Text:   Zeichner: Fumie Akuta

True Kisses 01

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Julia Beckers
8101

Comic-Couch Rezension vonApr 2019

Story

Eine ruhige Coming-of-Age Geschichte mit guter Mischung aus Romantik und Dramatik. Nachvollziehbare Charaktere runden den ersten Band ab und machen Lust auf mehr.

Zeichnung

Akuta führt im klassischen Shojo-Stil durch die Geschichte. Ihre detaillierten Close-Ups der Gesichter vermitteln wunderbar die Gefühle der Protagonisten.

Erwachsenwerden im modernen Japan

In ihrer Kindheit wurde Chitose regelmäßig gemobbt. Und Kinder können grausam sein, wenn sie etwas an dir finden, was heraussticht. Für Chitose ist es das bescheidene, internationale Restaurant ihrer Eltern, das dazu führt, dass sie ausgeschlossen und von ihren Klassenkameraden als schmutzig und stinkend bezeichnet wird.

Aus Scham beginnt sie, sich zu optimieren. Als Vorbild dient ihr ein Mädchen in einer TV-Serie. Wenn sie nur so wird, wie dieser Charakter - hübsch und fröhlich-, dann müssen andere sie doch akzeptieren, oder?

Jahre später und wir sind an der High School - Chitose ist bildhübsch und der Schwarm vieler männlicher Schüler. Sie lächelt konstant, ist immer höflich und zuvorkommend. Sie ist eine gewissenhafte Schülerin und pflichtbewusste Tochter. Ganz augenscheinlich hat sie es geschafft, sich zu integrieren und nicht mehr negativ aufzufallen. Doch wer ist eigentlich "Chitose"?

"…und meine Maske ist perfekt"

Aus Chitose ist eine Hülle der perfekten jungen Frau geworden. Sie lässt alles mit einem Lächeln an sich abprallen. So auch, als ihr auf dem Heimweg ein Spanner heimlich unter den Rock schaut und Fotos schießt. Ein Junge, der die Situation zufällig miterlebt, verscheucht den Spanner und verschwindet dann. Chitoses Pflichtgefühl, sich korrekt zu verhalten, verleitet sie dazu, dem Jungen zu folgen, damit sie sich anständig bei ihm für seine Hilfe bedanken kann. Bis sie ihn endlich eingeholt hat, befinden wir uns vor einer Kunst-Vorbereitungsschule. Der Junge, Itsuki, besucht einen Kurs, um sich auf den späteren Besuch einer Kunsthochschule vorzubereiten. Er ist herzlich wenig an Chitoses freundlichem Getue interessiert und durchschaut ihre affektiere Art sofort. Er versucht, sie abzuwimmeln, als Chitose bemerkt, dass seine Handyhülle von ihr gestaltet worden ist. Was sie ihren Klassenkameraden nämlich bisher verheimlicht hat, ist, dass sie im Restaurant ihrer Eltern selbstgebasteltes Handy-Zubehör zum Verkauf anbietet. Chitose ist überrascht und kann ihren Stolz nicht unterdrücken, sie und Itsuki vertiefen sich in ein lebhaftes Gespräch über die Materialien, die sie zur Herstellung verwendet hat. Doch dann, wie auf Knopfdruck, rückt Chitose wieder ihre "Maske" zurecht und tauscht ihre ehrliche Begeisterung für ein leeres Lächeln aus.

Itsuki fällt diese plötzliche Rückverwandlung auf und er konfrontiert Chitose harsch mit ihrer aufgesetzten Fassade. Total überrumpelt beichtet Chitose, dass ihr Verhalten ein Schutz vor Ablehnung ist und sie panische Angst davor hat, nicht gemocht zu werden. Kann denn jemand überhaupt die "echte" Chitose mögen? Itsuki beantwortet diese Frage, in dem er sie einfach küsst und jetzt ist es um Chitose geschehen…

Chitose beginnt sich zum ersten Mal in ihrem Leben zu fragen, was sie eigentlich möchte, unabhängig von dem, was andere von ihr erwarten. Und so meldet sie sich kurze Zeit später ebenfalls an der Kunst-Vorbereitungsschule an.

