Text:   Zeichner: Tom Bancroft

Opposite Forces

Opposite Forces
Opposite Forces
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonJul 2018

Story

Ein sympathischer Hauptcharakter, dem man alle Daumen drückt, damit er das (anfänglich zickige) Mädchen seiner Träume bekommt. Das Finale läuft zwar etwas aus dem Ruder, doch das soll Mr. Bancroft verziehen sein.

Zeichnung

Kurvig, dynamisch und beschwingt. Tom Bancroft zeigt, dass er die disneysche Zeichenkunst im Blut hat und verwöhnt uns mit tollen Charakteren. Lediglich die Kolorierung beißt sich gelegentlich.

Ein Vogel? Ein Flugzeug? Nein… es ist der Nerd von nebenan.

Superhelden & Superschurken (Klischee-Parade – Teil 1)

Captain Dynamo ist der heldenhafte Beschützer der beschaulichen Stadt Diamond City. Ausgestattet mit allen klassischen Superkräften und der obligatorischen Tarnung - als Pressefotograf Jack Gent – düst er durch die Lüfte und ist sofort zur Stelle, wenn Not am Mann… vorzugsweise aber Not an der Frau ist. Dabei ist sein öffentliches Geltungsbedürfnis mindestens ebenso groß, wie sein aufgeblasenes Ego. Apropos aufgeblasen: die Luft in seinen muskelbepackten Armen steht dem Vakuum zwischen seinen Ohren im Übrigen in Nichts nach. Für den breitgrinsenden Strahlemann mit der lässigen Föhnwelle ist sein Image alles und keine Kamera wird ausgelassen, um die funkelnde Kauleiste heldengerecht zu verewigen. Medienwirksam wird das Kleinkind aus der brennenden Wohnung gerettet, um es unter dem tosenden Applaus der Schaulustigen wieder in die Arme der erleichterten Mutter zu geben. So ist in Handumdrehen die nächste Titelseite gesichert und der Stammplatz in den abendlichen Nachrichten bleibt auch reserviert. Das Saubermann-Image wurde erfolgreich gepflegt und weiter geht es zu neuen Heldentaten…

Dass jemand, der so präsent in der Öffentlichkeit steht, auch Feinde anzieht, dürfte sich von selbst verstehen. Erst recht, wenn man ein Superheld ist… denn was wäre ein gestandener Cape-Träger ohne das passende Gegenstück? Was wäre Superman ohne Lex Luthor? Batman ohne den Joker? Die Avengers ohne Than… okay, schlechtes Beispiel. Spider-Man ohne Venom? Captain America ohne Red Skull? Barbie ohne Ken? Ernie ohne Bert? Richtig… NICHTS! Ohne ihre (fast immer) ebenbürtigen Gegenspieler wären die meisten von ihnen nur lustige Gesellen, die eine Vorliebe dafür haben, ihre Schlüpper über der Leggins zu tragen… wobei ich von der Sorte schon einige bei uns in der Stadt gesehen habe… aber das ist ein anderes Thema. Superschurken gehören einfach dazu. Einen solchen Erzfeind hat also selbstverständlich auch unsere Grinsebacke Captain Dynamo.

Auf dem Lichtjahre entfernten Planeten Tenalp schaltet und waltet der mächtige Imperator Gnik. Der grünhäutige, neilaianische Herrscher hat schon lange ein Glubschauge (ja nu, er hat nur Eins… was soll er machen?) auf unsere Erde geworfen. Nur Captain Dynamo war ihm bisher ein Dorn in eben diesem. Um seinen Erzfeind von der Platte zu putzen, verbrauchten Gnik und seine Schergen alle Ressourcen ihres Heimatplaneten, nur um eine Superwaffe herzustellen. Diese soll Dynamo allerdings nicht endgültig das Zahnpasta-Lächeln aus der Visage blasen, sondern ihn lediglich seiner Kräfte berauben. Ohne seine übermenschlichen Fähigkeiten müsste der Captain tatenlos bei der Eroberung der Erde zusehen. Ein demütigender Triumph für den fiesen Imperator Gnik… wenn denn alles nach Plan verläuft.

„Mr. Guckloch“ & die schöne Anwältin (Klischee-Parade – Teil 2)

Im gleichen Appartement-Komplex wie Captain Dynamos Alter Ego – Jack Gent – wohnt der gutmütige Vollblut-Nerd Marty Knopf, zusammen mit seinem drolligen Vierbeiner Bopper. Marty sitzt den lieben langen Tag vor dem heimischen Rechner (Klischee-Nr.1: check) und verdient sich seine Brötchen als Web-Designer. Der untersetzte (Klischee-Nr.2: check) Träumer liebt Comics (Klischee-Nr.3: check) und verfolgt mit kindlicher Freude die Heldentaten des lokalen Superhelden. Der Dauer-Single (Klischee-Nr.4: check) ist zudem heimlich in seine hübsche Nachbarin Alexis verknallt (Klischee-Nr.5: check)… traut sich jedoch nicht, den ersten Schritt zu machen und sie anzusprechen (Klischee-Nr.6: check). Stattdessen beobachtet er das Objekt seiner Begierde lieber anonym und ungesehen durch den Tür-Spion (uuuuuuund Klische-Nr.7: check).

