Text:   Zeichner: Gabriel Bá, Fábio Moon

Wie man auf Partys Mädels anspricht

Wie man auf Partys Mädels anspricht
Wie man auf Partys Mädels anspricht
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonFeb 2023

Story

Eine (mit Recht) preisgekrönte Story, die überraschend tiefgründig wird, je tiefer man sich ihr hingibt.

Zeichnung

Satte Farben und feine Pinselstriche. Die Brüder Moon und Bá verstehen ihr Handwerk.

Lost in Transition

Lese… und lerne!

Vic hat einen preisverdächtigen Tipp für seinen Kumpel Enn, um endlich mal ein Mädel kennenzulernen: „Rede doch einfach mal mit ihnen“. Ja, das könnte klappen. Nur ist der Teenager schüchterner und verklemmter als der Papst im Whirlpool der Playboy-Mansion. Partys eignen sich bekanntlich besonders gut, wenn man mit dem anderen Geschlecht in Kontakt treten möchte. Vic hat damit von Haus aus keine Probleme, tritt selbstsicher und nicht selten sogar übermütig auf. Eine Freundin hat Vic gesteckt, dass in der Nähe eine dieser besagten Zusammenkünfte stattfindet. Doch Enn ist so gar nicht begeistert von den abendlichen Plänen seines Freundes. Wahrscheinlich wird es ablaufen wie immer: Vic verdrückt sich mit dem heißesten Mädchen, und Enn guckt verschüchtert aus einer Ecke Löcher in die Luft, während alle anderen sich prächtig amüsieren. Aber was will man als Minderjähriger in Croydon, einem Stadtbezirk von London, sonst anstellen? Also Augen zu und durch…

Zuerst gehen die Augen der beiden Teenager aber gewaltig auf, als ihnen eine blonde Schönheit die Türe öffnet. Keine Frage, dass Vic sich gleich an die Fersen der hübschen Stella heftet. Damit tritt der von Enn erwartete Ablauf sogar noch viel früher ein als gedacht. Muss ein neuer Rekord sein. Also streift er verunsichert auf Solopfaden durch die Party-Location. Neben tanzendem Partyvolk, das sich der Musik hingibt, trifft Enn tatsächlich auf ein paar abseits sitzende Mädels, mit denen er ins Gespräch kommt. Überrascht davon, dass Vics doch so simpler Tipp scheinbar Gold wert ist, bleibt dies nicht die einzige Überraschung der noch recht jungen Nacht. Die überaus mitteilungsfreudigen Mädchen reden sehr kryptisch daher. Zwischen philosophisch tiefgründig und dem Wahnsinn erschreckend nahe, zieht es Enn immer tiefer ins Hier und Jetzt, während sein Geist sich für ganz andere Sphären öffnet. Diese Nacht wird er garantiert nicht so schnell vergessen… und Vic übrigens auch nicht.

Kurz, gut, tief… ein Gaiman halt

„Wie man auf Partys Mädels anspricht“ basiert auf einer nur 18-seitigen Kurzgeschichte von Neil Gaiman. Sie entstand 2006 für die Sammlung „Fragile Things: Short Fictions and Wonders“ und wurde im Folgejahr mit dem renommierten Hugo Award ausgezeichnet. Ein weiterer Preis auf dem gewaltigen Trophäen-Regal des „The Sandman“-Schöpfers. In deutscher Übersetzung erschien die Story erstmals 2010. Unter dem Namen „Zerbrechliche Dinge: Geschichten & Wunder“ gab es das Hardcover im KLETT-COTTA Verlag. Erst 2019 folgte eine Taschenbuch-Ausgabe von EICHBORN. Neben den preisgekrönten „Mädchen“ ist dort ebenfalls die Geschichte „Eine Studie in Smaragdgrün“ zu finden. Besonders erwähnenswert, weil diese Story auch mit einer Comic-Umsetzung bedacht wurde. Dieses verschachtelte Crossover zwischen Sherlock Holmes und Lovecrafts Cthulhu-Mythos findet sich, genau wie „Wie man auf Partys Mädels anspricht“, im Programm von DANTES VERLAG… und ist ebenso eine glasklare Empfehlung.