"Der Nagel, der herausragt, wird eingehämmert"

So zu sein, wie man ist und unverfroren zu sich zu stehen ist ein komplexes Unterfangen, nicht nur für Teenager, die sich zusätzlich noch mit Hormonen und körperlichen Veränderungen und einem noch nicht voll entwickeltem Gehirn rumschlagen müssen. Und in einer Gesellschaft, die hohen Wert auf konformes Verhalten legt, kann es sich als noch schwieriger herausstellen,  sich selbst zu finden.

In Chitoses Charakter spiegeln sich einige gesellschaftlichen Normen Japans wider - bloß nicht negativ auffallen, niemanden verärgern, immer freundlich sein. Was dies auf der Mikroebene mit einem machen kann, sieht man an Chitose Beispiel gut - der ständige Stress, nicht anecken zu dürfen, verhindert jegliche Form der Selbstverwirklichung.

Inhaltlich folgen wir nach Chitoses Beschluss, an der Kunst-Vorbereitungsschule zu lernen, ihrer Entwicklung zu sich und anderen. Nach dem überraschenden Kuss von Itsuki ist sie zwar einerseits richtig schwer verliebt, andererseits merkt sie aber auch, dass sie aus eigenem Interesse Kunst machen möchte (und nicht nur an die Schule will, um ihrem Schwarm nah zu sein). Mir hat es sehr gefallen, dass neben der aufkeimenden Liebesbeziehung  auch die persönliche Entwicklung Chitoses im Vordergrund steht. Oft gehen Protagonisten in Romance-Mangas komplett ineinander auf und existieren scheinbar nur noch in Relation zueinander. Doch Itsuki und Chitose sind auch Künstler mit Ambition und Ehrgeiz. Der Großteil des Mangas spielt im Kunstraum der Schule und wir erleben, wie Chitose aus ihrer kreativen Arbeit Freude und Selbstvertrauen schöpfen darf.

Es zeichnet sich bereits im ersten Band deutlich ab, dass wir es bei den zwei Protagonisten mit echten Drama-Queens zu tun haben. Nachdem die Masken und Hemmungen erst einmal abgebaut sind, wird in diesem Manga leidenschaftlich gestritten und geweint. Itsuki ist impulsiv und oft schroff, Chitose empfindlich und unsicher. Diese Mischung sorgt für reichlich Komplikationen und auch wenn sich die beiden ganz klar zueinander hingezogen fühlen, muss noch einiges an Vorarbeit geleistet werden, bis es hier zu einem Happy End kommen kann.

Das Geweine kann dem ein oder anderen sicherlich schnell auf die Nerven gehen, doch der Dramatik wohnt trotzdem ein ziemlich realistischer, greifbarer Kern inne. Ich habe mich an meine eigene Schulzeit erinnern müssen und wie anstrengend es oft war, sechzehn zu sein. Chitose ist mir schnell ans Herz gewachsen, sodass ich auch bereits die Folgebände der Reihe kaufen und lesen musste. Ich möchte unbedingt sehen, wie Chitose es schafft, sie selbst zu werden.

Stilistisch ist "True Kisses" klassischer Shojo: wir haben viele Close-Ups von Gesichtern, vielsagende Blicke und tränende Augen. Die Gedanken von Chitose werden wahlweise weiß (wenn sie neutral oder wohlwollend sind) oder schwarz (wenn sie negativ und destruktiv sind) unterlegt. Die Erzählweise ist ruhig und eher ernst, karikative Gag-Reaktionen wie weit aufgerissene Münder werden von Fumie Akuta sparsam verwendet.

Eine tolle Ergänzung sind die Hintergrundinformationen, die Egmont am Ende des Mangas angefügt hat. Jeder Band wird mit einem ausführlichem Beitrag zum "echten" Leben in Japan abgerundet, der Konventionen und Verhaltensweisen erklärt. Dies setzt auch das uns vielleicht übertrieben vorkommende Verhalten von Chitose in einen nachvollziehbareren Kontext.

Fazit:

True Kisses ist eine ruhig erzählte Coming-of-Age Geschichte, in der wir ein junges Mädchen bei der Selbstfindung begleiten dürfen.  Der erste Band macht direkt Lust auf mehr und Fans von Romance werden ihre Freude an der Reihe haben.

True Kisses 01

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