Flash Gordon

Film-Kritik von Marcel Scharrenbroich (08.2020) / Titelbild: © STUDIOCANAL

Star Trash

„Klytus, ich langweile mich…“

Wenn’s dem Herrscher etwas öde ist, klimpert er einfach ein wenig auf den Tasten rum. Heraus kommt aber leider keine feine Melodei, sondern das pure Chaos. Der finstere Imperator Ming (Max von Sydow) vom fernen Planeten Mongo (ja… ich weiß) liebt nichts mehr, als fremde Welten und deren Bewohner zu unterjochen. Als es mal wieder an der Zeit ist, das expandierende Königreich unter die Lupe zu nehmen und Ausschau nach neuen, zu erobernden Brocken in den Weiten des Alls zu halten, fällt unsere Erde in dessen Interesse. Um festzustellen, ob es sich bei der Bevölkerung um eine potentielle Bedrohung handelt, findet Ming durch einen diabolischen Test heraus: Auf Knopfdruck lässt er die verschiedensten Katastrophen über unseren Planeten hereinbrechen. Glühender Hagel, Vulkanausbrüche, Erdbeben, Coro… nein, das nicht… aber Hurricanes, Taifune und andere Wirbelstürme, Meteoriten-Schauer und Sturmfluten rütteln uns ordentlich durch. Das besonders perfide daran: Halten die Planeten-Bewohner diese Katastrophen für Naturphänomene, verschont Ming sie, da er sie für ungefährlich hält. Wird der nahende Weltuntergang jedoch als Angriff gewertet, sieht der Imperator sich gezwungen, die Gefahr ein für allemal zu neutralisieren… Ende. Aus. BUMM!

„Wie ist der Winkel-Vektor des Mondes?“

Der Mond ist aus seiner Umlaufbahn geraten und die Sonne hat sich verfinstert Die Experten der NASA sind ratlos… doch Einer hat es immer gewusst: Hans Zarkov, Wissenschaftler. Von seinen ehemaligen Kollegen seit Jahren belächelt, weil er einen Angriff auf die Erde prophezeite, forscht Zarkov (Topol) seitdem auf eigene Faust. Zusammen mit seinem Assistenten Munson (William Hootkins) hat er sich irgendwo in der abgelegenen Pampa ein kleines Labor aufgebaut, von wo aus er seine kruden Theorien zurechtbastelt und ins Blaue experimentiert. Als aber eines Tages dampfende Brocken von Mondgestein durch die Decke des Labors krachen, straft er seine Zweifler Lügen. Seine Berechnungen stimmen, alles ist wahr… und Zarkov und Munson sind mittendrin. Naja, Munson nicht allzu lange, denn trotz vorgehaltenem Ballermann ergreift das Helferlein lieber die Flucht. Der Doktor hat nämlich vorgebaut… und zwar im wahrsten Sinne. Er hat eine kleine Rakete konstruiert, mit der er ins All fliegen will, um die Menschheit zu retten. Dumm nur, dass sich dieses selbstgeklöppelte Vehikel nicht alleine steuern lässt…

„Ich setz den Vogel runter…“

Einer aus der Kategorie Berühmte letzte Worte. In diesem Fall von einem Piloten an seinen Co-Piloten gerichtet. Die beiden fliegen mit ihrer kleinen Propeller-Maschine direkt in die feuerrote Wand, die den zuvor noch klaren Luftraum verdunkelt. Und urplötzlich sind sie verschwunden. Das Cockpit ist leer. Die Maschine führungslos. Dumm nur, dass sich im hinteren Teil noch zwei Passagiere befinden. Die mächtig durchgerüttelte Reiseleiterin Dale Arden (Melody Anderson), der die ordentlichen Turbulenzen sowieso schon arg zugesetzt haben, und Flash Gordon, Star-Quarterback des Football-Teams New York Jets. Wie es sich für ein frisch blondiertes und geföhntes Paradebeispiel der männlichen Spezies gehört, denkt Flash natürlich auch, dass er ein Flugzeug landen kann. Kann er auch… zumindest irgendwie. Er bringt die Mühle tatsächlich in einem Stück runter und crasht zufällig mitten in Dr. Zarkovs abgelegenes Labor. Sollte vielleicht mal Lotto spielen, der gute Herr Gordon… Jedenfalls steigen er und Dale (noch durchgeschüttelter als vorher) mit heiler Haut aus dem Wrack. Nur, um gleich in den nächsten Flieger einzusteigen. Für lange Erklärungen bleibt nämlich keine Zeit und da Zarkov die Blei-Plempe eh noch gezückt hat, „überredet“ er das zukünftige Liebespaar (ehrlich, dafür braucht es keinen Hellseher), dass sie mit ihm in die mit Spucke und Fleiß zusammengetrommelte Rakete à la Zarkov einsteigen. Und in Handumdrehen haben die drei die Erde verlassen…

