Interview:
Timo Wuerz

11.2018 Vor mir liegt ein wahres Prachtstück von Buch, welches ich nach dem ersten Lesen und Betrachten nicht außer Reichweite gelegt habe. Immer wieder schlage ich es wahllos auf, um die gemäldeartigen Bilder zu bestaunen. Auch, um mir wieder eines der zahlreichen Zitate in Erinnerung zu rufen. Diese vermögen – in Zusammenhang mit den informativen, erschütternden und nachdenklich stimmenden Texten, Erfahrungsberichten und Essays – einen Schalter beim Leser umzulegen. Blickt man dazu noch in die realistischen Augen der portraitierten Tiere, die von Timo Wuerz eindrucksvoll verewigt wurden und bedenkt, dass nachfolgende Generationen diese niemals in Natura erblicken könnten, stimmt diese Tatsache unglaublich traurig und man kommt nicht um die Frage herum „Was kann ICH tun?"

Mit Tieren fühlte ich mich in der Tat schon immer verbunden. Ich möchte eben ein konkretes Tier mit seiner Persönlichkeit, in einem bestimmten Moment zeigen, nicht nur die abstrakte Tierart.

Comic-Couch:
Lieber Timo, herzlichen Dank für Deinen tollen Bildband „The Art of wild + free Animals“ und dass Du Dir Zeit nimmst, ein wenig mit uns darüber zu plaudern. Beim ersten Blick aufs Buch fällt direkt ein grüner Aufkleber ins Auge, auf dem steht, dass 10% des Erlöses der Anti-Wilderer-Einheit „Black Mambas“ gespendet werden. Kannst Du uns ein wenig mehr über diese Organisation verraten?

Timo Wuerz:
Danke für das Interesse. Die Black Mambas sind eine weibliche Antiwilderer-Einheit in Südafrika, die ich seit Jahren unterstütze. Sie sind quasi Bodyguards für die verbliebenen Nashörner. Wir wissen alle, dass Frauen viel tougher sind als Männer und man sich als Wilderer mit ihnen nicht anlegen sollte. Ich bin Sozusagen Ehren-Mamba und kenne die Initiatoren persönlich. So weiss ich, wohin das Geld und die Unterstützung gehen.

Comic-Couch:
Abgesehen von den 10%, die ja auch keine Selbstverständlichkeit sind, möchte ich noch einmal auf meine anfänglich aufgeworfene Frage kommen. Was kann ICH noch tun… was können WIR tun?

Timo Wuerz:
Sich den Herausforderungen bewusst zu sein, ohne zu resignieren, ist der Anfang. Und dann einfach anfangen, wo man gerade kann. Weniger Plastik zu verbrauchen, öfter vegetarisch zu essen, in Garten und auf dem Balkon mehr für die Vielfalt der Pflanzen und Tiere zu tun, sich bei Projekten zu engagieren, die einem sympathisch sind. Es gibt viel, was man tun kann. Ich wuchs und wachse ja auch hinein und versuche herauszufinden, wie ich mehr und mehr ein Teil der Lösung und weniger des Problems sein kann. Ich wünschte, ich hätte einen Masterplan.

Comic-Couch:
Was mir an Deinen Bildern sofort auffiel, ist, dass Du die Tiere nicht nur in majestätischen Posen portraitiert, sondern sie auch in „Alltagssituationen“ dargestellt hast, sprich in Lauer-Position, schlafend, beim Putzen und in voller Bewegung. Arbeitest Du mit Referenz-Material, wie Fotografien, oder besitzt Du eine derartig hohe Beobachtungsgabe, dass Du aus dem Kopf malst?

Timo Wuerz:
Ich verwende recht wenig Referenzfotos. Meine ersten Zeichnungen als kleines Kind waren schon Tiere, daher habe ich Übung. Zudem von Haus aus eine gute Beobachtungsgabe, vermutlich Berufskrankheit oder auch Voraussetzung für einen Maler. Bei kurioseren Tieren muss ich dann aber doch mal nachschauen, wie die so genau aussehen. Am meisten hilft, die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu studieren, um den Kontext, in dem sie leben, zu verstehen, mir einen 360°-Blick ihres Lebens zu verschaffen.

