Sleeping Beauties - Buch 1

Sleeping Beauties - Buch 1
Sleeping Beauties - Buch 1
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonJul 2021

Story

Welt im Wandel. Die King-Familie meint es mal wieder nicht gut mit der Menschheit… und Autor Rio Youers bläst mit der Comic-Umsetzung meisterhaft ins gleiche Horn.

Zeichnung

Wären die Gesichter etwas geglückter geraten, hätten wir einen Kandidaten für eine zweistellige Wertung. Die Bildsprache ist nämlich phänomenal!

Versponnene Träume

+++ EILMELDUNG +++ EILMELDUNG +++ EILMEL…

Ein globales Phänomen stellt die ganze Welt auf den Kopf. Unzählige Menschen quer über den Erdball (JA, es ist ein verdammter Ball!) sind betroffen. Die Fallzahlen steigen sekündlich. Ein Heilmittel ist nicht in Sicht. Was sich nun anhört, wie die mediale Berichterstattung der vergangenen eineinhalb Jahre, hat jedoch keinen virologischen Ursprung. Wird nicht durch die Luft übertragen. Ist nicht ansteckend. Dennoch gibt es kein Entrinnen. Zumindest nicht für die weibliche Weltbevölkerung…

Nach und nach fallen Frauen in den Schlaf. Eigentlich nichts Besonderes und keinerlei Meldung wert, zumal dies im Regelfall mindestens einmal täglich geschieht, doch die Frauen wachen nicht wieder auf. Sie verfallen in eine Art komatösen Zustand. Als wäre dies nicht mysteriös und besorgniserregend genug, werden sie von feinen Fäden eingesponnen, was als Gesamtkunstwerk wiederum einem Kokon gleicht. Aufgeweckt werden sollten die Eingesponnenen auf keinen Fall, denn einmal aus der Traumphase geholt, entwickeln die Erweckten eine übermenschliche Kraft und stürzen sich tollwütig und rasend auf ihr nächstes Gegenüber. Damit ist guter Rat teuer und während sich fieberhaft die Köpfe zerbrochen werden, wie man die Schlafkrankheit heilen kann, wächst das Chaos. Panik breitet sich aus, Krankenhäuser und deren Notaufnahmen sind schnell an die Grenzen der Belastbarkeit gebracht. Was vor der ganzen Welt keinen Halt macht, erreicht auch bald die US-Kleinstadt Dooling…

Dort sitzt neuerdings die mysteriöse Evie Black in der örtlichen Frauenstrafanstalt ein. Hat zwei Junkies und Meth-Dealern die Lampen ausgeknipst, bevor sie spärlich bekleidet und sichtlich verwirrt vom lokalen Sheriff auf einer Landstraße aufgegabelt wurde. Das besondere an dieser Doppelmörderin ist aber, dass sie im Gegensatz zu ihren Mitgefangenen nicht einschläft. Besser gesagt, sie schläft zwar ein… wacht aber wieder auf. Und sie weiß, dass sie damit allein auf weiter Flur ist. Vielmehr treibt Evie ein undurchsichtiges Spiel, das Fragen aufwirft, gleichzeitig auch nicht unbemerkt bleibt. Könnte sie die Heilbringerin inmitten dieser Apokalypse sein? Oder bringt sie selbst den Untergang der Welt, wie wir sie kennen? Was, wenn die Öffentlichkeit von ihrer Existenz erfahren würde? Rund um diese Fragen stürzt die Welt in einen scheinbar bodenlosen Abgrund. Hysterie, Massenpanik und Selbstmorde sind da nur der Anfang…

Vier gute Gründe

Namentlich genannt, wären das zuerst die drei Autoren. Ganz oben steht da natürlich das kreative Vater/Sohn-Gespann Stephen und Owen King. Dass der Apfel bekanntlich nicht weit vom Stamm fällt, hat bereits Joe Hill mit zahlreichen Bestsellern und als Autor diverser Comics bewiesen. Kein Wunder, wenn der Vater als König des Horrors weltweit seit Jahrzehnten gefeiert wird und Bücher im Akkord aus dem Ärmel schüttelt. So ist auch Owen – jüngstes der drei King-Kinder – von der Muse (im Zweifel von Daddy) geküsst. Nach Kurzgeschichten und dem in Deutschland bislang unveröffentlichten Roman „Double Feature“, tat Owen King sich mit seinem berühmten Vater zusammen und heraus kam „Sleeping Beauties“. Der gemeinsame Roman, für den Owen mit seiner Idee den Stein erst ins Rollen brachte, erschien 2017 im HEYNE Verlag.