Mongo, Ming und Mimimi…

Ihr Irrflug endet auf einem fremden Planeten, wo sie direkt vor den Mauern einer gigantischen Stadt landen. Semi-freundlich empfangen, werden Flash, Dale und Zarkov in den Palast des Herrschers geführt. Da Flash nicht ganz einverstanden ist, was Imperator Ming da mit der Erde veranstaltet, zeigt er dem Personal erstmal, was ein Quarterback so draufhat. Im Endeffekt hat ihm dieses Unterfangen allerdings recht wenig gebracht… nur die Todesstrafe, was Dale mit einem der unzähligen „Oh Flash…“ hinnimmt. Während Flash also hingerichtet wird und man Dr. Zarkov das Hirn auf Links dreht, hat Ming Gefallen an der schönen Dale Arden gefunden, die noch immer in ihre Kissen weint. Sie soll seine Frau werden und zur Feier des Tages pustet er dann die Erde aus dem All. Na Prost Mahlzeit… Mings Tochter, die betörende Prinzessin Aura (Ornella Muti), kocht aber ihr eigenes Süppchen und hat einen Arzt bezirzt, damit dieser Flash ein Serum injiziert, dass ihn immun für das tödliche Gas macht. Nun ist erstmal Flucht angesagt… aber Flash muss zurückkehren, um seine geliebte Dale und die ganze Menschheit zu retten. Oh Flash…

Zwei Mingssionare, Ming Mong, Der Werwolf von Tarker Mings & Arming der Finsternis

Sagen wir es, wie es ist: „Flash Gordon“ ist Trash pur. Aber dass er zu dem Popkultur-Phänomen wurde, das er heute ist und für das der Begriff cheesy (=kitschig… oder käsig, je nach Appetit) quasi erfunden wurde, war ein langer, nicht unbedingt geplanter Weg:

Produziert vom filmischen Schwergewicht Dino De Laurentiis, der im Laufe seiner langen Karriere nicht nur bedeutende Produktionen wie „Krieg und Frieden“ (1956), „Die Bibel“ (1966), „Serpico“ (1973) oder „Die drei Tage des Condor“ (1975) und David Lynchs „Blue Velvet“ (1986) aus der Taufe hob, sondern auch eine große Bandbreite zwischen Trash, Humor und Horror abdeckte. So gehören „Barbarella“ (1968), „Ein Mann sieht rot“ (1974), der Spencer/Hill-Klopper „Zwei Missionare“ (1974), „King Kong“ (1976), „Conan der Barbar“ (1982) und „Dune - Der Wüstenplanet“ (1984) ebenso zu seinem Produzenten-Œuvre, wie die die Stephen King-Adaptionen „Dead Zone - Das Attentat“ (1983), „Der Feuerteufel“ (1984), „Katzenauge“ (1985), „Der Werwolf von Tarker Mills“ (1985), „Rhea M - Es begann ohne Warnung“ (1986) und „Manchmal kommen sie wieder“ (1991). Nicht zu vergessen natürlich die kultige One-Man-Show „Armee der Finsternis“ (1992) aus Sam Raimis „Tanz der Teufel“-Trilogie. Da George Lucas mit seinem „Krieg der Sterne“ Ende der 70er unerwartet mit Volldampf durch die Decke ging und der Regie-Newcomer ursprünglich die Rechte an der Figur Flash Gordon haben wollte, sie sich aber nicht leisten konnte, woraufhin er sein eigenes, (wie wir heute wissen) milliardenschweres Universum ausdachte (beziehungsweise sich durch mehrere Quellen dazu inspirieren ließ), rief Dino De Laurentiis zum Angriff um den Science-Fiction-Thron, da die Rechte für den Comic-Helden sich in seinem Besitz befanden.

