Text:   Zeichner: Frauke Berger

Das Schiff der verlorenen Kinder - II. Kanonenfutter

Das Schiff der verlorenen Kinder - II. Kanonenfutter
Das Schiff der verlorenen Kinder - II. Kanonenfutter
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonJan 2023

Story

Kein inhaltlicher Quantensprung, sondern eher ein Verharren in der Situation. Koch baut die Spannung auf und bringt uns die Figuren näher.

Zeichnung

Durchaus experimentierfreudig. Frauke Berger hat ihren ganz eigenen Stil, der sich zwischen leichter Manga-Ästhetik und groteskem Horror von Genre-Kolleginnen und -Kollegen abhebt.

Auf Schleichfahrt

Es fährt ein Boot nach Nirgendwo…

Schiffe als Handlungsort kommen wohl nie ganz aus der Mode. „Titanic“ kommt zum Jubiläum erneut in die Kinos, das Remake von „Tod auf dem Nil“ schipperte auch erst kürzlich vorbei, „Das Boot“ ist in Serie auf Tauchfahrt und dem vielversprechenden Mystery-Export „1899“ zog man unverständlicherweise jüngst nach nur einer (offenen!!!) Staffel den Stöpsel. Dass „Das Schiff der verlorenen Kinder“ irgendwann mal unverhofft auf Grund läuft, braucht man nicht zu befürchten. Die Comic-Reihe von Boris Koch und Zeichnerin Frauke Berger ist immerhin auf vier Bände angelegt, und vom SPLITTER Verlag darf man ohne Sorge erwarten, dass die Geschichte auch zu Ende erzählt wird. Mit „Kanonenfutter“ liegt nun der von mir heiß erwartete zweite Teil vor.

Leo und sein kleiner Bruder Felix befanden sich gerade noch in ihrem Kinderzimmer, als nach einem kleinen Familienstreit das Unmögliche geschah. Unter lautem Getöse veränderte sich plötzlich das Umfeld, und ehe sich die Brüder versahen, befanden sie sich mitsamt ihrem Zimmer an einem fremden Ort. Besser gesagt auf einem gigantischen Ozeanriesen. Die „Seelenfänger“ wurde ursprünglich für die Rettung problembeladener Kinder gebaut, wurde aber unlängst zweckentfremdet. Unter der Kontrolle grotesker Monster schippert der unwirtliche Kahn jenseits unserer Wirklichkeit durch das ewig dunkle Nachtmeer. Unaufhaltsam auf ein Ziel zu, welches keiner der menschlichen Passagiere erreichen möchte…

Neben Leo und Felix befinden sich nämlich noch zahlreiche andere Kinder du Jugendliche auf der „Seelenfänger“. Die beiden machten gleich nach ihrer Ankunft Bekanntschaft mit den Mädchen Asra und Chrissy. Gemeinsam versuchen sie seitdem, den bedrohlichen Monstern, die durch die finsteren Gänge schlurfen, möglichst unentdeckt aus dem Weg zu gehen. Eine Begegnung mit einem waschechten Werwolf haben sie schon mal heil überstanden, doch das kann beim nächsten Ungetüm bereits anders werden. Sie sollten ihr Glück nicht herausfordern, doch um wieder in ihre gewohnte Welt zu wechseln, benötigen die Kinder die mysteriösen Weltenschlüssel. Sie sind also zum Handeln gezwungen. Versteckt bewegen sie sich durch die unzähligen Versorgungsrohre, die sich wie ein Labyrinth durch das Schiff erstrecken. Dabei stoßen sie aus sicherer Entfernung auf andere gefangene Kinder, die vom bizarr-monströsen Kapitän als lebende Zielscheiben missbraucht werden. Die Rettung ihrer Leidensgenossen hat nun für Leo, Felix, Asra und Chrissy allerhöchste Priorität!

Kurswechsel

Es muss gesagt werden, dass „Kanonenfutter“ die eigentliche Geschichte lediglich in Sichtweite nach vorne bewegt. Der Vorgänger hatte noch deutlich mehr zu erzählen, was den zweiten Band aber nicht viel schlechter oder gar weniger spannend erscheinen lässt. Hier wird mehr in die klaustrophobische Atmosphäre an Bord der „Seelenfänger“ investiert. Das Verhalten der Kinder untereinander wird vertieft und es wird Spannungsaufbau betrieben. Bereits zum ersten Band fielen mir unweigerlich Vergleiche zu größeren oder kleineren Horrorfilm-Perlen auf, was bei „Kanonenfutter“ nicht anders ist. Diesmal schossen mir gleich James Camerons „Aliens“ und der unterbewertete Sci-Fi-Horror „Virus“ aus dem Jahr 1999 in den Sinn. Letzterer spielte ebenfalls auf einem scheinbar verlassenen Schiff und wartete mit ziemlich grotesken Hybrid-Monstern auf. Der Film war eine Adaption des gleichnamigen DARK HORSE-Comics, dessen Publisher den Streifen auch produzierte. Eine deutsche Übersetzung des Vierteilers erschien 1999 als Paperback in Bela Bs (ja, genau DER Bela B) ehemaligem Comic-Verlag EEE – EXTREM ERFOLGREICH ENTERPRISES und sollte problemlos antiquarisch erhältlich sein, falls Interesse besteht. „Das Schiff der verlorenen Kinder“ treibt es im Vergleich mit „Virus“ zwar nicht derart auf die Horror-Spitze, fokussiert sich dafür aber mehr auf die intensive Atmosphäre. Da wir ausschließlich Kinder als Protagonisten haben und keine bis an die Zähne bewaffneten Erwachsenen mit Erfahrung am Schießprügel, überträgt sich die vermeintliche Hilflosigkeit – gepaart mit einem natürlichen Beschützerinstinkt – umso mehr auf die Leserschaft.

Frauke Berger steuert natürlich wieder die Zeichnungen bei und fährt erneut all ihre Kreativität auf, um die passende Stimmung zu erzeugen. Farblich angemessen trostlos, ist die beklemmend-rostige Umgebung fast greifbar. Neben interessanten Blickwinkeln und prall gefüllten Splash-Pages, bei denen man oft zweimal hingucken muss, um sie richtig zu deuten, geht Berger beim abgedrehten Creature-Design wieder in die Vollen.

Fazit:

Ein gelungenes Mystery-Abenteuer, das auf Grund seines Horror-Anteils nicht in die Hände der jüngsten Leserinnen und Leser gegeben werden sollte. Einige verstörende Monstrositäten könnten für schlaflose Nächte sorgen. Koch und Berger erweisen sich als Mystery-Dreamteam und sind für das Genre ein echter Glücksgriff.

Das Schiff der verlorenen Kinder - II. Kanonenfutter

Boris Koch, Frauke Berger, Splitter

Das Schiff der verlorenen Kinder - II. Kanonenfutter

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