Oliver Ottitsch

12.2021 Der österreichische Karikaturist und Cartoonist Oliver Ottitsch setzt den Zeichenstift nicht selten dort an, wo’s wehtut. Stets angespitzt bohrt er in der Wunde. So lange, bis einer lacht… was bei seinem treffsicheren und zeitgleich deftigen Humor nicht schwerfällt. In seinem aktuellen Cartoon-Band „Die Liebe ist stärker als der Tod“ (erschienen bei SCHERZ & SCHUND) setzt sich der Preisträger mehrerer Auszeichnungen mit dem Tod auseinander. Friedlich dahingeschlummert wird allerdings nur in den wenigsten Fällen, dafür stirbt sich’s stets nach dem fröhlichen Monty-Python-Motto „always look on the bright side of death“. Klopfen wir mal an die Gruft, und fragen, wie der Zeichner des Makabren bei seiner Arbeit vorgeht…

Der Tod ist der Fluchtpunkt auf den das gesamte Leben zusteuert. Man kann ihn nicht aus den Augen verlieren, höchstens kurzzeitig ausblenden.

Comic-Couch:
Lieber Oliver, es gibt wohl kaum ein Thema, welches jeden Menschen gleichermaßen betrifft (den einen eher, den anderen später), wie dieses: der Tod. Lag es deshalb auf der Hand, dass du dich dem Ableben intensiver gewidmet hast?

Oliver Ottitsch:
Vermutlich. Was alle angeht ist als Thema auch universell zugänglich. Körperlicher Schmerz und Lust, Vergänglichkeit… Das betrifft sogar deine Hauskatze. Die hat jedoch kaum Budget für Printwaren, ist somit als Zielgruppe zu vernachlässigen.

Comic-Couch:
Wenn man gleich ein ganzes Buch mit dem Thema Tod füllt, sollte man schon ein richtiger Sonnenschein sein. Drückte die Thematik mit der Zeit nicht aufs Gemüt?

Oliver Ottitsch:
Es drückt, ob ich etwas dazu zeichne oder nicht. Der Tod ist der Fluchtpunkt auf den das gesamte Leben zusteuert. Man kann ihn nicht aus den Augen verlieren, höchstens kurzzeitig ausblenden.
Einen Hang zum Morbiden habe ich wohl auch ausgebildet, weil mich alles was mit körperlichem Verfall zu tun hat, seit jeher tief verstört und ängstigt. Jegliche Form von Verstümmelung, also partieller Selbstauflösung, war mir schon von Kindesbeinen an eine grauenvolle Vorstellung. Einen Finger zu verlieren, ein Bein, ein Auge, alles was nicht nachwächst… Bereits jede Blutabnahme ist für mich eine existenzielle Herausforderung. Ich bin ein Weichei. Daher schütze ich mich mit einem Panzer aus hartem Humor.

Comic-Couch:
Welche Themen favorisierst du außerdem beim Zeichnen? Gibt es da so etwas wie eine Comfort-Zone?

Oliver Ottitsch:
Man taumelt oft mit einer gewissen Unbewusstheit durchs eigene Schaffen, überlässt dem Unbewussten die Themensetzungen und vertraut darauf, dass es einem etwas Brauchbares in den Schoß legt. Wiederkehrende Motive gibt es bei mir wohl auch, wobei sich oft erst im Rückblick erschließt, welche sich zu lebensbegleitenden Obsessionen ausgewachsen haben.
Ansonsten gilt: Alles was mit Scham, Anspannung und Tabu bereits aufgeladen ist, wartet geradezu darauf, mit einem Witz zum Platzen gebracht zu werden. Das kommt wie ein ausgleichendes Naturgesetz, Yin und Yang, Sie verstehen?

Comic-Couch:
In deinem Buch finden sich neben Cartoons auch mehrseitige Kurz-Comics. Wird man in Zukunft mehr längere Geschichten von dir erwarten können?

