Sandburg

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Marcel Scharrenbroich
5101

Comic-Couch Rezension vonAug 2021

Story

Von der Grundidee spannend und die thematisierte Vergänglichkeit des Lebens ist durchaus interessant, um darüber zu philosophieren. Leider kratzt „Sandburg“ da nur an der Oberfläche.

Zeichnung

Leicht über Mittelmaß. Stilistisch eine Frage des persönlichen Geschmacks, aber technisch wurde das interessante Setting leider vernachlässigt, um Nahaufnahmen der Klischee-Charaktere in den Vordergrund zu stellen.

Time Is (NOT!) On My Side

TICK-TACK-TICK-TACK…

Ein sonniger Morgen. Aus einem Spalt einer Felswand, der vermutlich in eine Höhle führt, tritt ein Mann. Noch völlig schlaftrunken, da er wohl in der steinernen Zweckbehausung genächtigt hat. Er ist Schmuckhändler und stammt ursprünglich aus Algerien. Der Ausblick auf den nahegelegenen Strand weckt jedoch den Eindruck, dass er sich gerade im Garten Eden befindet. Den Beobachter nicht merkend, entblättert sich dort eine attraktive junge Frau, um ein Bad im erfrischenden Nass zu nehmen. Der Fremde sucht im unebenen Gelände nach einem geeigneten Weg, denn er will ebenfalls hinunter zur idyllischen Bucht. Dort angekommen, findet er jedoch nicht die Frau vergnügt die Sonnenstrahlen genießend, sondern nur noch ihren leblosen Körper im Wasser treibend…

Kurz darauf treffen die ersten Badegäste ein. Eine Familie mit zwei Kindern. Die achtjährige Zoe und der dreijährige Felix. Kaum am Strand akklimatisiert, kommt der Arzt Charles samt Gattin Nathalie, Teenager-Tochter Sophie, dem jüngerem Sohn Louis und Schwiegermutter in Schlepptau an. Während die Eltern von Zoe und Felix bei ihrer Ankunft den im Gras schlafenden Algerier noch skeptisch beäugten, sucht Sophie etwas Abseits des Strand-Geschehens dessen Nähe und wagt einen ersten Kontaktversuch. Lange währt die Ruhe aber nicht, denn Louis und seine Großmutter finden die noch immer im Wasser treibende Leiche der jungen Frau. Entweder ist sie ertrunken oder es hat jemand nachgeholfen, da sind sich alle Anwesenden einig. Viel dazwischen gibt es ja auch nicht, doch Charles hat schnell ein Urteil gefällt: Der Ausländer war’s.

Und jetzt beginnt es merkwürdig zu werden: Wir Leser sind den verdutzten Badegästen gegenüber klar im Vorteil. Wir bemerken sofort, dass es sich bei der aus dem Wasser geborgenen Leiche keineswegs mehr um die schöne Unbekleidete handelt. Denn leblos im Sand liegt eine alte Frau. Doch auch Marianne, die Mutter von Felix, macht eine seltsame Entdeckung. Ihr Sohn scheint innerhalb von Minuten gewachsen zu sein. So sehr, dass seine Badehose zerreißt. Marianne wendet sich hilfesuchend an den Arzt, doch Charles muss sich zuerst um seine Schwiegermutter kümmern, die plötzlich aufgehört hat zu atmen…

Was geht an diesem eigentlich traumhaft schönen Ort vor sich? Als noch weitere Gäste eintreffen und sich bewahrheitet, dass keiner diesen Ort verlassen kann, macht sich Unbehagen breit. Ja, sogar Panik. Alle Anwesenden bemerken, dass irgendetwas mit ihnen geschieht. Ein Prozess, der sie alle befällt und der sich nicht aufhalten lässt. Sie werden… alt.

Sex? Echt jetzt?

Was sich nach astreinem Mystery-Stoff mit „Twilight Zone“-, „X-Factor“- oder „Outer Limits“-Vibes anhört, kann im Endeffekt leider nur bedingt überzeugen. Dass in einer solch bunt zusammengewürfelten Truppe Konflikte entstehen, ist bereits früh vorprogrammiert und Autor Pierre Oscar Lévy greift tief in die Klischee-Schublade. Wir haben den alltäglichen Rassismus, Vorurteile gegenüber Fremden, Familien am Rande des Nervenzusammenbruchs und Teenager, die selbst in einer Situation, wo jeder normale Mensch vor Panik im Achteck springen würde, nur ans Vögeln denken. Ja, kaum in Richtung Geschlechtsreife mutiert, geht es ab in die Büsche, während die Family sich gegenseitig die Falten zählt. Da hat die Story mich komplett verloren, die ich nur auf Grund ihrer interessanten Kernidee noch im Mittelfeld sehe. Sehr schade, denn von dem erstmals 2013 bei REPRODUKT veröffentlichtem Comic-Buch hatte ich mir deutlich mehr versprochen.