Comic-Couch:
Deine Tier-Gemälde wirken unglaublich realistisch und ein Blick in die lebendigen Augen erscheint hier, wie der redensartliche Spiegel zur Seele. Ein Spiegelbild aus Aquarell, Acryl und Tusche. Fast schon, als wärst Du mit Deinem Gegenüber auf einem Level… irgendwie verbunden. Kannst Du beschreiben, wie Du Dich bei einem neuen Bild an Dein Motiv „annäherst“? Was geht beim Malen in Dir vor?

Timo Wuerz:
Schön formuliert, danke. Am Anfang stehen sicherlich die Liebe und der Respekt zum Motiv. Mit Tieren fühlte ich mich in der Tat schon immer verbunden. Ich möchte eben ein konkretes Tier mit seiner Persönlichkeit, in einem bestimmten Moment zeigen, nicht nur die abstrakte Tierart.

Comic-Couch:
Du hast bereits den Zeichenstift geschwungen, bevor du Laufen und Sprechen konntest… bist also quasi mit dem Stift in der Hand großgeworden. Gibt es ein Tier – oder ein anderes Motiv -, an dem Du Dir heute noch die Zähne ausbeißt, bzw. mit dem Du Dich schwertust? Eine Art Achillesferse?

Timo Wuerz:
Ich behaupte mal, dass ich ein recht guter naturalistischer Maler und Zeichner bin. Also kann man alles zeichnen. Das heisst vielleicht, dass man sofort sein Motiv gut darstellen kann, aber es heisst nicht, dass man sofort seine Vorstellung einer guten Darstellung aufs Papier bringen kann. Diese Aufgabe und Herausforderung bleiben sicherlich für jeden Künstler bis ans Lebensende erhalten.

Comic-Couch:
Wenn man das Haus mit zwei Katzen teilt und dann im Größeren denkt, kommt man dann zwangsläufig auf Pumas? Du hast tatsächlich zwei Pumas adoptiert, die allerdings nicht bei Dir untergekommen sind, sondern in einem Reservat in Kalifornien leben. Wie ist es denn dazu gekommen?

Timo Wuerz:
Zu meinen Katzen zuhause kam ich eher aus Versehen. Pumas wollte ich seit frühester Kindheit schon haben. Warum Pumas? Ich kann es nicht sagen. Pumas zuhause zu haben, wäre wenig praktisch, haha. Auch nicht für meine Nachbarn, wenn ich unterwegs bin: „Egal, wie er bettelt, nicht mehr als vier Kilo Fleisch am Tag füttern!“ Pumas, die in Gefangenschaft geboren wurden und nicht ausgewildert werden können, in einem Reservat, in dem sich um ihr Wohl gekümmert wird, zu adoptieren, erschien mir als eine prima Alternative und ein Anfang. Und besuchen kann ich sie ja regelmässig. Dann kriegen sie ein Extrasteak von Papa.

Comic-Couch:
Du malst Bildbände, Comics, Platten-Cover für Metal-Bands, hast dem „inneren Schweinehund“ ein Gesicht gegeben, arbeitest bei Film-Produktionen in Hollywood, hast in Luxemburg eigene Briefmarken, designst Logos für Firmen, Bands und Comics, gestaltest Themen-Parks, veredelst Luxus-Autos, bist für die Cover-Motive unzähliger „John Sinclair“-Hefte verantwortlich, hast mit Marvel, DC, Disney, Mercedes und, und, und… gearbeitet, hängst mit Deinen Werken in Galerien, rund um den Globus UND engagierst Dich voller Leidenschaft für Natur- und Artenschutz… hab ich noch was vergessen? Und WOHER zur Hölle nimmst Du diese Energie?

