Text:   Zeichner: Julien Motteler

7 Detektive - 5. Frederick Abstraight: Eine Katze im Sack

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Marcel Scharrenbroich
10101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2021

Story

Ein Toter im Zug… kennt man schon? Macht nix, denn hier stimmt das ganze Drumherum. Feiner Humor, tolles Setting und Charaktere mit Ecken und Kanten.

Zeichnung

Wunderbar atmosphärisch. Von Julien Motteler würde ich unglaublich gern mehr sehen!

Suff im Orient Express?

„Einen Absinth. In einem Pintglas. Mit vier Stück Zucker.“
-Frederick… >hicks< Abstraight

1919: Frederick Abstraight ist die fleischgewordene Schande der Londoner Polizei. Regelmäßig zugelötet bis über die Hutschnur, high oder vollgekotzt in einer Seitengasse liegend, wirft er kein gutes Licht auf seine ehemaligen Scotland Yard-Kollegen. Einst ging ihm der berüchtigte Ripper von Greenhill durch die Lappen, was ihn in eine tiefe Krise stürzte. Alle Hoffnung lag auf dem besten Ermittler der Stadt. Einem leuchtenden Vorbild. Heute ist davon nichts mehr übrig. Niemand erinnert sich mehr an Abstraights Glanztaten. Dafür findet die Presse ununterbrochen Gefallen an seinen Eskapaden und Exzessen. Als seine früheren Kollegen und Vorgesetzten ihn mal wieder völlig zugedröhnt aus einer Opium-Höhle schleifen, setzen sie ihm zeitgleich die Pistole auf die Brust. Der Kerl muss mal raus aus der Stadt… und raus aus der Presse. Da trifft es sich gut, dass der hoch angesehene Waffenfabrikant Felix Leonard Chester gerade ihn für einen Vermisstenfall angefordert hat. Obwohl Abstraight den Dienst selbst quittierte und eigentlich mit Scotland Yard nichts mehr zu tun haben wollte, bleibt ihm nun kaum eine andere Wahl, als zähneknirschend anzunehmen, denn seine Lieblings-Hotspots, in denen er sich sonst immer die Birne wegschießt, stehen ab sofort unter polizeilicher Beobachtung.

Nun ist er also wieder im Ring! Ob er noch mal zu Höchstform auflaufen kann? Sich mit dem neuen Fall eventuell sogar sein Ripper-Trauma überwinden lässt? Wer ist das vermisste Entführungs-Opfer? Die hübsche Gattin des Waffenfabrikanten? Die wohlbehütete Tochter des Hauses? Jaaaaaa… fast. Es ist Chesters Katze. Na großartig… eine Nummer kleiner ging es wohl nicht mehr, was? Am nächsten Morgen setzt der Chief den nicht zwingend motivierten Abstraight persönlich in den Zug nach Carlisle. Er ist überzeugt, dass die Landluft das vernebelte Hirn seines alten Freundes mal ordentlich durchlüften wird. Allerdings steht zuvor eine mehr als turbulente Zugfahrt an…

An Bord trifft unser Wieder-Inspektor direkt auf die Person, die er am wenigsten zu sehen wünscht: Richter Bannister. Den Mann, der vor 15 Jahren alles gegeben hätte, um den verfluchten Greenhill-Ripper an den Galgen zu bringen. Daraus wurde nichts, wie wir ja nun wissen, und es dürfte klar sein, wem er die Schuld dafür gibt, nicht wahr? Bingo. Nachdem spontan erste Nettigkeiten in leicht erhöhter Lautstärke ausgetauscht wurden, treffen die beiden Streithähne im Speisewagen erneut aufeinander. Schwer zu glauben, aber tatsächlich entwickelt sich so etwas wie ein Gespräch zwischen ihnen. Ob der Riss zwischen den alten Haudegen doch noch zu kitten ist?

