Supergirl

von Marcel Scharrenbroich (03.2024)

Es bleibt in der Familie

Krypton war…,

1978 zeigte uns der Regisseur Richard Donner (1930 – 2021; „Das Omen“, „Die Goonies“, „Lethal Weapon 1 – 4“, „Die Geister, die ich rief…“), dass ein Mann fliegen konnte. Nach mehrjährigen, zähen Verhandlungen (und verschlissenen Autoren und Regie-Kandidaten) begannen im März 1977 die Dreharbeiten zum bis dato teuersten Film (Budget: 55 Millionen US-Dollar) der Hollywood-Geschichte. Hatte man mit Mario Puzo („Der Pate“) einen grandiosen Drehbuchautor (dessen Skript allerdings mehrfach großzügig überarbeitet wurde), mit John Williams („Krieg der Sterne“) einen wahren Score-Maestro und mit Marlon Brando („Die Faust im Nacken“, „Der Pate“, „Der letzte Tango in Paris“) ein filmisches Schwergewicht (der sich seine kurze Nebenrolle fürstlich bezahlen ließ!) im Boot, war aber allen klar, dass der Film erst mit dem Hauptdarsteller entweder beispiellos fällt oder kometenhaft aufsteigt. Glücklicherweise war Letzteres der Fall, denn „Superman - The Movie“ konnte an den Kinokassen satte 300 Millionen einspielen. Das lag vor allem an der überzeugenden und höchst sympathischen Art von Christopher Reeve (1952 – 2004), der dem mächtigen Alien von Krypton mehr als nur Leben einhauchte. Er war sowohl Clark Kent als auch Kal-El. Genauer gesagt verkörperte er gleich drei Rollen. Den geliebten Sohn der Kents, der auf einer Farm in Kansas aufwuchs, dann den fliegenden Helden und natürlich dessen Alltags-Alter-Ego: den gespielt schusseligen Daily-Planet-Reporter, der mit einer schlichten Brille(?) verheimlichen kann, dass unter seinem Hemd der rot-blaue Dress auf seinen nächsten Einsatz wartet. Genial.

Gut, daran scheiden sich bis heute die Geister, doch diese klassische Comic-Tradition wurde über Dean Cain, Brandon Routh, Henry Cavill und Tyler Hoechlin Film- und Serien-übergreifend bis heute übernommen. Mit den Spezialeffekten von 1978 holt man heute freilich keinen Blumentopf mehr (und ob das Zurückdrehen der Zeit das Einzige ist, was passiert, wenn man die Erde abbremst und in die andere Richtung lenkt, sei mal dahingestellt…), doch damals sah das schon beeindruckend aus. Ein bisschen Wind unter den Umhang geblasen, Green-Screen der ersten Generation dazu und dann ein charmantes Grinsen in die Kamera, fertig war der Superheld, den die Massen liebten. So sehr, dass bis 1987 noch drei Fortsetzungen folgten… wobei wir über den letzten Film aus der berühmt-berüchtigten CANNON-Schmiede, „Superman IV: Die Welt am Abgrund“, dann doch lieber den Mantel des Schweigens legen und ihn in die Phantom-Zone verbannen wollen.

Parallel zu den Dreharbeiten des ersten Films arbeitete Richard Donner sogar schon an der Fortsetzung. Was man schon von den „Zurück in die Zukunft“-Fortsetzungen als auch von der „Herr der Ringe“-Trilogie kennt, das kostensparende Back-to-Back-Shooting. Eigentlich ein gutes Zeichen, denn das beweist wenigstens, dass ein Studio hinter einem Projekt steht und an einen Erfolg glaubt. Heutzutage eine Seltenheit, schaut man sich an, wie stiefmütterlich manche Produktionen schon während der Werbe-Phase – also noch VOR dem eigentlichen Kinostart – behandelt werden. Aktuellstes Beispiel: SONYs Rohrkrepierer „Madame Web“, der in einem seiner unzähligen Spots sogar mit drei Gründen wirbt, die den Streifen angeblich sehenswert machen. Spoiler: alle drei Gründe heißen Sydney Sweeney(???). Eine junge (und durchaus attraktive) Schauspielerin, die nicht mal die Hauptrolle bekleidet, und vielen höchstens aus dem „Angry“-Video der Rolling Stones ein Begriff sein dürfte. Sex sells, oder wie war das…? Oder im Fall von „Madame Web“ halt doch nicht… da steckste nicht drin. Jedenfalls hatte Richard Donner schon drei Viertel von „Superman II: Allein gegen alle“ im Kasten, bevor er sich mit dem Studio überwarf. Daraufhin engagierte man Richard Lester (Regisseur der Beatles-Filme „A Hard Day’s Night“ und „Help!“ sowie „18 Stunden bis zur Ewigkeit“ aka „Juggernaut“), der einen Großteil der von Donner gedrehten Aufnahmen neu filmte. „Superman II“ konnte 1980 weltweit 190,4 Millionen US-Dollar einspielen. Erst 2006 war es möglich, mit „Superman II: The Richard Donner Cut“ die ursprünglich geplante Version unter den Augen von Richard Donner persönlich fertigzustellen.