Dabei ist die Produktionsgeschichte fast ein größeres Abenteuer als der Film selbst: Ursprünglich wollte De Laurentiis den italienischen Filmemacher Federico Fellini (1920 – 1993; „Die Müßiggänger“ (1953), „La Strada“ (1954)) für sein Wunschprojekt gewinnen. Dieser war anfänglich auch begeistert und sagte zu… nur um dann ebenso schnell wieder abzuspringen. So wanderte das Projekt nach Großbritannien, wo Drehbuchautor Michael Allin, der 1973 schon „Der Mann mit der Todeskralle“ (OT: „Enter the Dragon“) mit Bruce Lee und dem kürzlich verstorbenen John Saxon schrieb, mit dem erfolgreichen britischen Regisseur Nicolas Roeg (1928 – 2018; „Wenn die Gondeln Trauer tragen“ (1973), „Der Mann, der vom Himmel fiel“ (1976)) zusammentraf. Roeg, der mit Allin die Story entwerfen sollte, hatte epische Visionen von dem, was letztendlich entstehen könnte. Eine düstere, dystopische Welt, die Erzählungen aus der Bibel glich. Da war er aber weit davon entfernt, was De Laurentiis sich vorstellte, der das Budget möglichst kleinhalten wollte und Roegs Ideen verwarf. Dino wollte es lustig… und Dino bekam lustig.

Roeg war raus. Michael Allin war noch drin. Man engagierte Mike Hodges als neuen Regisseur, der bereits 1971 den einzig erwähnenswerten „Jack rechnet ab“ (OT: „Get Carter“) mit Michael Caine und Britt Ekland gedreht hatte. Große Würfe gab es weder vor noch nach „Flash Gordon“. Dino De Laurentiis drückte Allin dann den amerikanischen Drehbuchautor Lorenzo Semple, Jr. (1923 – 2014) aufs Auge, der durch die alte „Batman“-Serie der 60er bereits Comic-Erfahrung mitbrachte. Und genau SO sah „Flash Gordon“ dann am Ende dann auch aus, was Michael Allin bis heute nicht überwunden hat. Ähnlich wie bei Alejandro Jodorowskys nie entstandener Verfilmung von Frank Herberts Bestseller „Dune“ mag man sich anhand von Konzeptzeichnungen von Ferdinando Scarfiotti oder Nicolas Roeg nur im Ansatz vorstellen, was aus „Flash Gordon“ hätte werden können…

Stripped!

Erdacht wurde „Flash Gordon“ vom amerikanischen Comic-Zeichner Alex Raymond (1909 – 1956), der für King Features Syndicate als Konkurrenz für „Buck Rogers in the 25th Century“ ins Rennen gehen sollte. 1934 debütierte Flash in seinem ersten Comic-Strip, der in allen Print-Medien veröffentlicht wurden, die das Syndicate belieferte. „Flash Gordon“ erschien wöchentlich in den Sonntagsseiten der Zeitungen und begeisterte auf Anhieb. Vor allem durch die detaillierten Zeichnungen, die Raymond sehr zeitintensiv gestaltete. Ab 1935 stieß Autor Don Moore hinzu, während Alex Raymond sich auf die Illustrationen konzentrierte. 1944 wurde er von seinem vorherigen Assistenten Austin Briggs abgelöst. Im Laufe der Jahre folgten mit Emmanuel „Mac“ Raboy, Daniel Barry und Alfonso „Al“ Williamson weitere Zeichner. Die wohl beste deutschsprachige Ausgabe der Sonntagsseiten ist im Hannibal Kult Verlag erschienen. Bisher liegen zwei wuchtige Bände in bibliophiler Aufmachung und komplett restauriertem Inhalt vor.