Timo Wuerz:
Du hast noch so einiges vergessen, haha! Ich besitze glücklicherweise eine robuste Gesundheit, von Natur aus viel Talent und ein hohes Tempo beim Schaffen. Zudem bin ich in der tollen Lage, dass ich dafür bezahlt werde, das zu tun, was ich will. Das ist ein super Grund, um morgens problemlos aufzustehen und loszulegen. Alle Hobbies, Vorlieben und Dinge, die mich geprägt haben, kann ich in meine Arbeit integrieren: Tiere, Bands, Superhelden, Comics, Film, Show etc. Bin da sehr demütig und dankbar dafür. Mein Name steht auf über 100 Büchern, doch dieses ist tatsächlich dasjenige, das meinem wilden Herzen am nächsten ist.

Comic-Couch:
Dass Tier-Gemälde Deine große Leidenschaft sind, ist anhand von „The Art of wild + free Animals“ nicht schwer zu erkennen. Abgesehen davon, was gefällt Dir an Deinem Job am meisten? Das abenteuerliche Herumreisen in der Welt, oder die Arbeit am heimischen Zeichentisch?

Timo Wuerz:
Man darf nicht vergessen, dass ich die allermeiste Zeit in meinem Leben allein an einem Tisch, in einem Raum, einer Wohnung, einem Haus verbracht und gemalt und gezeichnet habe. Das ist nichts für jeden. Als Abwechslung reise ich eben auch rund um die Welt und sehe sie mir neugierig an. Ja, manchmal wird’s auch abenteuerlich. Daher: ich denke, die Kombination macht’s für mich aus.

Comic-Couch:
Für die Süddeutsche Zeichnung bist Du der „Rockstar der Comic-Szene“ und eine Moderatorin sieht in Dir den „Nigel Kennedy der Malerei“. Welcher Vergleich trifft eher zu? Und wie würdest Du Dich am treffendsten beschreiben?

Timo Wuerz:
Bezeichnungen überlasse ich Journalisten. Ich bilde mir sicherlich nichts auf solche Vergleiche ein, verstehe natürlich auch, woher sie kommen. Wenn man mich ansieht mit all den Tattoos und meiner Arbeit für Rockbands oder wenn meine Signierstunden eher Performances sind, liegt das Wort ‚Rockstar‘ nahe. Stören tun mich diese Vergleiche nicht. Nigel Kennedy ist ein grosser Künstler, der die Geschichte seines Metiers sehr gut kennt, seine Kunst beherrscht und ganz einzigartig er selbst ist. Etwas, wohin man als Künstler doch strebt, oder? Ich bin auf dem Weg, haha!

Comic-Couch:
Herzlichen Dank für Deine Zeit, lieber Timo! Ich wünsche Dir nur das Beste für Deinen beeindruckenden Bildband „The Art of wild + free Animals“, den ich sowohl allen Tier- und Natur-Freunden, Kunst-Liebhabern und Fans wunderschön gestalteter Bücher gleichermaßen ans Herz legen kann. Weiterhin viel Erfolg bei Deinen sozialen Engagements und Danke, dass Du der Wildnis eine menschliche Stimme verleihst.

„Wir leben in einem gefährlichen Zeitalter. Der Mensch beherrscht die Natur, bevor er gelernt hat, sich selbst zu beherrschen.“ – Albert Schweitzer (1875-1965)

„The Art of wild + free Animals“ ist seit November 2018 im Handel und erschien im TOKYOPOP Verlag. Dort ist neben dem Artbook auch eine neunbändige Werkausgabe von Timo Wuerz erhältlich. Darunter die Titel „Aaron und Baruch“, „Lula & Yankee 1+2“, „Black Metal“, „The Art of Metal“, „XCT“ und sein aktuellstes Comic-Projekt „Ghost Realm 1+2“.

Das Interview führte Marcel Scharrenbroich im November 2018.
Foto Timo Wuerz © Katja Kuhl
Cover, Zeichnungen © Timo Wuerz / TOKYOPOP

"The Art of wild + free Animals" auf Comic-Couch.de

Alita:
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