Shooting Ramirez - 1. Akt

Shooting Ramirez - 1. Akt
Shooting Ramirez - 1. Akt
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Marcel Scharrenbroich
10101

Comic-Couch Rezension vonJul 2019

Story

Historia perfecta!

Zeichnung

Fotos perfectas!

„Estoy chingado!“ *

„Tu cara me suena.“ **

Er erledigt zuverlässig seinen Job. Er ist ein Vorbild für die gesamte Branche. Er stellt keine Fragen… was natürlich auch daran liegen kann, dass er stumm ist. Aber selbst wenn er reden könnte, wären Geheimnisse bei ihm sicher. Er ist fokussiert. Hat die Lässigkeit mit Schaufeln gefressen. Er ist Jack Ramirez… Staubsauger-Reparateur.

Tja, da hättet ihr jetzt was anderes erwartet, oder? Agent, Spion… oder Auftragskiller, nicht wahr? Nun, für Letzteren wird die lockenköpfige Dosis Valium, die die defekten Geräte der Firma ROBOTOP mit stoischer Ruhe du flinken Fingern im Handumdrehen wieder zum Saugen bringt, auch gehalten. Zwei zwielichtige Gesellen, die eigentlich nur nach Arizona gefahren sind, um einen defekten Mixer direkt vor Ort zu reklamieren (Ganoven geht es natürlich grundsätzlich ums Prinzip… was wären es sonst für Ganoven, gelle?), stoßen an der Reparatur-Annahme eher zufällig auf unseren schweigsamen Jack und können ihren Augen kaum trauen. Der schlaksige Typ hinterm Tresen scheint wirklich der Kerl zu sein, der einst ihren Boss übers Ohr gehauen hat und in der Unterwelt seinem eiskalten und skrupellosen Ruf vorauseilt. Selbst das markante, großflächige Muttermal, das seine zerknautschte Visage ziert, ist identisch. Und das Namenschild mit der Aufschrift „Ramirez“ sollte auch die letzten Zweifel beseitigen, dass man hier einen waschechten Zufallstreffer gelandet hat. Schnell kontaktiert der Senior-Gangster seinen Sohn Ramon, rechte Hand vom Boss Hector Rodriguez, der in seiner prunkvollen Villa in Mexico nur darauf wartet, den verhassten Ramirez in die Finger zu kriegen.

In Falcon City, Arizona, ahnt der tiefenentspannte Jack noch nicht, welche Kreise das unscheinbare Zusammentreffen mit den beiden Handlangern zieht und hat derweil ganz andere Probleme. Sein Vorgesetzter bei ROBOTOP, ein alter, cholerischer Stinkstiefel, geht auf dem Zahnfleisch, weil die Präsentation des neuen Firmen-Highlights in den Startlöchern steht und so ziemlich nichts nach Plan verläuft. Der „Vacuumizer 2000“ soll das Saug-Business revolutionieren und das bisherige Top-Modell ablösen. Dumm nur, dass das Ding nicht rundläuft und ROBOTOPs bestes Pferd im Stall sein handwerkliches Geschick einsetzen muss, um einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten.

Ganz zufällig trifft Jack Ramirez noch auf eine rothaarige Schönheit, die ihn an eine Frau aus seiner Vergangenheit erinnert. An einen Geist aus dem Jenseits. Tatsächlich handelt es sich bei der reizenden Dame aber um die Schauspielerin Chelseas Tyler, die sich mit ihrer Freundin und Kollegin Dakota Smith auf der Flucht befindet, nachdem es am Set zu ihrem neuen Film „Sunset Killer“ zu einem handfesten Skandal kam. Seitdem sind die beiden Ladys auf Diebestour durchs Land und sollen für mehrere Todesfälle verantwortlich sein.

Mittlerweile hat sich auch Ramon auf den Weg nach Falcon City gemacht, der noch eine Rechnung mit Ramirez offen hat. Die Lage spitzt sich zu und bald KNALLT es (wortwörtlich!) an allen Ecken und Enden. Die flüchtige Begegnung mit Chelsea sollte nicht Jacks letzte sein und es folgen weitere, ungeahnte Aufeinandertreffen, die Zweifel aufwerfen, ob der unscheinbare, stets hilfsbereite ROBOTOP-Mitarbeiter-des-Jahres tatsächlich ein skrupelloser Killer ist. Oder… ist er es vielleicht doch?

Un tipo suave! ***

Ayayay, wo kommt denn dieser ultra-lässige Pendejo so plötzlich her??? Die großartigen Zeichnungen von Nicolas Petrimaux sind mir schon bei der ersten Ankündigung von „Shooting Ramirez“ sofort ins Auge gesprungen. Stylish wie Sau und perfekt umgesetzt. Dass die Story dann auch noch so reinhaut, ist fast wie ein „El Gordo“ in der spanischen Weihnachtslotterie (Lotterie mit der weltweit höchsten Gewinnausschüttung; „El Gordo“ = „ der Dicke“/“der Hauptgewinn“)!