1983 drehte Richard Lester dann „Superman III: Der stählerne Blitz“, womit die Reihe dann in klamaukige Gefilde abrutschte. Augenzwinkernder Humor war zwar zuvor bereits vorhanden, doch mit dem US-Komiker Richard Pryor (1940 – 2005; „Trans-Amerika-Express“, „Zwei wahnsinnig starke Typen“, „Zum Teufel mit den Kohlen“) in einer tragenden Rolle, war es dann fast schon zu viel des Guten. Der Slapstick-Humor kam beim Publikum entsprechend an und bescherte dem Film lediglich 80,2 Milliönchen an weltweiten Einspielergebnissen. Ungefähr zur gleichen Zeit kam man auf die Idee, das „Superman“-Franchise filmisch zu erweitern. Wären Cinematic-Universes damals schon gängige Praxis in Hollywood gewesen, könnte man das Spin-off „Supergirl“ wohl – neben den Universal-Monsters und den japanischen Godzilla-Ablegern – als einen der ersten Versuche bezeichnen, eine größere, zusammenhängende Welt zu etablieren. „Supergirl“ tut aber auch alles, um die Verbindung zu „Superman“ im gefühlten Minutentakt herzustellen. Doch dazu später mehr.

…Argo City ist.

Nachdem Krypton durch die explodierende Sonne pulverisiert wurde, haben sich die letzten Überlebenden in den sogenannten „Innenraum“ (fragt nicht, ich weiß es doch auch nicht…) zurückgezogen. Der Magier/Wissenschaftler Zaltar (Peter O’Toole) nutzt eifrig seinen Hokuspokus, um die räumlich überschaubare Stadt einigermaßen wohnlich zu gestalten. Argo City verfügt über zwei große Energiequellen, von denen sich Zaltar eine ungefragt ausgeliehen hat. Er plant nämlich einen Trip zur Erde (oder den Saturn… so sicher ist er sich da noch nicht). Kara (Helen Slater), die junge Tochter von Zor-El (Simon Ward) und Alura (Mia Farrow), spielt mit Erlaubnis Zaltars ein wenig mit dem sogenannten Omegahedron – ein etwa handgroßer Ball, der sich leuchtend lustig im Kreis dreht – herum. Durch ein Missgeschick entfleucht das gute Stück durch die Außenhülle, die die Stadt schützt (seien wir ehrlich: jede verdammte Aldi-Tüte hält mehr aus!), und schießt in Richtung Erde. Dumm gelaufen, denn für Argo City bedeutet der Verlust der mächtigen Quelle nichts Gutes. Um ihren Fehler wiedergutzumachen, stibitzt Kara kurzerhand das „Gefährt“ (es is’ne simple Kugel mit Sitzplatz für genau eine Person… wobei „Sitzplatz“ schon großzügig ausgelegt ist), mit der eigentlich Zalter den „Innenraum“ durchbrechen wollte, und landet plitsch-platsch-plutsch auf unserem Planeten. Erstaunlicherweise kommt sie aber nicht von oben reingeflattert, sondern durchbricht von innen heraus die Oberfläche eines Sees (erneut: fragt nicht). Passenderweise hat sie gleich das Partner-Outfit ihres Cousins an, der ja schon länger unter den Menschen lebt. Richtig geraten, Kara Zor-El ist die Cousine von Kal-El, hier besser bekannt als Superman.

Um nicht aufzufallen, nimmt Kara die Identität einer Schülerin einer Mädchenschule an. Getarnt mit braunen Haaren (da ist sie schon mal schlauer als ihr Cousin), nennt sie sich fortan Linda Lee und wird sogleich Zimmergenossin von Lucy Lane (Maureen Teefy), der kleinen Schwester von Lois, die mit Clark Kent zusammen beim Daily Planet in Metropolis arbeitet. Zufälle gibt’s…