Naaah, nicht wirklich…, denn nachdem eine Schneelawine den Zug an der Weiterfahrt hindert und alles geradezu nach einer ruhigen Nacht im Warmen ruft, wird Abstraight plötzlich aus den Träumen gerissen. Schreie und… ein Schuss. Der Inspektor schreckt hoch und bricht unvermittelt die Tür zum Abteil nebenan auf. Dort trifft er auf Bannister. Tot. Ein Schuss mitten ins Herz. Und neben seinem Bett liegt der noch qualmende Revolver. Nun muss Frederick Abstraight wirklich zeigen, ob das alte Feuer noch in ihm brennt. Der Mörder muss noch im Zug sein. Irgendwo unter den anderen Passagieren. Und dies ist eine illustre Schar, die man besser mal genauer unter die Lupe nehmen sollte…

Cozy trifft Whodunit

Wer hier zuerst an den Klassiker „Mord im Orient Express“ denkt, liegt goldrichtig. Wie alle bisher erschienen Bände der Konzept-Serie „7 Detektive“, liegt auch dem fünften Band ein Genre-Primus zu Grunde. Damit verbeugt sich Autor Herik Hanna vor der geballten Kriminal-Literatur der Vergangenheit. Das macht er enorm gut, denn nach den ersten beiden Fällen, die inhaltlich zwar gut, jedoch nicht herausragend waren, hält die Reihe ab dem dritten Band konstant ein hohes Niveau. Da reiht sich Frederick Abstraights Zug-Ermittlung nicht nur nahtlos ein, sondern setzt sich gleich mal an die Spitze. Ein gemütlicher Wohlfühl-Krimi mit starken Charakteren, einer ordentlichen Portion Humor (der glücklicherweise herrlich britisch und nicht albern rüberkommt) und den passenden Bildern, die besser kaum sein könnten. Diese stammen in „Eine Katze im Sack“ von Julien Motteler, von dem wir bis auf seine Mitarbeit am Sci-Fi-Comic „Arkeod“ (CARLSEN/FINIX) in Deutschland noch nicht viel zu sehen bekamen. Schade, denn sein Stil ist markant und nicht zu realistisch. Die überzeichneten Figuren haben Wiedererkennungswert und ihre Mimik ist meist auf den Punkt. Da bin ich persönlich sehr pingelig und der Annahme, dass Emotionen für eine funktionierende Story extrem wichtig sind. Mit treffenden Gesichtsausdrücken kann ein Comic enorm an Glaubwürdigkeit und Substanz gewinnen. Dazu braucht es keinen hohen Detailgrad oder Realismus. Und Motteler bringt Staunen, Furcht, Verlegenheit und Skepsis in seinem ganz eigenen Stil erstaunlich gut aufs Papier. Bleibt zu hoffen, dass Werke wie „Lady Whitechapel“ oder „Bad Ass“ (ebenfalls mit Herik Hanna) es irgendwann doch noch mal nach Deutschland schaffen.

Moriarty-Vibes liegen in der Luft…

Vorherige Bände haben es bereits angedeutet und „Eine Katze im Sack“ geht da noch ein Stück weiter, denn die in sich abgeschlossenen Fälle scheinen doch mehr miteinander zu tun zu haben, als es auf den ersten Blick erscheint. Ob es einen sinisteren Gesellen im Hintergrund gibt, der von dort aus die Fäden zieht, wird wohl erst der abschließende siebte Band zeigen, aber die Zeichen verdichten sich. Eine uns bereits bekannte Figur gibt sich im aktuellen Fall erneut die Ehre… und ein deftiger Cliffhanger lässt erleichtert aufatmen, dass der sechste und damit vorletzte Band „John Eaton - Eaton in Love“ bereits erhältlich ist.

Fazit:

Im November-Programm des SPLITTER Verlages wird sich herausstellen, ob die Reihe „7 Detektive“ ihren Siegeszug mit Bestnote ins Ziel bringen kann. An „Frederick Abstraight - Eine Katze im Sack“ müssen sich die beiden letzten Fälle erstmal messen lassen. Herrliche Krimi-Kost und perfekt für kühle Herbst-Abende im Warmen. Da ist mir vor Freude die Opium-Pfeife ins Klo gefallen.

7 Detektive - 5. Frederick Abstraight: Eine Katze im Sack

Herik Hanna, Julien Motteler, Splitter

7 Detektive - 5. Frederick Abstraight: Eine Katze im Sack

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