Angesiedelt in den 80er-Jahren - womit man momentan ja generell nichts falsch macht - mischen sich hier aberwitzige Irrungen und Wirrungen, wie sie ein Quentin Tarantino nicht besser zu Papier hätte bringen können, mit einer Walter White’schen Gangster-Ballade à la „Breaking Bad“. Verschachtelt, aber stets übersichtlich erzählt, lernen wir die Charaktere in Rückblicken besser kennen und es formt sich langsam aber sicher ein Gesamtbild. Petrimaux lässt uns lange darüber im Dunkeln tappen, was wirklich hinter der Fassade von Lockenköpfchen Ramirez steckt. Ist der Kerl mit der schnittigen Rotzbremse, der nachts im Schlafanzug und mit Kuscheltier im Arm an die Tür schlurft, nachdem die Cops ihn aus dem Bett geklingelt haben, wirklich der abgebrühte Killer, für den ihn Gott und die Welt halten? Auch Jacks Kollegen sind nur voll des Lobes und… mal ehrlich, wenn man einem ROBOTOP-Mitarbeiter nicht mehr glauben kann, WEM zur Hölle dann???

Außerdem schafft Nicolas Petrimaux es auf seltsame Art und Weise, dass man als Leser sogar bei der Nebenhandlung mitfiebert… die sich immerhin um die Markteinführung eines beschissenen Staubsaugers dreht! Und komischerweise scheint der neue Apparillo DAS GROSSE DING zu sein, wenn man danach geht, wie die Bevölkerung dem Verkaufsstart des E-Besens entgegenfiebert. Scheiße… ich war nach dem Lesen von „Shooting Ramirez“ so geil drauf, dass ich meine ganze, verdammte Bude gesaugt hab… inklusive Wände und Decken! Dann bin ich rüber zu den Nachbarn und hab dort erstmal die Möbel geradegerückt. Fanden die nicht gut, aber ich war im Flow… und jetzt will ich einen scheiß „Vacuumizer 2000“, aber rápidamente!!!

Wie schon gesagt, haben die Zeichnungen mich regelrecht aus der Kurve geschossen. Schwungvoll und stilsicher sitzt jeder Strich und jedes Panel erstrahlt in der brütenden Hitze von Arizona. Kantige Benzinschleudern und übergroße, verspiegelte Sonnenbrillen lassen die 80’s auf jeder der 144 Seiten wieder aufleben und -blühen. Und im Gegensatz zu vielen US-Comics gilt hier „what you see, is what you get“, denn der Stil des grandiosen Cover-Motivs, welches an die großen Actionfilme vergangener Tage erinnert, zieht sich durch das komplette Buch. Immer wieder wird die Handlung durch fiktive Werbeannoncen unterbrochen oder wir bekommen eine Seite der aktuellen Tageszeitung präsentiert. Passt hervorragend, denn direkt nach dem Aufklappen (und vor dem Zuklappen) bekommen wir die Betriebsanleitung zum „Vacuumizer 2000“, damit wir das schöne Stück auch fachmännisch korrekt zusammenklöppeln. YIPPIIIIIEEE!!!

Nos vemos al ratito… ****

Der „1. Akt“ der stylishen und bleihaltigen Gangster-Ballade ist schlichtweg brillant! Der Verlag Schreiber & Leser hat mit „Shooting Ramirez“ wirklich ein ganz heißes Eisen im Feuer, das dermaßen cool daherkommt, dass es in der köchelnden Sommersonne von Falcon City eigentlich Schneeflöckchen rieseln müsste. Hardcover und Papier sind hochwertig und die Größe (31 x 21 cm) ist perfekt, um die Bilder richtig wirken zu lassen. Als Bonus gibt es noch Infos über Nicolas Petrimaux, mit einem großformatigen Blick über einen Schreibtisch, der nur den 80ern entsprungen sein kann. Dort finden sich haufenweise Nostalgie-Goodies, bei denen es einem warm ums alte Herz wird. Wem das noch nicht reicht, der kann noch das brüllend-komische ROBOTOP-Kundendienst-Formular ausfüllen.

Wenn einem am Ende der Story ein doppelseitiges Retro-Plakat mit der Unterschrift „Fortsetzung folgt…“ ins glasige Auge kickt, ist es einer der seltenen Fälle, dass man den Macher nicht für einen fiesen Cliffhanger ohne Umwege in die Hölle wünscht, denn diese beiden Worte hinterlassen ein breites Grinsen, das um den ganzen Schädel gehen würde, wenn die Ohren nicht im Weg wären, da man weiß, dass es weitergeht… und *gottverdammtnochmal* JA, davon will man wirklich mehr!

Fazito:

„Breaking Bad“ meets Tarantino, im mehr als positiven Sinn. Freunde der 80er, Fans vom Action-Kino aus eben jenem Jahrzehnt und jeder, der tolle, bis ins kleinste Detail erstklassig gezeichnete Bilder mag, kommt an diesem Kracher nicht vorbei. Termin für Dauerwelle steht und der Schnurres ist auch im Wachstum. Ha sido un éxito absoluto! (DAS könnt ihr jetzt selber übersetzen.)

 

* „Ich bin am Arsch!“
** „Dein Gesicht kommt mir bekannt vor.“
*** Ein entspannter Typ!
**** Wir sehen uns demnächst…

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