Verantwortlich für die Adaption ist hingegen der Schriftsteller Rio Youers. Ein Name, bei dem ich direkt große Ohren bekam, denn Youers ist mir durch ein Leseerlebnis der ganz besonderen Art im Gedächtnis geblieben. Von ihm stammt der Roman „Westlake Soul - Im Griff des Todes“, der 2020 in Deutschland im BUCHHEIM Verlag veröffentlicht wurde. Wer dieses Buch noch nicht kennt, unbedingt lesen! Und somit ist es keine große Überraschung, dass er die King/King-Vorlage kongenial aufgreift. Die Paranoia und aufkeimende Panik werden sehr gut transportiert. Ebenso der rote Faden, dem trotz Handlungssträngen an unterschiedlichen Orten stets gefolgt wird. Fast schon King-typisch, gibt es auch hier wieder die treuen Seelen, die sich streng nach bestem Wissen und Gewissen ans Gesetzbuch klammern, aber auch die, die jegliche Grenzen übertreten. Manchmal sogar welche aus den eigenen Reihen. Wenn gestreute Falschmeldungen dafür sorgen, dass Menschenleben in den Hintergrund geraten und das vorprogrammierte Chaos eintritt, hat das nicht nur einen erschreckend realen und dementsprechend bitteren Geschmack, sondern zeigt auch, wie gut Rio Youers die Geschichte ins Comic-Medium transportiert hat.

Nun bleibt uns noch der vierte gute Grund, warum Ihr beim nächsten Einkauf nicht an „Sleeping Beauties“ vorbeigehen solltet: Alison Sampson. Es gibt zwar einen Kritikpunkt an der künstlerischen Umsetzung, der jedoch nicht dazu verleiten sollte, den Comic zu ignorieren. Dafür müssen wir aber etwas weiter ausholen und widmen dem Artwork einen ganz eigenen Absatz…

Übernächtigt?

Wären die arg befremdlichen Gesichter nicht, könnte „Sleeping Beauties“ in der Punkte-Verteilung ganz oben mitspielen. Die Charaktere sehen schon schwer mitgenommen aus, was zeigt, dass „hier noch ein Strich“ und „da noch ein Strich“ auch schnell mal ein Strich zu viel sein kann. Tiefe Falten und Augenränder sehen so gar nicht nach sleeping Beauty aus und vermitteln eher das Gefühl mehrerer durchzechter Nächte. Dass das Geschehen an den Charakteren nicht spurlos vorbeigeht, sollte klar sein, aber der übernächtigte Look hätte vielleicht eher zum späteren Handlungsverlauf gepasst. Das soll aber schon der einzige Kritikpunkt sein, denn ansonsten sieht „Sleeping Beauties“ einfach hervorragend aus. Obwohl man sich vom wunderschönen Cover-Artwork nicht in die Irre führen lassen sollte. Dieses stammt – im Gegensatz zu Alison Sampsons durchgängiger Inszenierung – von Jenn Woodall, deren Cover-Arbeiten im angehängten Bonusteil nochmals in voller Pracht und ohne Beschriftungen bestaunt werden können. Zu ihr gesellen sich neben Jana Heidersdorf, die bereits die limitierte und längst vergriffene CEMETERY DANCE-Special Edition des US-Romans illustrierte, Diana Naneva („Final Derby“, „Guardian of the Forest“) und die noch immer schwer angesagte japanische Zeichnerin Peach Momoko (MARVELs „Demon Days“-Reihe).

Die Zauberworte für den Innenteil von „Sleeping Beauties“ sind Bildsprache und Bildkomposition. Und mit beidem trifft Alison Sampson („Winnebago Graveyard“, „Hit-Girl in Indien“ (PANINI), „Genesis“) die jeweiligen Nägel auf den Kopf. Hier ist eine Menge Kreativität in die Umsetzung geflossen, was sich daran zeigt, dass Panel-Grenzen quasi nicht existent sind. Figuren und einzelne Bildelemente verlassen ihre Rahmen, gehen in andere Bilder über oder stellen sich in den Vordergrund. Und das, ohne dass man als Leser den Überblick verliert. Das sieht nicht nur toll aus, sondern sorgt immer wieder für einen surrealen und traumähnlichen Touch, der voll und ganz zur Story passt. Nicht ganz unschuldig daran ist Triona Tree Farrell, die mit „Web of Black Widow“, „Rose“ und zahlreichen Cover-Arbeiten bereits gezeigt hat, was sie als Koloristin auf dem (Farb)kasten hat. Ihre Farben verstärken nochmals die Intensität.

Fazit:

Von Anfang an versprüht „Sleeping Beauties“ eine unheilschwangere Stimmung. Die Spannung steigt ins Unermessliche und man möchte dringend herausfinden, was es mit der mysteriösen Schlafkrankheit – und der mindestens ebenso mysteriösen Patientin 0 – auf sich hat. Die komplette Auflösung wird uns hoffentlich „Buch 2“ spendieren, welches der SPLITTER Verlag lieber gestern als heute ankündigen sollte.

Sleeping Beauties - Buch 1

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