Text:   Zeichner: Geoff Shaw

Crossover 2: Die Groschenheft-Plage

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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonMai 2023

Story

META wird hier großgeschrieben. Wer sich an dem Begriff schon die Zähne ausbeißt… es war schön, Euch gekannt zu haben.

Zeichnung

Geoff Shaw und seine Gastzeichner fahren ordentlich auf. Abwechslungsreich und voller Überraschungen! Als i-Tüpfelchen gibt es eine kleine (aber feine) Cover-Galerie.

Durchbrochene Wände

Multiverse war gestern…

…jetzt ist das Metaverse angesagt. Wenn Welten kollidieren, die Autoren sich mit ihren gezeichneten Alter Egos austauschen oder das Wort gleich an die Leserschaft richten, hat weder Doctor Strange die Tür zum Multiverse offengelassen, noch hat Deadpool seine Wände einreißenden Finger im Spiel. Donny Cates, gefeierter Vielschreiber im MARVEL-Kosmos und Schöpfer von „God Country“, „Babyteeth“, „Redneck“ oder jüngst „Vanish“, schreibt sich mit seiner Serie „Crossover“ äußerst kreativ durch die jüngere Comic-Geschichte und lässt es sich nicht nehmen, auf nicht minder kreative Weise die Realität mit der bunten Fiktion zu kreuzen. Ach was, „kreuzen“… er lässt diese beiden Welten mit Volldampf aufeinanderprallen, ohne Rücksicht auf Verluste.

Verluste

Genau, reden wir über „Verluste“. Comic-Fans müssen nämlich ganz stark sein, denn einige ihrer Lieblingsautoren haben das Zeitliche gesegnet… beziehungsweise sind sie im Begriff, dieses zu tun. Ein geheimnisvoller Killer hat es auf sie abgesehen. Chip Zdarsky, der diesen Künstlernamen nur für seine Tätigkeit im Comic-Business nutzt, bürgerlich allerdings Dave Murray heißt, sich aus Angst aktuell aber Steve Murray nennt (na, qualmt die Rübe schon?), hat nicht nur Comics wie „Howard the Duck“ reanimiert, „Daredevil“ revolutioniert oder „Batman“ seit US-Heft #125 federführend in Händen, sondern schuf auch die Serien „Sex Criminals“, „Stillwater“, „Newburn“ und „Public Domain“. Das alles ist aber nebensächlich und interessiert ihn im Moment nicht die Bohne, denn er hat ganz andere Probleme. Untergetaucht in Kanada, fürchtet er, dass eine seiner Schöpfungen ihm ans Leder will. Nicht irgendeine Schöpfung, denn er und sein „Sex Criminals“-Co-Autor Matt Fraction schrieben sich einst selbst in ihre Story. Der goldene Schmierfinken-Kniff, „voll meta“ zu werden. Dieser Stunt könnte nun nach hinten losgehen. Warum? Na weil die Comic-Welt sich mit unserer vermisch… habt Ihr denn den Text weiter oben nicht gelesen?

Hach… jedenfalls hat 2017 ein übernatürliches Phänomen, welches man allgemeinhin als „Crossover“-Event bezeichnet, dafür gesorgt, dass fiktive Figuren nicht länger fiktiv sind, sondern quicklebendig durch einen Riss im Was-weiß-ich-Kontinuum durch Colorado und Umgebung spazieren. Eine künstlich geschaffene Kuppel soll die Außenwelt vor den brachialen Fights zwischen Superhelden und -schurken schützen, was zumindest für einige Zeit gelang, Comics aber derart in Verruf brachte, dass das Medium mit Putin, Hitler und dem Gehörnten höchstpersönlich auf einer Stufe (der untersten) rangiert. Und immer wieder tauchen Schöpfungen auf, die noch nicht hinter äußerst realen schwedischen Gardinen sitzen und eine potentielle Gefahr darstellen. Der gute Chip denkt, dass seine Meta-Version ihm den Hahn zudrehen will, doch so offensichtlich endet die Jagd nach dem Autoren-Killer nicht. Während „Wytches“-Schreiber Scott Snyder der Nächste ist, der den Stift für immer weglegt und „Ultimate Spider-Man“-Mastermind Brian Michael Bendis sich einem knallharten Verhör der von ihm geschaffenen „Powers“-Ermittler Christian Walker und Deena Pilgrim stellen muss, erhoffen die Strippenzieher im strenggeheimen Powerhouse, dass sie nützliche Infos aus einem inhaftierten Wahnsinnigen bekommen, der bei seiner Ingewahrsamnahme ein mysteriöses Skript mit dem Titel „Crossover“ bei sich trug… Donny Cates.

CMYK

Was sich nun wie die grobe Zusammenfassung eines Typen liest, der scheinbar komplett den Verstand verloren hat und in seiner Freizeit gerne Klebstoff schnüffelt, entpuppt sich tatsächlich als komplexer Geniestreich. Das Wiedergegebene kratzt lediglich an der Oberfläche. Der zweite Sammelband aus dem Hause SPLITTER, in dem die Hefte #7 bis 13 untergebracht sind, ist wieder randvoll mit Easter Eggs, Gastauftritten und Meta-Ebenen. Um nicht komplett abzusaufen, solltet Ihr also schon etwas bewandert in der Welt der Comics sein. Besser gesagt, auf der Independent-Seite dieser Welt. Mit bekannten Figuren aus den MARVEL- oder DC-Comics sollte man (aus Lizenzgründen) zwar nicht rechnen, dafür geben sich zahlreiche andere Charaktere, die Geschaffenen und ihre Schöpfer, die Klinke in die Hand. So lesen sich auch die Credits wie das Who-is-Who des Comic-Business.

Für diesen Sammelbang hauten neben Donny Cates noch Chip Zdarsky, Brian Michael Bendis und Robert „The Walkind Dead“ Kirkman in die Tasten, während Geoff Shaw einige zeichnerische Parts an seinen Kollegen Phil Hester abtrat. Einige Seiten wurden zudem vom in Deutschland geborenen Klaus Janson („The Dark Knight Returns“) koloriert. Die Farbgebung insgesamt ist wieder auf höchstem Level. Poppig, abwechslungsreich und stets der Szenerie angepasst. Von giftgrün, über bedrohlich düster, bis hin zu knallig bunt, wie man es aus gängigen Superhelden-Comics kennt.

Fazit:

Oh Junge, was für ein Ritt… mir steigt noch immer lauwarmer Rauch aus den Ohren, während ich langsam versuche, in der Realität wieder Fuß zu fassen. Sollte der Paketbote mir heute die Sendung mit einem freundlich gegrunzten „Ich bin Groot“ an den Schädel werfen, würde ich vorsichtshalber noch mal Fieber messen. Wer im modernen Comic-Zeitalter, vornehmlich dem US-Stoff aus der IMAGE-Schmiede, einigermaßen bewandert ist, wird an „Crossover“ seine helle Freude haben. Gelegenheitsleser hingegen werden überfordert sein, weshalb ich in der Gesamtnote einen Zähler aus der Wertung kicke.

Crossover 2: Die Groschenheft-Plage

Donny Cates, Geoff Shaw, Splitter

Crossover 2: Die Groschenheft-Plage

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