Dieser philosophische, oft lyrische „Ratgeber“ liefert vielleicht nicht die erhoffte Erfolgsformel, die der Titel versprechen könnte, reißt einen als Leser aber ungemein mit. Die simple Absicht, auf einer Party jemanden kennenzulernen, gerät zunehmend in den Hintergrund und macht Platz für das, was Worte neben einem oberflächlichen Austausch von Floskeln und Nettigkeiten auslösen können. Sprache, Poesie, sie kann ganze Universen erschaffen… oder sie zerstören. Adaptiert wurde dieser poetische Paukenschlag, welcher die Fantasie seiner Leser durchaus beflügelt, von dem brasilianischen Künstler-Duo Fábio Moon und Gabriel Bá. Für ihr Werk „Daytripper“ (erschienen als hochwertige Hardcover-Ausgabe bei PANINI) wurden die Zwillinge mit allen möglichen Comic-Preisen überhäuft. Nach Bás Arbeit an Gerard Ways „Umbrella Academy“ (CROSS CULT) haben die Brüder 2016 Gaimans Kurz-Werk in wunderschönen Aquarellen umgesetzt. Satte, kräftige Farben und fein geschwungene Tusche-Linien sind die perfekte Ergänzung zum tiefgehenden Kern, der in einem ganz eigenen Raum zwischen Melancholie, Schönheit und Herz pendelt.

„Looking after No.1“ (BOOMTOWN RATS; 1977)

Dass die Story dem aufkeimenden Punk-Boom der 70er huldigt, blitzt auch im Comic immer wieder durch. Ein ausführliches Glossar, an dem man fast länger liest, als an der eigentlichen Geschichte, geht nicht nur ausführlich auf wichtige und scheinbar beiläufige Themen der Story ein, sondern macht Leser auch mit erwähnten Künstlern und Bands vertraut. Darunter finden sich Punk-Größen wie The Clash, The Adverts oder die Sex Pistols. Selbst die deutschen Techno-Urväter von Kraftwerk werden erwähnt. Und ein David Bowie, einer der wohl größten Musiker unserer Zeit und als wandlungsfähige Kunstfigur selbst ein Phänomen, darf da selbstverständlich ebenfalls nicht fehlen. Neben diesem informativen Anhang liefert der Hardcover-Band noch kurze Portraits von Autor Neil Gaiman, sowie der beiden Künstler Fábio Moon und Gabriel Bá.

Weitaus musikalischer geht es in der Verfilmung der Short-Story zu. Diese wurde im Januar 2022 von NAMELESS (im Vertrieb von EUROVIDEO) unter ihrem Originaltitel „How to Talk to Girls at Parties“ gleich fürs Heimkino veröffentlicht. Die schräge Sci-Fi-Romanze, in der neben den hervorragend miteinander harmonierenden Hauptdarstellern Elle Fanning und Alex Sharp sogar Oscar-Preisträgerin Nicole Kidman als herrlich überdrehte Punk-Promoterin zu sehen ist, nimmt die Kurzgeschichte eigentlich nur als Aufhänger, um die (Love-)Story um Enn und seine Angebetete Zan ins Rollen zu bringen. Regisseur John Cameron Mitchell verlässt sich da voll und ganz auf die Spielfreude seiner Stars und schmeißt ziemlich extravagante Zutaten in den Topf. Bestimmt kein Film für Jedermann, dafür immer wieder mit skurrilen Ideen aufwartend. Unsere große Schwester, die „Phantastik-Couch“, hatte diese kleine Perle der unvergleichlichen Art zum Verkaufsstart genauer unter die Lupe genommen.

Fazit:

Trotz seiner Kürze ist „Wie man auf Partys Mädels anspricht“ kein Comic, den man so nebenbei wegliest. Dafür wiegen die zum Nachdenken anregenden Brocken zu schwer. Freilich bietet die Geschichte Raum für Interpretationsmöglichkeiten und es bleiben auch Dinge unausgesprochen… beziehungsweise vor den Lesern im Dunkeln verborgen. Aber so stand es bereits geschrieben… und das ist auch gut so.

Wie man auf Partys Mädels anspricht

Neil Gaiman, Gabriel Bá, Fábio Moon, Dantes Verlag

Wie man auf Partys Mädels anspricht

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