Overlord 1

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Frank Oertel
10101

Comic-Couch Rezension vonFeb 2018

Story

Hervorragend ausgearbeitete Story die durch die stimmigen Charaktere und die Interessante Welt nur noch einladender wird. Ehrlich, ich konnte den ersten Band problemlos mehrmals lesen, ohne dabei das Interesse zu verlieren.

Zeichnung

Sinnvolle Positionierung der Panels, gezielte Hervorhebung wichtigster Merkmale von Charakteren oder der Umgebung, saubere Arbeit bei den Linien, kontrastreiche Abstufungen vom Hintergrund zum Vordergrund, souveräne Darstellung aus unterschiedlichsten Perspektiven. Ich empfinde es als einwandfrei!

Überraschend unverbraucht

Es mag eigenartig klingen, aber Mangas des Typs „Mein neues Leben als übermächtiger Cheat-Charakter in einer neuen alternativen Welt“ überschwemmen zurzeit etwas den Markt. Leider wird meist nur auf ein fulminantes Intro geachtet und ohne weiterführendes Charakter-&-Story-Konzept werden die meisten Vertreter dieser Gattung recht schnell zu herben Enttäuschungen, aus denen „so viel hätte werden können“. Anders Overlord. Zumindest der erste Sammelband des Mangas zeigt Konzept und unglaublich viel Raum für Entwicklung und das, obwohl es sich beim Hauptcharakter um einen der oben genannten „Cheat-Charaktere in einer neuen Welt“ handelt.

Momonga. So lautet der Name des Protagonisten. Nun, eigentlich ist es der Name seines Untoten Charakters im Onlinegame Yggdrasil. Wir schreiben das Jahr 2126, das besagte Onlinegame hat inzwischen 12 Jahre auf dem Buckel und steht kurz vor der finalen Abschaltung der Server. Der selbst namenlose Protagonist will die letzten Minuten In-Game verbringen und sich von seinen Gildenkollegen und der Welt Yggdrasil verabschieden. Die Ära von Ainz Ooal Gown, einer der größten und berühmtesten Gilden, steht nun vor ihrem Ende. Kurz vor der Abschaltung und nachdem sich auch der letzte Gildenkollege ausgeloggt hat, versammelt der Protagonist noch einmal ein paar seiner untergebenen NPC im Thronsaal. Der Countdown läuft auf sein Ultimo zu, wonach seine Untertanen plötzlich mit ihm zu sprechen anfangen.

Reincarnation – Die Wunderwaffe

Mangas des genannten Typs können und werden allgemeinhin dem Reincarnation-Setting zugeordnet. Grob betrachtet könnte man dieses als Stilmittelhöhepunkt unserer Zeit sehen, was leider schon ins Obszöne abdriftet. Warum? Ob Manga, Anime, RPG oder Buch – es gibt immer mehr Menschen, die sich einen Tapeten- & Szeneriewechsel oder sogar ein anderes Leben wünschen. Aus der eigenen Haut in eine andere zu wechseln, wird schwer, aber viele lassen ihren Gedanken diesbezüglich gern mal freien Lauf und suchen nach fantastischen Geschichten, die sich hierfür als Katalysator eignen. Es ist also weniger verwunderlich, dass viele der oben erwähnten Medien danach bewertet werden, wie gut sie es schaffen, eine solche Immersion zu ermöglichen.

An dieser Stelle möchte ich behaupten, dass Geschichten mit unverbrauchten und jungen Protagonisten, die durch externe Einflüsse grade ein neues Leben aufgedrückt bekommen haben, einer erfolgreichen Realitätsflucht eher weniger im Weg stehen. Geschichten mit älteren, „verbrauchten“ Protagonisten hingegen müssen hier oft tief in die Trickkiste greifen und stehen nicht selten vor unlösbaren Problemen. Bis jetzt …
Eine weitere Behauptung: Der Protagonist kann noch so vorbelastet, alt oder verlebt sein, entlässt man ihn im neuen Gewand in eine mehr oder weniger unbekannte Welt und spendiert ihm dazu noch den ein oder anderen Vorteil, sind die unlösbaren Probleme schnell Schnee von gestern. Der Leser steht wieder zusammen mit ihm auf der ersten Stufe einer Treppe und kann sich darüber freuen, dass dessen bereits gesammeltes Wissen den Aufstieg angenehm erleichtert. Die Trickkiste hat ein neues Werkzeug.

Warum also so etwas Praktisches als obszön bezeichnen? Man könnte behaupten, die zuvor erwähnten unlösbaren Probleme sind durch einen Bruch entstanden. Eine Geschichte rund um einen Protagonisten, der schon so einiges erlebt hat, lädt eher zum Teilnehmen und Beobachten ein und weniger zum selbst Erleben. Natürlich gibt es Hilfsmittel, aber eine letzte Grenze bleibt. Diese Grenze einzureißen bedeutet, nicht mehr loslassen zu müssen, aber ob das gut oder schlecht ist, möchte ich hier jedoch nicht bewerten. Sollte dieses Setting mehr und mehr Verwendung finden (was sich nicht nur in Mangas bereits abzeichnet), könnte das für interessante Entwicklungen sorgen.