Ziemlich zeitgleich mit Karas Ankunft scheppert das Objekt der Begierde, das Omegahedron, auf die Erde. Und zwar direkt in den pampigen Dip einer gemütlichen Picknick-Sause. Hier schnabulieren bei bestem Wetter die ehemalige Wahrsagerin und Möchtegern-Hexe Selena (Faye Dunaway) und ihr gelbzahniger Arschkriecher Nigel (Peter Cook), eine männliche Hexe, die obendrein noch der Schulleiter von Linda und Lucy ist. Ansonsten lebt Selena mit ihrer Co-Hexe Bianca (Brenda Vaccaro) in einer fancy Butze in einem verlassenen Vergnügungspark. Und um ganz kleine Brötchen zu backen, plant der Rotschopf mit leichten Größenwahn-Tendenzen nichts Geringeres, als die Weltherrschaft an sich zu reißen. Nun, das rückt erschreckenderweise in erreichbare Nähe, da Pinky und Bra… ich meine natürlich Bianca und Selena nun das Omegahedron in Besitz haben, dessen grenzenlose Macht sie nur noch nicht einschätzen können.

Natürlich grätscht auch noch ein Typ rein, denn ohne konstruiertes Liebesdreieck ging in den 80ern fast nix. Selena hat es auf den Landschaftsgärtner Ethan (Hart Bochner) abgesehen. Vermutlich deshalb, weil Bianca ihn zuerst ganz schnuckelig fand. Ja genau, SO eine Asi-Freundin ist Selena nämlich! Die Hexe verzaubert den Burschen mit einem Liebestrank, sodass er sich in die Erste verknallen soll, die er nach seinem kurzen Knockout erblickt. Dummerweise schaut Ethan zuerst Linda in die himmelblauen Augen. Die ist sichtlich verblüfft von den Annäherungsversuchen und zieht damit zusätzlich den Zorn von Selena auf sich. Währenddessen wächst die Macht des Omegahedron ins Unermessliche, was auch die Hexe immer gefährlicher werden lässt.

Muss man (schon immer) mögen

„Supergirl“ ist einer der Filme, die es fast unmöglich schaffen, heute noch ein neues Publikum für sich zu gewinnen. So ehrlich darf und MUSS man sein. Die Spezialeffekte waren schon 1984 weitestgehend überholt. Vor allem, wenn man bedenkt, dass zu diesem Zeitpunkt bereits die komplette erste „Star Wars“-Trilogie für offene Zuschauer-Münder gesorgt hatte. Dafür sieht das Luftballett von Supergirl sehr anmutig aus. Sowieso ist die bezaubernde Helen Slater der größte Pluspunkt des Films. Es ist einfach zu herzlich, wie ihre Figur mit kindlicher Neugier unsere Welt entdeckt. Auch als strahlende Heldin macht sie eine gute Figur und lässt ihre Nachfolgerinnen – allein durch ihre Präsenz – ziemlich blass aussehen. Ob die gerade erst gecastete Milly Alcock („House of the Dragon“) das in den kommenden DC-Filmen von James Gunn allein vom Charme-Faktor toppen kann, sehe ich persönlich noch nicht so ganz.

War „Supergirl“ das Leinwanddebüt der 19-jährigen Helen Slater, die man später noch in Filmen wie „Zeit der Vergeltung“, „Die unglaubliche Entführung der verrückten Mrs. Stone“, „Das Geheimnis meines Erfolges“, „City Slickers“ sowie in den TV-Serien „Smallville“, „Akte X“ oder „Supergirl“ (in einer anderen Rolle) sah, stand ihr mit Faye Dunaway eine gestandene Schauspielerin der ersten Garde gegenüber. Die Oscar-prämierte Charakterdarstellerin aus „Bonnie und Clyde“, „Thomas Crown ist nicht zu fassen“, „Chinatown“, „Die drei Tage des Condor“, „Network“ oder „Die Augen der Laura Mars“ ist bis heute im Geschäft und scheint die Rolle der fiesen Hexe sichtlich zu genießen. Mir als Zuschauer ging sie dafür in Rekordzeit auf den Sack. Overacting pur, mit dem sie die Cheesy-Messlatte des Films noch mühelos untertanzt.

In einem der ersten Sätze des Films wird schon erwähnt, dass Karas Cousin ja auf der Erde lebt. Das zieht sich wie ein roter Faden durch den gesamten Streifen. Dabei – und dem Querverweis von Lucy Lane zu ihrer Schwester Lois – bleibt es aber nicht. Neben einem großformatigen Poster von Christopher Reeve im Superman-Dress hat es gleich eine Nebenfigur der Filmreihe rüber zu „Supergirl“ geschafft. Der Reporter Jimmy Olsen (auch hier gespielt von Marc McClure) ist der Freund von Lucy und turnt – stets bewaffnet mit seiner Kamera – durch eine Vielzahl der Szenen.