Oliver Ottitsch:
Über ungelegte Eier soll man nicht gackern, sprach ein weises Hühnchen einst. Mal sehen wie viel Energie ich habe. Und ob sich Publikationsplattformen dafür finden, damit solch Arbeit auch honoriert werden kann. Schritt für Schritt. Meine Beschäftigung mit Comics, auch als Leser, hat jedenfalls wieder zugenommen. Alte Liebschaften werden mit neuem Leben erfüllt. Wollen wir hoffen, dass das motiviert und abfärbt.

Comic-Couch:
Wie stehst du dem Tod gegenüber? Glaubst du, „danach“ kommt noch was… oder ist mit dem Mann mit der Sense dann sense (großer Gott, für diesen Kalauer komme ich endgültig in die Hölle…)?

Oliver Ottitsch:
Ich weiß es nicht. Aber wenn ich raten müsste, würde ich vermuten: Das Leben geht weiter, nur du bist nicht dabei. Dein einmaliges Selbst zerbröselt. Die Spuren die du hinterlässt, in Form von biologischen Nachkommen, oder in die Welt gesetzten und weiterhin zirkulierenden Ideen, gehen in die Verlängerung. Es gibt Untote, die mit ihren Hinterlassenschaften die Nachgeborenen noch Jahrhunderte später quälen oder bereichern.
Wenn man die Atome, aus denen auch wir zu bestehen scheinen, als Lego-Bausteine des Universums betrachtet, werden die Naturgesetze, nachdem sie neu durchgemischt wurden, schon wieder irgendwas Brauchbares daraus zusammenbasteln. Im besten Fall Beatles oder einen Beethoven. Aber es muss zwischendurch auch mal ein Dieter Bohlen rauskommen. Yin Yang.

Comic-Couch:
Bei nicht gerade wenigen Cartoons in „Die Liebe ist stärker als der Tod“ hat es mich brüllend von der (Comic-)Couch gerissen. Dabei geht es, wie bereits angesprochen, oft schlüpfrig und explizit zu. Gibt es heiße Eisen, von denen du bewusst die Finger lässt? Ist dir inhaltlich überhaupt etwas „heilig“?

Oliver Ottitsch:
Heilig ist alles und alles ist lächerlich. Der Mensch ist unvollkommen und noch dazu ein Stümper und alle Vorstellungen und Weltdeutungen, mit denen er verzweifelt versucht sich in dieser Welt Halt zu geben, sind fehleranfällig und nicht selten eitel. Über all das kann man nachdenken, man kann es kritisieren oder feiern, auseinandernehmen und völlig neu zusammensetzen, um zu sehen was passiert, wenn man damit spielt.
Kunst gehört erst mal nicht der Gesellschaft. Oder einem Zweck. Oder den Kritikern. Oder dem Publikum. Es ist eine intime Angelegenheit, bei der ich meinen Fantasien, Verstörungen und Obsessionen, durch meinen Filter hindurch ästhetisch Ausdruck verleihe. Und das im besten Fall unterhaltsam und handwerklich versiert. Wer mag, darf sich das anschauen. Wer Eintritt zahlt bekommt ein Bussi. Und wer sich aufregt bekommt wahrscheinlich Hämorrhoiden.

Comic-Couch:
Fliegen dir die Ideen für deine Cartoons einfach zu? Läufst du mit besonders wachsamen Augen, stets auf der Suche nach verarbeitbarem Material, durch die Welt?

Oliver Ottitsch:
Ja und Nein. Das wechselt sich ab. Ab und zu arbeitet das Hirn wie von selbst und scannt die Umwelt nach verwertbaren Mustern für Cartoonideen. Wenn es manchmal für einen Auftrag eine thematische Vorgabe gibt, wird auch recherchiert und es werden so lange weiße Blätter mit Assoziationen und Skizzen gefüllt bis was Brauchbares herausspringt. Das kann dann auch mal dauern.

Comic-Couch:
Herzlichen Dank für das Interview, lieber Oliver! Behalte bitte diesen herrlich morbiden Humor, bleib gesund und vor allem… am Leben.

Oliver Ottitsch:
Das lässt sich wohl nur temporär bewerkstelligen. Herzlichen Dank für die freundlichen Worte und das Interesse an meiner Arbeit.

Das Interview führte Marcel Scharrenbroich im Februar 2022.
Foto: © Oliver Ottitsch
Zeichnungen: © Oliver Ottitsch

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