Seinen-Prunkstück: glaubhafte Charaktere und eine Welt mit viel Potenzial

Vom Genre her ordnet sich Overlord sauber in die Seinen-Gemeinschaft ein. Anders als im Shonen wird mehr darauf geachtet, ein älteres/alterndes Publikum anzusprechen. Die Konsequenzen einer Entscheidung bekommen weit mehr Raum, Charaktere nebst dem Protagonisten verfolgen mitunter eigene Ziele und dienen weniger nur der reinen Gestaltung des Szenarios. Auf den ersten Blick ist es überraschend, wie gut sich dieser Manga darauf versteht, seinen Inhalt glaubhaft und nachvollziehbar zu vermitteln. Auf den zweiten Blick handelt es sich beim Manga um die Adaption der 2012 erschienenen, bisher fortgesetzten und gleichnamigen Light-Novel-Reihe vom Autor Kugane Maruyama. Der Manga darf sich somit an bereits bestehenden Charakteren und Locations bedienen, was auf keinen Fall bedeuten sollte, dass die Adaption einfach gewesen sein muss. Bedenkt man den Erfolg der Light-Novel-Reihe in Japan, so dürfte der Druck auf den Schultern von Manga-Autor Satoshi Ōshio und Zeichner Hugin Miyama enorm gewesen sein. Umso besser, dass die Adaption sehr erfolgreich verlief.

Allein im ersten Band wird ein ganzes Füllhorn an Charakteren vorgestellt, ohne dass der Leser dabei überfrachtet wird. Panels wurden sinnvoll angeordnet und genutzt. Bei der Vorstellung neuer Persönlichkeiten werden gezielt charakteristische Merkmale selbiger betont, was den Wiedererkennungswert stark anhebt. Ich rede hier von Persönlichkeiten, weil die Charaktere nicht einfach in den Ring geworfen werden, sondern sehr darauf geachtet wurde, nicht zu viel aber auch nicht zu wenig zu verraten. Nahezu jeder vorgestellte Charakter könnte später problemlos storyrelevant eingesetzt werden. Natürlich zeigen sich auch bei Overlord typische Stereotypen, deren Darstellung wird jedoch nicht überreizt, was das Charakterdesign eher abrundet und nicht ins Absurde abdriften lässt. Gelegentliche Verniedlichung der Personen nimmt der Geschichte gezielt etwas Bedrohlichkeit, ohne sie diese dabei zu zerstören.

Die Welt von Overlord biete dem Leser ebenfalls einiges zum Kennenlernen. Er steht hier auf der gleichen Position wie Protagonist und Gefolge – die einst bekannte Welt Yggdrasil hat sich nach erwähnter Serverabschaltung stark verändert und ist nicht mehr wiederzuerkennen. Es stellt sich zwar schnell heraus, dass Momonga im Vergleicht zu anderen Personen dieser Welt übermächtig zu sein scheint, aber das heißt nicht, dass das Unbekannte damit all seinen Schrecken verliert. Die sehr erhaben dargestellte Übermacht Momongas lässt selbigen jedoch nicht erblinden, sondern vielmehr zweifeln, was erfreulicherweise nicht gekünstelt, sondern erfrischend ehrlich rüberkommt. Es wird sehr darauf geachtet, das eigentliche Machtgefüge nicht einfach blind zu zerstören, sondern behutsam darauf geachtet, dass der Leser den Unterschied der demonstrierten Macht wirklich versteht.

Fazit

Der erste Band von Overlord legt ordentlich vor. Glaubhaft ausgearbeitete Charaktere denen viel Raum für Entwicklung plus dazugehörigem Potenzial mitgegeben wurde. Eine beschauliche und facettenreiche Welt, die ebenfalls einiges zu bieten hat.

Besonders beeindruckend ist, dass mit dem Protagonisten Momonga und seinem Stab an Untergeben eine schier übermächtige Fraktion in diese neue Welt geworfen wurde, ohne dabei gleich alles auf den Kopf zu stellen. Der eigentliche Kräfteunterschied wird zwar schnell deutlich, wirkt jedoch nie plump inszeniert.

Zum Thema Reincarnation habe ich zwar meine Bedenken, muss aber gestehen, dass ich selbiges selten so gut umgesetzt gesehen habe wie bei Overlord. Dennoch, jede Zeit hat ihre Literatur, jede Literatur ihre Zielgruppe. Die aktuelle Flut an Reincarnation-Mangas und deren Akzeptanz bei den Lesern sollte nicht einfach ignoriert werden. Stilmittel zur Vermittlung einer guten Geschichte ist eines – extrem zugängliche, industrialisierte Realitätsflucht eine andere. An anderer Stelle wäre es eventuell sinnvoll, nach Gründen zu suchen, warum inzwischen mehr und mehr Menschen von solchen Szenarios so fasziniert sind.

Zum ersten Band von Overlord kann ich nur sagen: Top! Ob das Level auch in nachfolgenden Bänden auf diesem Niveau bleibt; muss sich jedoch zeigen. Ein solch grandioser Start verspricht zumindest viel Gutes.

Overlord 1

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