Atomphysiker sonst noch so abgeht. Doch auch der Künstler selbst hat einiges aus dem Schulalltag zu berichten…

Comic-Couch:
Andre, du arbeitest hauptberuflich im Grundschulbereich. Kannst du uns erzählen, wie und warum es dich wieder auf die Schulbank gezogen hat?

Andre Lux:

Das war irgendwie Zufall: ich bin seit 2005 Jugend- und Heimerzieher und nach Jobs im offenen Jugendbereich, Schülerhort und in einer Wohngruppe in Vancouver, Kanada wollte ich einmal etwas Neues ausprobieren und machte so eine Art Praktikum als Suchmaschinenoptimierer in einer Agentur in München, die an ProSieben gekoppelt war. Diese Erfahrung war so fürchterlich und abschreckend, dass daraus ein paar Jahre später das Comicbuch „LARS – Der Agenturdepp“ entstand (ebenfalls bei CROSS CULT erschienen). Nach diesem unrühmlichen Ausflug in die Welt der Deadlines, USPs und langen Zigarettenpausen zog es mich wieder zurück in meine Heimat Baden-Württemberg. Dort habe ich mich dann zuerst wieder auf SEO-Stellen beworben um dann endgültig zu merken, was das für eine unangenehme Branche ist. Aus einem Impuls heraus bewarb ich mich dann bei der ersten Stelle, die mir irgendeine Bewerbungsplattform beim Stichwort „Erzieher“ vorschlug. Nun bin ich 9 Jahre später immer noch beim selben sozialen Träger als pädagogische Fachkraft im Ganztagesbereich tätig. Es macht mir enorm viel Spaß, einfach weil man hier zwar die klassische Struktur vom Schulkontext vorfindet, die Ganztagesschulbetreuung aber noch ein relativ junger Bereich ist und bei den richtigen Gegebenheiten (z.B. korrekte Team- und Schulleitung) total viel ausprobieren und die eigenen Interessen und Fähigkeiten einbringen kann. Außerdem taugt mir immer noch die Arbeit mit Kindern im Grundschulalter. Von der 1. bis zur 4. Klasse passiert in der Entwicklung total viel und diese Zeit begleiten zu dürfen ist manchmal echt ein Privileg. Meine letzte Schulklasse die ich betreut habe, habe ich die komplette Grundschulzeit begleitet. Das war cool und ich konnte viel Beziehungsarbeit leisten. Achja: Ganztagesschule bedeutet nicht, dass die Kinder den ganzen Tag Schule haben, sondern dass sie nach dem regulären Vormittagsunterricht Mittagessen und dann im besten Fall ein vielseitiges Programm auf sie wartet, wie bspw. AGs, Freispiel oder Workshops.

Ich suche übrigens einen neuen Job im sozialen Bereich, Grundschulalter und älter (gerne auch was Offenes) ab September in der Region Oberschwaben um Ravensburg herum, da werde ich nämlich dieses Jahr hinziehen.

Das einzige was ich versuche zu vermitteln ist meine Motivation, die ich immer noch beim Zeichnen habe, und ich möchte jedes Kind fördern, das eine Leidenschaft oder ein Interesse in irgendeinem bestimmten Feld entwickelt...

Comic-Couch:
Wie verträgt sich dieser seriöse Job mit deiner Arbeit als Comic-Zeichner? Und wie ging es mit den Cartoons/Comics überhaupt los?

Andre Lux:
Ich habe als Schulkind damit angefangen. In dieser Übergangszeit von Grundschule zur weiterführenden Schule im Jahr 1994. Ganz klassisch: Mein Nebensitzer Claudio (der traurigerweise keine Strichfigurencomics mehr malt, obwohl er meiner Meinung nach damals schon deutlich raffiniertere Storys und Witze aufs Papier brachte) und ich zeichneten während des Unterrichts aus purer Langeweile in selbstgebastelte kleine Heftchen und verkauften diese dann auf dem Schulhof an unsere Mitschüler*innen. Viele dieser Hefte habe ich sogar noch! Die werden irgendwann im EGON FOREVER!-Museum ausgestellt. Die Hauptfigur hieß damals schon Egon, das erste „Magazin“ auch, das FOREVER! kam dann erst dazu als ich meine Cartoons und Comics ca. 2008 zum ersten Mal ins Internet (Myspace, Blogspot) hochgeladen hatte, ich habe nämlich seit 1994 nie mit dem Zeichnen meiner Sachen aufgehört. Irre eigentlich. Ich versuche die Strichfiguren aus meinem Job rauszuhalten, einfach auch, weil es mittlerweile ein sehr umfangreiches Hobby ist, die Inhalte nicht immer den Geschmack von allen treffen und ich in meinem Erzieherjob einfach einen komplett anderen Auftrag habe. Das einzige was ich versuche zu vermitteln ist meine Motivation, die ich immer noch beim Zeichnen habe, und ich möchte jedes Kind fördern, das eine Leidenschaft oder ein Interesse in irgendeinem bestimmten Feld entwickelt, vor allem wenn es von seinem Umfeld vermeintlich gesagt bekommt, dass das ja „nix Richtiges“ oder nur „ein lustiges Hobby“ sei. Kindern die in Ruheangeboten zeichnen oder Geschichten erfinden oder kreative Rollenspiele miteinander machen will ich auch immer das Gefühl geben, dass ich sie ernst nehme und es toll finde, dass sie das machen und ihnen ggf. noch mehr Möglichkeiten zur Entfaltung geben. Da erzähle ich dann schon mal, dass ich auch abends noch zu Hause sitze und male und das dann sogar versuche Leuten zu verkaufen.