Die kräftigen schwarz-weiß-Zeichnungen von Frederik Peeters erfüllen zwar ihren Zweck, setzen aber die Figuren so stark in den Fokus, dass die Umgebung darunter leidet und in weiten Teilen zu sehr in den Hintergrund rückt. Dabei wäre es gerade der limitierte Handlungsort gewesen, welcher - hätte der Schweizer Künstler sich näher auf ihn konzentriert - eine weitaus bedrohlichere Rolle hätte einnehmen können. Dass ausgerechnet einer der schönsten Orte, die man sich vorstellen kann, zu einem Gefängnis ohne Fluchtmöglichkeit wird und einem dann auch noch (wortwörtlich) die Zeit bedrohlich im Nacken sitzt, ist eine absurd gute Idee, die besser hätte herausgearbeitet werden können. Für farbliche Akzente wäre ein solches Setting natürlich ebenfalls prädestiniert gewesen, aber vielleicht fehlte es einfach an… Zeit.

Die Höhen und Tiefen des M. Night Shyamalan

Auch wenn mich „Sandburg“ halbwegs enttäuscht zurücklässt, gab es wenigstens Einen, den der Stoff komplett umgehauen hat. Nachdem dem Regisseur M. Night Shyamalan der Comic „Sandcastle“ erstmals in die Hände fiel, war er sofort hin und weg von der Story. Und tatsächlich wäre er der erste Regisseur, der mir in den Sinn gekommen wäre, wenn es um eine Verfilmung des Werkes ginge. So kam es jetzt auch und unter dem Titel „Old“ läuft der Film seit Ende Juli 2021 in den deutschen Kinos. Die Kritiken fallen allerdings sehr gemischt aus, was für den Regisseur nichts Neues ist, da sein bisheriges Œuvre von „Brillant!“ bis „Der letzte Rotz!“ so ziemlich alles abdeckt.

Mit „The Sixth Sense“ hatte der gebürtige Inder Shyamalan 1999 seinen gefeierten Durchbruch und machte sich schnell einen Namen als Twist-König. Seine Filme sind bekannt für Holzhammer-Enden, die man (mehr oder weniger) nicht kommen sieht. Dass dieser Effekt nur eine begrenzte Haltbarkeit hat, musste er - nach dem mäßig erfolgreichen Fantasy-Drama „Das Mädchen aus dem Wasser“ (2006) - spätestens 2008 mit „The Happening“ schmerzhaft lernen. Schmerzhaft für ihn, da die Kritiken nicht gerade gnädig mit dem teils lächerlichen Plot umgingen, und schmerzhaft für uns Zuschauer, die wir Mark Wahlberg dabei zusehen mussten, wie er sich mit einer Zimmerpflanze unterhält. „Signs“ (2002) und vor allem „The Village“ (2004) deuteten zuvor schon leicht an, dass die Zuschauer die Machart seiner Filme langsam durchschauten und sich nicht mehr so leicht überraschen ließen. Mit „Die Legende von Aaang“ versenkte Shyamalan 2010 anschließend im Alleingang die erfolgreiche Realfilm-Version von „Avatar - Der Herr der Elemente“. Wer dachte, dass es danach nicht schlimmer kommen könnte, hat das Vater/Sohn-Gespann Will und Jaden Smith noch nicht gemeinsam agieren sehen. Der schreckliche Sci-Fi-Murks „After Earth“ (2013), dem inhaltlich immer wieder Parallelen zu den Lehren der Scientology-Bewegung nachgesagt werden, mutierte zum Kassengift und darf gut und gerne als Tiefpunkt im Schaffen des Regisseurs gesehen werden. 2015 ging es aber wieder aufwärts und Shyamalan legte mit dem humorvollen Psycho-Thriller „The Visit“ einen launigen Streifen vor, der ihn wieder in die Spur brachte. 2017 folgte mit „Split“ ein wahres Biest von Film, in dem James McAvoy als Antagonist mit gleich mehreren Persönlichkeiten (neben der Roman-Verfilmung „Drecksau“) die wohl beste Leistung seiner Karriere ablieferte. Dort hat auch das Ende mit Knalleffekt wieder richtig gezündet uns stellte eine Verbindung zum Film „Unbreakable“ her, der im Jahr 2000 nach dem Erfolg von „The Sixth Sense“ folgte. Das Finale von M. Night Shyamalans Trilogie gipfelte 2019 in „Glass“, womit der Auf-und-Ab-Regisseur die vielleicht realistischste Superhelden-Saga überhaupt vorgelegt hat.

Fazit:

Aus einem interessanten Plot wurde meiner Meinung nach nicht viel gemacht. Überdeckt von Klischees wurden viele Chancen liegengelassen. Dafür werden Stereotype en masse bedient, was mir einfach etwas zu plump ist. Dazu fehlt es an Identifikationsfiguren, die mich mit den Charakteren fühlen und leiden lassen. So lässt mich diese Extremsituation, in der der Gedanke an Sex scheinbar alle Sorgen überstrahlt, erschreckend kalt.

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