Obwohl ich jetzt ziemlich draufgedroschen habe, muss ich gestehen, dass „Supergirl“ seit jeher einen festen Platz in meinem nerdigen Retro-Herz hat. Trotz seichter Handlung, billigen Effekten, bei denen man die tragenden Schnüre und Kabel immer wieder sehen kann, und plattem Humor, der zum Kopfschütteln anregt, ist dieser Film Eskapismus pur. Unbeschwert, leichtfüßig und aus verschiedensten Gründen höchst unterhaltsam. Außerdem hat er einen epischen Score, für den sich Jerry Goldsmith (1929 – 2004; „Planet der Affen“, „Star Trek“, „Das Omen, „Alien“, „Poltergeist“, „Gremlins“, „Quatermain“, „Meine teuflischen Nachbarn“, „Total Recall“…) mit tam-tam-reichen Fanfaren verantwortlich zeichnet. Ähnlich dem grandiosen „Superman“-Thema von John Williams, bleibt das Opening länger im Ohr.

Lang hat’s gedauert…

…doch seit dem 29. Februar 2024 ist „Supergirl“ auch hierzulande in HD erhältlich. PLAION PICTURES hat zwei Mediabooks auf den Markt gebracht, deren Inhalt selbstverständlich identisch ist. Enthalten sind gleich drei(!) unterschiedliche Filmfassungen. Zwei davon sind bereits bekannt. Die deutsche Kinofassung, die schon damals für eine FSK 6-Freigabe zahlreiche Szenen einbüßen musste, und die Internationale Fassung, die rund 125 Minuten läuft. Neu ist nun die Möglichkeit, den Film als Director’s Cut zu schauen. Mit rund 139 Minuten die längste Version des Films. Die beiden längeren Fassungen sind von der FSK ab 12 Jahren freigegeben.

Für die Erstveröffentlichung der internationalen Fassung auf DVD (2006 von WARNER) wurde seinerzeit eine neue Synchronisation erstellt. Bei der Blu-ray-Premiere hat man nun die Qual der Wahl: Entweder greift man auf die ursprüngliche Synchronisation der Kinofassung zurück, deren fehlende Stellen durch die Neu-Synchro aufgefüllt werden, oder man sieht sich den Film gleich in der komplett neuen Sprachfassung an. Ich empfehle die Original-Synchro. Die neuen Szenen des Director’s Cut hat man im englischen Original belassen und deutsche Untertitel eingefügt.

An der Bildqualität gibt es nicht viel zu mäkeln. Gelegentliche Unschärfen fallen kaum ins Gewicht, während das Filmkorn lediglich in den dunkleren Szenen ins Auge springt. Szenen im Tageslicht sehen fantastisch aus. Die Farben sind sehr natürlich, ohne dass man nachträglich extra tief in den Farbtopf gelangt hätte. Sehr gut an Nigels naturgelben Hauern zu erkennen.

Neben Trailern und Spots in Deutsch und Englisch, ist das bedeutendste Extra das umfangreiche „Making of“, welches 1984 gleich mitproduziert wurde. Während dieses rund 50-minütigen Specials, eingeleitet von Faye Dunaway, lernen wir auch den Regisseur Jeannot Szwarc kennen, der aussieht, als hätte man Fips Asmussen mit einer Trompete geföhnt. Allein während der Doku qualmt der „Der weiße Hai 2“-Regisseur gefühlt drei Stangen weg, während wir zahlreiche Einblicke von den Dreharbeiten präsentiert bekommen. Auch der Findungsprozess einer geeigneten Hauptdarstellerin wird gezeigt. Dabei sehen wir eine junge, fast schon verschüchterte Helen Slater, die sich von älteren Herren begutachten lassen muss. Das schrammt hart an „creepy“ vorbei und hat bei mir spontan Beschützerinstinkte ausgelöst. Dass die vorwiegend männliche Crew bei sommerlichen Drehs dann noch größtenteils oben ohne rumrennt, macht es nicht wirklich besser. Tja, andere Zeiten, was? Obwohl… hmmm.

Fazit

Fassen wir noch mal zusammen: „Supergirl“ ist ein unbeschwerter Spaß, der vor allem durch seine tolle Hauptdarstellerin lebendig wird. Einem Budget von 35 Millionen US-Dollar stehen weltweite Einnahmen von 14,3 Millionen gegenüber, was der charmante Streifen aber auch nicht verdient hat. Gerade mit dem langen Director’s Cut kann man eine gute Zeit haben. Nostalgie-Freunden sei die originale Kino-Synchro empfohlen. Dank PLAION PICTURES hat man die Wahl zwischen zwei sehr schön gestalteten Mediabooks. Hier wäre mein Favorit Motiv A… mit dem Schriftzug in Nigel-Gelb.

Wertung: 7

Bilder: © PLAION PICTURES

 

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