Comic-Couch:
Trotz allem trockenen Humor werden in „ROBERT – Endlich eingeschult.“ auch offensichtliche Mängel im Bildungssystem deutlich. Gab es bestimmte Erlebnisse, die dich zu dem Comic inspiriert haben?

Andre Lux:
Den ursprünglichen Impuls zu der Geschichte kam mir in einem Elterngespräch. Ich führe sehr gerne Gespräche mit Eltern, einfach um ihnen zu zeigen, dass man gemeinsam die Erziehung des Kindes begleitet und das Kind in allen Interessen zusammen fördert und sich dabei auf Augenhöhe begegnet. Dabei ist es wichtig, alle Bedürfnisse im Blick zu behalten: Eltern, Kind und pädagogische Fachkraft machen hier viel Beziehungsarbeit miteinander und tauschen sich im besten Fall sehr regelmäßig aus, nicht nur wenn es mal irgendwo knirscht. In einem lockeren Tür-und-Angel-Gespräch sagte mir mal eine Mutter bei der Abholung in der ersten oder zweiten Schulwoche, dass ihr Sohn aus allen Wolken gefallen ist als er plötzlich mitbekam, dass man in der Schule ja für alles bewertet wird, dass ein Nashorn nicht gelb angemalt werden darf und die Kinder auf dem Schulhof nur einen einzigen Klassenball zum Spielen haben dürfen, weil sonst ist ja absolutes Chaos und Apokalypse. Ich empfand das als einen interessanten Perspektivwechsel, weil ich einerseits die Struktur und Organisation einer Schule ja gut finde, denn es gibt vielen Kindern Orientierung und Sicherheit. Andere Kinder fallen dann aber wieder hinten runter und man hat das Gefühl, dass sie mit ihren eigenen Bedürfnissen alleine gelassen werden. Das ist kein Vorwurf an Lehrer*innen oder Schulsozialarbeiter*innen, sondern an das System an sich: Ich würde in Zeiten von Lehrermangel unheimlich gerne unterrichten, z.B. an Sozialpädagogischen Fachschulen, allerdings darf ich das nicht, weil ich trotz beinahe 20 Jahren Berufserfahrung nicht die passende Qualifikation habe. Und so geht es vielen Leuten. Der Job in Bildungseinrichtungen ist so dermaßen Burnout-gefährdet, einfach weil die Anspruchshaltung von außen so enorm groß ist, man aber gar nicht die personellen und auch räumlichen Kapazitäten hat, um dem Ganzen gerecht zu werden. Schulen fallen teilweise buchstäblich auseinander, man muss mit dem zurechtkommen was man hat und stellenweise riesige Kindergruppen durch einen Tag durchschleifen. Da wundert es mich nicht, dass der Kaffeekonsum an manchen Schulen jährlich mehrere Hektoliter beträgt und die Krankheitstage mehr werden. Wenn ich dann noch diverse Kommentare von Menschen im Internet lese, die seit 30 Jahren keinen Fuß mehr in eine Bildungsstätte gesetzt haben und die meinen, dass sich Erzieher und Lehrer ja nicht beschweren dürfen, weil die spielen ja eh den ganzen Tag nur UNO und haben ständig Ferien, dann möchte ich diese Leute direkt zu einem Hospitationstag einladen und mal ein Sportangebot, ein Mittagessen, mehrere Streitsituationen und eine ganz ordentliche Lautstärke erleben lassen. Im Übrigen hat sich die Bezahlung im sozialen Bereich (und auch in der Pflege) trotz der Balkonklatscherei von 2020 nicht unbedingt verbessert. So wird der Job nicht zwingend attraktiver.

Comic-Couch:
Dein „Robert“ hat es mit zynischen Sprüchen und Gedankengängen faustdick hinter den Ohren. Steckt in dem kleinen Kerl auch ein „Andre“, der seine eigene Zeit in der Grundschule noch mal Revue passieren lässt?

Andre Lux:
Ja klar. Alle meine Comics und Cartoons haben irgendwo was Autobiographisches. Wobei, fast alle, BARBARKULOR und die BORLECK! Magazine sind ja eher so ein Austoben im Nonsens-Bereich (das mach ich am liebsten, weil des isch geil). ROBERT ist natürlich viel von meiner eigenen Schulzeit aber auch von diversen Menschen meiner eigenen Erzieherbiographie inspiriert. Und selbstverständlich kann ich meine künstlerischen, popkulturellen Einflüsse auch nicht ganz verhehlen.