Touchdown*… mit schmerzhaftem Clipping**

Zum 40. Jubiläum des fragwürdigen Sci-Fi-Märchens hat STUDIOCANAL dem Film eine Rundum-Erneuerung verpasst. Neben der DVD, die ebenfalls über ein remastertes Bild verfügt, gibt es für Sammler gleich die doppelte Ladung. Zum einen ein toll designtes Steelbook, welches neben der Blu-ray und einer Bonusdisc den Hauptfilm auch in 4K enthält. Und die UHD-Qualität kann sich wahrlich sehenlassen. Die poppigen Farben sind satt und kräftig, da gibt es absolut nichts zu meckern. Das scharfe Bild sorgt höchstens dafür, dass die Kostüme nun noch mehr nach Fasching aussehen als sie es ohnehin schon taten. Das tut dem trashigen Spektakel aber keinen Abbruch. Highlight in dieser Edition ist das Bonusmaterial. Hier gibt es bereits einiges zu entdecken, was nur noch durch die „Limited Collector’s Edition“ getoppt wird.

In beiden Editionen ist die brandneue Dokumentation „Lost in Space: Nic Roeg’s Flash Gordon“ enthalten. Hinzu kommen zwei Audiokommentare (mit Mike Hodges & Prinz Vultan-Darsteller Brian Blessed), Interviews mit Regisseur, Comic-Genie Alex Ross, Drehbuchautor Lorenzo Semple, Jr. und Poster-Artist Renato Casaro, Anekdoten mit Brian Blessed, Träumereien mit Melody Anderson, Featurettes über die schauspielerischen Anfängevon Sam J. Jones, Merchandise, Greenroom & Reunion zum 35jährigen Jubiläum, Gespräche mit Brian May & Howard Blake (QUEEN) zum Soundtrack, mit Bob Lindenmayer über Deleted Scenes und das alternative Ende, Behind the Scenes-Material, Foto- und Storyboard-Galerien, Trailer, Easter Eggs und eine Episode der „Flash Gordon“-Zeichentrickserie.

Das 4-Disc-Digipak der „Limited Collector’s Edition“ verfügt zusätzlich über die spielfilmlange Dokumentation „Life After Flash“, einem Booklet, Poster, Artcards, „Flash“-Aufnähern und dem krachenden Soundtrack von QUEEN auf CD.

Jetzt kommt das kleine ABER: Ausstattungstechnisch gewinnt die „Limited Collector’s Edition“, da die exklusive (und sehr sehenswerte!) Doku wohl für viele Fans das interessanteste an dieser Edition ist. Selbst, wenn man auf die beigelegten Gimmicks verzichten kann. Warum aber nur die Blu-ray-Fassung des Filmes enthalten ist und die 4K-UHD dem inhaltlich schlichter ausgestatteten Steelbook vorbehalten wird, kann wohl nur STUDIOCANAL selbst beantworten. Hardcore-Sammler, von denen es bei diesem Trash-Klassiker bestimmt nicht wenige gibt, müssten also in den sauren Apfel beißen und doppelt ins Portemonnaie greifen… aber vielleicht war das ja gerade die Intention dahinter. Sehr schade und nicht wirklich fan- und kundenfreundlich.

Fazit:

Fassen wir kurz zusammen: „Flash Gordon“ ist quietschbunt, poppig-überdreht, versprüht Karnevals-Flair mit fragwürdigen Spezialeffekten, ist mehr Comic als der Comic selbst, nimmt sich viel zu ernst und hat einen grandiosen Soundtrack von einer der besten britischen Rockbands, die die Musikgeschichte hervorgebracht hat. Braucht es mehr, um nach 40 Jahren als Kult gefeiert zu werden? Prinz Vultan sagt „Nein!“

* 6 Punkte-Spielzug beim American Football, wenn der Ball in der Endzone platziert wird.
** illegaler Block unter der Gürtellinie. Wird mit 15 Yards Raumstrafe geahndet.

Wertung: 7

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Fotos: © STUDIOCANAL

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