Starhenge - Buch Eins: Der Drache und der Eber
- Skinless Crow
- Erschienen: Juni 2025
- 0


Mit Magie gegen KI
WTF: Der Comic
Ich wurde „vorgewarnt“, diesen Comic idealerweise sehr, SEHR aufmerksam zu lesen, da ich sonst womöglich schnell unter die Räder geraten könnte. Da ich generell versuche, mich zu Beginn jedes Comics oder Romans von allen möglichen Nebengedanken freizumachen, um dem vorliegenden Werk offen, erwartungsvoll und gebührend entgegenzutreten, ging ich also mit großer Erwartungshaltung an „Starhenge“ heran. Komplexe Geschichten mag ich… und wurde keineswegs enttäuscht. Die Story ist durchaus fordernd, bricht an vielen Stellen mit geläufigen Erzählstrukturen. Und dann ist da noch Liam Sharps phänomenales Artwork. Rauschartige Bilderfluten zwischen Sci-Fi und Fantasy. Mittendrin dann noch unsere graue Gegenwart. Sharp setzt nicht nur farbliche Akzente, um die Zeitebenen optisch voneinander zu unterscheiden, er wechselt auch gleich mehrfach den Zeichenstil, indem er in Sepiatönen zum familienfreundlichen All-Ages-Genre oder zu einem klassischen Comic-Look der 60er und 70er wechselt. All das könnte einen als Leser förmlich erschlagen, wenn da nicht die „charmante“ Stimme der Rationalität wäre. Diese gehört Amber Weaver, die uns als Hauptprotagonistin nicht nur gezeigt wird, sondern erklärend noch aus dem Off begleitet. Ganz im Gegensatz zur Handlung, ist sie voll auf einer Ebene mit uns. Sie weiß nur zu gut, wie haarsträubend ihre Story klingt, und redet derart frei von der Leber weg, dass wir uns gerne mit ihr in dieses völlig verrückte, welten- und zeitensprengende Abenteuer stürzen. Und alles begann… beziehungsweise BEGINNT in der fernen Zukunft. Naja, nicht SO weit entfernt… aber scheiß der Hund drauf:
Cyberpunk-Fantasy
Im Jahr 2112 hat die Menschheit einen Weg gefunden, schneller als das Licht zu reisen. Toll, nicht wahr? Zumindest so lange, bis ein interstellares Erkundungsschiff auf dem lauschigen Klumpen namens Proxima Centauri B landet. Ein bisschen felsig und hügelig, dafür aber erwartbar menschenleer. Allerdings schlummert dort eine nicht unbedingt freundlich gesinnte KI länger vor sich hin als ich wüsste, wie viele Nullen diese Zahl hätte, würde ich diese in Jahren ausschreiben wollen. Nennen wir es… eine arschlange Zeit. Jeck wie diese KI nach dem Aufwachen ist, krallt sie sich erstmal die armen Astronauten und macht sich dann genüsslich über den Bordcomputer des Raumschiffs her. Ihr Ziel? Lernen, lernen, lernen… und den Feind verstehen. Feind? Ja, Feind. Von uns Menschlein hält sie nämlich nicht viel. Sie erschafft menschenähnliche Killerroboter und zieht gegen uns in den Krieg. In Schach gehalten werden die „Cast“ genannten Angreifer durch eine Mischung aus Technologie und Magie, welche erstaunlicherweise tatsächlich existiert… und die oberste Verteidigungslinie, die „Ritter der Ödlande“. Dies gelingt auch nur, weil die künstliche Intelligenz mit Magie heillos überfordert ist. Magie kann sie nicht greifen, da logisch nicht nachvollziehbar. Hokuspokus lässt sich halt nicht mit Nullen und Einsen aufschlüsseln. Wer hätte das gedacht… Jedenfalls ziehen so ein paar Jahrzehnte ins Land. Nach heftigen Gefechten sind die „Ritter“ gefallen und vergessen. Und zwar wortwörtlich vergessen, so, als hätten sie nie existiert. Durch kompromittierenden Zeit-Scheiß der verdammten KI aus der Zeitlinie getilgt. Und nu?
Mamma mia!
Es wird aber noch besser! Und mit „besser“ meine ich… verwirrender: Die letzte Bastion der Menschheit wird von der Urkönigin regiert. Allwissend und wachsamen Auges sehend. Und sie weiß auch, dass es keine Zukunft geben wird, sollten die „Ritter“ sie nicht verteidigen. Ohne die Wiederentdeckung der Magie wäre die Menschheit dem sicheren Untergang geweiht. Und da kommt Wyllt, der künstlich modifizierte Sohn der Urkönigin, ins Spiel. Als stärkster Krieger soll er in der Zeit zurückreisen und dafür sorgen, dass die Zukunft nicht das Ende der Fahnenstange ist. Und so wird er ins Britannien des fünften Jahrhunderts geschickt, wo er reichlich „Steine“ in Bewegung setzt… und zwar unter dem Namen „Merlin“.
Das kommt überraschend, was? Bleibt noch die Frage, wie die achtzehnjährige Amber Weaver in das Zeit-Chaos passt. Ihre Geschichte beginnt im Kalifornien der Gegenwart, wo sie einer Liebelei mit dem Highschool-Footballer Daryl frönt. Allerdings geht es für sie nach dem Abschluss wieder zurück nach England, wo man sich eigentlich fürs kommende Halloweenfest verabredet. Nur taucht Daryl dort nicht auf. Erst ein Jahr später treffen sie sich eher zufällig wieder. Und damit beginnt für Amber ein wahnwitziger Trip, dessen Startschuss bereits in ferner Zukunft fiel. Klingt unlogisch? Na dann fragt mal Amber!
Lob an die Indies
Ihr seht, „Starhenge“ ist kein Comic von der Stange. Und obwohl ich den US-Markt eigentlich regelmäßig nach interessanten Stoffen ausspähe, flog dieser Sechsteiler aus dem IMAGE Verlag aber sowas von unter meinem Radar! Glücklicherweise nicht unter dem des SKINLESS-CROW-Teams, denn die Schweizer haben dieses Sci-Fi/Fantasy-Spektakel von epischem Ausmaß nun für deutschsprachige Leserinnen und Leser verfügbar gemacht. Ein großes Lob geht dabei an die Übersetzerin Katrin Aust, denn das Eindeutschen stelle ich mir als ziemliche Herausforderung vor. Das Hardcover kommt mit einem Die-Cut-Effekt, bei dem ein Teil der Front ausgestanzt ist und den Blick auf die erste Comic-Seite offenbart, und verfügt über eine feine Cover-Galerie sowie ein interessantes Nachwort von Sharp, in dem er über die Entstehung seines Werkes plaudert.
Fazit:
Eine Genre-übergreifendes Epos zwischen „Terminator“, „Doctor Who“ und neuem Blick auf die Artus-Sage, dem es dank der Erzählerin nicht an nerdigem Wortwitz mangelt. „Green Lantern“-Zeichner Liam Sharp stemmt sein Herzensprojekt im Alleingang und begeistert mit Alternativ-Realitäten, finstersten Zukunftsvisionen im Hard-Sci-Fi-Stil und verdrehter Mythologie. Beeindruckend!

Liam Sharp, Liam Sharp, Skinless Crow

Deine Meinung zu »Starhenge - Buch Eins: Der Drache und der Eber«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!