Comic-Couch:
Warst du ein guter Schüler? (Gemeine Frage…, ich weiß.)

Andre Lux:
Wenn es rein um die Noten geht, war ich ein ziemlich mittelmäßiger Schüler mit klassischer Dorf-Vita: 1.-4. Klasse ganz gut, sogar mit Gymnasiumsempfehlung, allerdings (zum Glück) auf die Realschule gegangen (ins Nachbardorf) und dort von Klasse zu Klasse gehangelt und immer weiter abgekackt wegen Sachen die wichtiger waren (PlayStation, Punkrock, Kumpels, getunter Roller, Bong, Trichtersaufen etc.). Irgendwie habe ich es dann auf ein Berufskolleg mit sehr vielen tollen Lehrer*innen geschafft, die mir dann auch den Bock auf Schule wieder reingedonnert haben und auch nicht ganz so konservativ und engstirnig mit mir umgingen wie das Personal in der Dorfschule. Am Ende hatte ich dann sogar die Fachhochschulreife. Trotzdem dachte ich zu dem Zeitpunkt immer noch, ich werde ganz sicher mal Rockstar und Schule ist nur so eine Randerscheinung die man halt machen muss, damit die Eltern ihr Maul halten. Meine Erzieherausbildung wiederum lief richtig gut, da konnte ich dann mit meinem Dauergelaber punkten und wenn man als Medienprojekt einen 2-minütigen Stop-Motion-Film ablieferte, bekamen die Lehrer*innen schon feuchte Augen. Hier konnte ich meinen ganzen Scheiß, den ich mir nebenher dank der Punk- und Hardcoreszene so DIY-mäßig und halblebig anlernte (Songwriting mit Gitarre, Siebdruck usw.), endlich gewinnbringend anwenden.

Comic-Couch:
Deine Cartoon-Bände erscheinen im VENTIL VERLAG, während deine längeren Geschichten, wie „LARS – Der Agenturdepp“, bei CROSS CULT heimisch sind. Wird es weitere abgeschlossene Geschichten von dir geben?

Andre Lux:
Es liegt sogar schon eine parat, komplett fertig. Leider hat sich bisher keiner der angeschriebenen Verlage zurückgemeldet. Das ändert sich hoffentlich noch. Aber so viel sei verraten: Es ist kein gängiges Comic per se, sondern eher eine Art Vorlesebuch für Erwachsene mit Reimen, und noch nie war ich so nah an der Realität dran, denn dieses Mal gibt es den Protagonisten wirklich, nur der Name wurde geändert und ein paar Storyparts ausgekleidet. Also wenn ihr einen Verlag habt oder einen kennt: Schreibt mir! Das neue Buch ist wirklich richtig geil geworden. Mein Freund Grillmaster Flash, ein Musiker aus Bremen, meinte erst kürzlich, als er einen Blick hineinwerfen durfte, es sei mein persönlicher „Faust“.

Comic-Couch:
Mit deinen markanten Strichfiguren hast du dir eine treue Fanbase aufgebaut und beweist konsequent, dass man kein künstlerisches Ausnahmetalent am Pinsel sein muss, um pointiert ins Schwarze zu treffen. Hat es dich trotzdem nie gereizt (auch wenn die Fans es dir bestimmt übelnehmen würden), stilistisch zu experimentieren?

Andre Lux:
Ja, das mache ich ja gelegentlich mit meinen BORLECK! Magazinen. Das sind so kleine Hefte, die ich seit Beginn der Pandemie zeichne und selbst veröffentliche. Da gibt es dann auch mal Farbe oder eine Figur bekommt mehr Feinheiten verpasst. In erster Linie geht es mir aber immer darum, eine Geschichte oder einen Witz zu erzählen. Das ist wie beim Punkrock: In drei Akkorde und eine eingängige Melodie plus Uffda-Uffda-Schlagzeug kann man viel Message verquirlen. Ich liebe auch den Vergleich mit der Stand-Up-Comedy in diesen Clubs in New York: Eine Steinwand, ein Mikro und dann steht da eine Person und erzählt Gags – Keine Explosionen, kein Konfetti und keine Lasershow. Bei genauem Hinschauen kann man allerdings schon erkennen, dass ich immer mehr Details in meine Zeichnungen einbaue. Gerade bei meinem neuen Buch, für das ich noch den Verlag suche, wird das ziemlich deutlich. Ich versuche einfach mein Universum für mich selbst interessant zu halten, aber bitte mit so wenig Aufwand wie möglich.

Das Interview führte Marcel Scharrenbroich im Februar 2023.
Foto: © Andre Lux
Zeichnungen: © Andre Lux

„ROBERT – Endlich eingeschult.“ auf Comic-Couch.de:

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