Red Cross

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Marcel Scharrenbroich
7101

Comic-Couch Rezension vonApr 2024

Story

Alten Genre-Hasen werden Motive durchaus bekannt vorkommen, was der Spannung aber nicht lebensbedrohlich ins Bein schießt. Interessant, dass wir mehr über die Figur Sumi erfahren.

Zeichnung

Ein gelungenes Lang-Debüt mit kleinen Abstrichen. Düstere Stimmung fängt Dom Valecillo jedenfalls ziemlich gelungen ein.

Niemand geht rein, keiner kommt raus

Der neue Gott: Technik

Krankenhäuser. Allein bei dem Gedanken daran stehen vielen von uns schon die Nackenhaare zu Berge. Ein Ort der Heilung, gewiss…, jedoch geben sich Leid, Tod und Trauer dort auch die (hoffentlich desinfizierte) Klinke in die Hand. Sumi ist dort, um die lebenserhaltenden Maßnahmen ihres Vaters einzustellen. Mit Trauer ist dieser Verlust für sie aber weniger verbunden. Eher mit Genugtuung und Erlösung. Da erübrigt sich die Frage, ob die beiden ein gutes Verhältnis zueinander hatten. Diesen Schritt hinter sich gebracht, möchte die junge Frau ihrem Leben auf dem Dach des Red Cross Hospitals selbst ein Ende setzen. Dazu kommt es nicht, denn vor dem Sprung in die dunkle Tiefe macht sie die Bekanntschaft von Sander. Er stand selbst schon an der Schwelle, an der auch Sumi jetzt steht, war aber nicht stark genug. Sander selbst ist Patient in dem Krankenhaus. Kein Gast auf Zeit, sondern in vollem Bewusstsein, dass er das Gebäude nicht mehr genesen verlassen wird. Er leidet an einem inoperablen Hirntumor. Wie einen alten Freund nennt er ihn „Mr. T“. Und der sorgt dafür, dass er Wesensveränderungen durchmacht und zudem Mühe hat, die Realität von vorgegaukelten Visionen zu unterscheiden. So entwickelt sich ein tiefgehendes Gespräch zwischen zwei verlorenen Seelen, die wohl beide nicht damit gerechnet hätten, an einem so trostlosen Ort einen Vertrauten zu finden. Nicht gesucht, trotzdem gefunden… könnte man meinen… doch die Nacht soll sich in eine gänzlich unerwartete Richtung drehen.

Nach einem Stromausfall soll nichts mehr so sein, wie es war. Das Krankenhaus riegelt sich automatisch von der Außenwelt ab. Die Technik, die mittlerweile in jeder noch so kleinen Apparatur verbaut ist, übernimmt jegliche Kontrolle. Noch schlimmer, dass die Insassen – egal, ob Angestellte oder Patienten – vom Wahnsinn befallen werden. Unberechenbar und wie ferngesteuert gehen sie aufeinander los. Meist mit fatalen Folgen. Das bleibt vor der Öffentlichkeit nicht lange geheim und so nimmt die mediale Berichterstattung ihren Lauf. Während Einsatzkräfte das ganze Gebäude abriegeln, um ja keinem Wahnsinnigen zu ermöglichen, eine etwaige Seuche in der Bevölkerung zu verbreiten, sind diejenigen, die innerhalb der Red-Cross-Mauern noch klar bei klarem Verstand sind, komplett auf sich gestellt. Unter ihnen auch Sumi und Sander, die verzweifelt um ihr Überleben kämpfen müssen.

Eine alte Bekannte

Erinnert dieses John-Carpenter-Belagerungsszenario doch sehr an eine Mischung aus den Filmen „Virus“ und „[REC.]“ (bzw. dessen US-Remake „Quarantäne“), ist es Autor Michael Mikolajczak zu verdanken, dass die Story noch eine nötige Tiefe bekommt. Allein Sanders Krankheit ist Auslöser für psychologische Spielereien zwischen Wahn und Wirklichkeit. Außerdem ist Sumi eine wiederkehrende Figur aus Mikolajczaks Erzählkosmos. 2021 erschien mit „Sumi“ (ebenfalls bei KULT COMICS) ein ebenso ambitioniertes wie experimentelles Werk, in dem 19 Künstlerinnen und Künstler die einzelnen Kapitel aus Michael Mikolajczaks Feder umsetzten. „Sumi“ hatte eine ähnlich spannende Ausgangslage, denn dort fanden sich einander fremde Menschen – darunter das Mädchen Sumi – urplötzlich in einem leerstehenden Schwimmbad wieder. Interessant wurde es so richtig, als die Gruppe sich ungewollt verkleinerte, da unter ihnen ein Killer umherging.

An die Vielschichtigkeit von „Sumi“ kommt „Red Cross“ nicht ganz heran. Dafür sorgen schon schablonenartige Figuren, wie der an Leukämie erkrankte Junge Luke und vor allem ein fanatischer Priester, um die die Gruppe Überlebender erweitert wird. Auch krankt es am flüssigen Storytelling. Als Leser können wir höchstens grob abschätzen, wie lange der Ausnahmezustand im Red Cross bereits anhält. Eine fehlende zeitliche Verortung wirft nicht selten Fragen auf, da den Gefangenen ziemlich schnell die lebensrettende Nahrung auszugehen scheint. Und das in einem modernen Krankenhaus. Solche fehlenden Details bzw. Logiklöcher werfen einen immer wieder aus der Handlung, denn warum werden – sollte tatsächlich so viel Zeit ins Land gezogen sein – keine sinnvollen Versuche unternommen, vermeintlich gesunde Menschen aus ihrer Todesfalle zu befreien, während religiöse Extremisten weltweit bereits vom Weltuntergang fabulieren? Fragen, die leider nicht zufriedenstellend beantwortet werden.

Vertraute Gesichter?

Dom Valecillo, der bereits in „Sumi“ Teil des Künstler-Kollektivs war, liefert mit „Red Cross“ seine erste längere Graphic-Novel-Arbeit ab. Der Musiker und Comic-Zeichner investierte fünf Jahre seines Lebens in die 184 Seiten des Comics. Herausgekommen ist ein düster-atmosphärischer Cocktail, dem es gelegentlich an Details fehlt. Ich hätte gerne mehr vom Ausmaß des Chaos gesehen, welches sich innerhalb des Gebäudes breitgemacht hat, doch dafür sind wir immer zu nah an den Charakteren dran. Gleichzeitig verstärkt der Zoom auf die Figuren aber auch das klaustrophobische Gefühl. An Blut und der damit verbundenen Härte wird dennoch nicht gespart.

Und ich würde wetten, dass ich sogar ein paar der Lieblingsfilme des Schleswig-Holsteiners erraten würde, welche offensichtlich Paten bei der Gestaltung der Nebencharaktere standen. So finden sich eindeutig Keanu Reeves („John Wick“), Jamie Lee Curtis („Halloween“), Ian McShane („Deadwood“) und Kris Kristofferson („Blade“) unter den Protagonisten.

Neben dem regulären Hardcover gibt es von KULT COMICS noch eine auf 49 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit anderem Cover-Motiv und signiertem Exlibris von Michael Mikolajczak und Dom Valecillo.

Fazit:

Anfänglich etwas zwiegespalten, wurde ich mit der Geschichte im weiteren Verlauf immer wärmer. Hier und da durchaus bekannte Motive, jedoch mit ausreichend kreativer Würze versehen. Künstlerisch mehr als solide, was besonders im filmischen Panelablauf gut zur beklemmenden Stimmung beiträgt.

Red Cross

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