Alexis Hilltop wohnt mit ihrer Freundin Jennifer direkt in der gegenüberliegenden Wohnung, wo den beiden jungen Frauen Martys heimliches Nachstellen nicht so verborgen blieb, wie er es sich dachte. Dies brachte ihm auch den internen Spitznamen „Mr. Guckloch“ ein. Nicht sehr nett, aber irgendwie… zutreffend. Während die schöne Anwältin auf der Karriereleiter hinaufklettert und sogar eine Partnerschaft in ihrer Kanzlei in Aussicht hat, nimmt sie Typen wie den armen Marty nur als Randnotiz wahr. Der durchtrainierte Blondschopf spielt augenscheinlich in einer anderen Liga. Einer Liga, in der ein Marty nicht mal auf der Ersatzbank sitzen würde. Oberflächliches Schubladendenken von oberflächlichen Snobs, die sich auf ihrer Sonnenseite des Lebens nicht die Mühe machen, auch nur einen Blick in die schattigen Regionen zu werfen. Dieses Phänomen gibt es im Allgemeinen übrigens auf beiden Geschlechter-Seiten zu beobachten, doch in diesem Fall zieht leider die attraktive Alexis den charakterlich Kürzeren.

I HAVE THE POWEEEEEEEER!!!

Wie dem auch sei… Ein ungewolltes Missgeschick sorgt eines Tages dafür, dass Captain Dynamos Zivil-Ich ein paar Wörtchen mit Marty wechseln möchte. Wutentbrannt macht Gent sich auf dem Weg zum Fahrstuhl…

Just in diesem Moment fasst unser sympathischer Geek sich ein Herz und will seine Angebetete ansprechen, als diese, in Begleitung ihres Hundes Waggles, gerade die Wohnung verlässt. Alexis befindet sich schon im Aufzug und hofft, dass die Türen sich schnell genug schließen, als sie „Mr. Guckloch“, ebenfalls samt vierbeinigem Begleiter, über den Flur hechten sieht. Sie hat allerdings nicht mit Martys flinkem Fuß gerechnet, der sich im letzten Moment zwischen die Tür quetscht. Geschafft! Da steht er nun… Auge in Auge mit seiner Traumfrau. *schluck*

Und dies ist der Moment, wo alle Fäden zusammenlaufen…

In dem Augenblick, in dem Jack Gent wutschnaubend den Aufzug-Knopf drückt, legt Lichtjahre entfernt Imperator Gnik (wir erinnern uns: der Grünling mit dem Glubschauge) den Schalter seiner noch unerprobten Superwaffe um und feuert einen eindrucksvollen Energiestrahl Richtung Erde. Dieser verfehlt sein menschliches Ziel nicht und stößt den guten Jack gehörig aus dem Anzug. Doch damit nicht genug. Der Strahl wird von seinem Körper weitergeleitet und dringt in die Elektrik des Fahrstuhls ein, saust nach oben und erwischt dort Alexis und Marty, die zeitgleich den Knopf zum Erdgeschoß betätigen. Durch die Wucht des Einschlags reißt das Stahlseil und die Kabine brettert ungebremst Richtung Keller. Während die Beiden erstaunlicherweise unverletzt der stählernen Todesfalle entsteigen, sieht es für den dampfenden Jack nicht ganz so gut aus. Sichtlich demoliert brabbelt er noch ein paar Worte, bevor der lebende Trümmerhaufen ins örtliche Krankenhaus transportiert wird.

Erleichtert, mit dem Schrecken noch mal davongekommen zu sein, verabschieden sich Alexis und Marty und gehen ihrer Wege. Doch… schon bald merken beide, dass irgendwas so ganz und gar nicht mit ihnen zu stimmen scheint. Marty schwebt einige Zentimeter über dem Boden und rennt mit einem Affenzahn, dass der Boden hinter ihm in Flammen steht. Und Alexis… die fliegt einfach mal ein paar Stockwerke nach oben und zerlegt mit einem Schlag das Mobiliar in ihrer Anwaltskanzlei. Mehr als überfordert mit der Situation muss das ungleiche Paar sich zusammentun und mehr über die plötzlich erhaltenen Fähigkeiten herausfinden. Auch Martys Hund Bopper wurde von dem Ereignis im Fahrstuhl nicht verschont… und wo ist eigentlich Waggles?

Gelernt ist gelernt

Bei „Opposite Forces“ handelt es sich um das Herzensprojekt von Tom Bancroft, der während seiner langjährigen Karriere auch im Dienst der „Walt Disney Feature Animation“ tätig war. Als Animator schuf er dort Figuren, die bestimmt jedem von uns schon mal über den Weg gelaufen sind. So stammt beispielsweise das Design vom kleinen Drachen Mushu, dem Otto Waalkes im Disney-Klassiker „Mulan“ seine deutsche Stimme lieh, vom talentierten Kalifornier Bancroft. Der junge Simba aus „Der König der Löwen“, Papagei Jago aus „Aladdin“ und „Pocahontas“ höchstpersönlich erweckte er ebenfalls zu animiertem Leben. Zudem verfasste er einige Lehrbücher zum Thema Character-Design, die weltweit anerkannt sind. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder Tony, der ebenfalls in der Animations-Branche tätig ist, führt Tom durch den Podcast „The Bancroft Brothers Animation Podcast“.

Der Disney-Ursprung lässt sich auch bei „Opposite Forces“ nicht verleugnen, denn der dynamische, beschwingte Stil, der so viele Disney-Werke unverkennbar macht, springt den Leser auch hier auf jeder Seite an. Man merkt förmlich, mit welcher Freude Tom Bancroft seine Figuren zum Leben erweckt. Regelmäßig brechen die Charaktere aus ihren Panels heraus, als ob es kein Halten für sie gibt. Dabei besitzen sie einen hohen Wiedererkennungswert und wachsen einem schnell ans Herz. Die Story an sich ist flott und sympathisch erzählt, wobei speziell die erste Hälfte überzeugt. Gegen Ende wird dann etwas zu viel aufgefahren und es wird unnötig hektisch… da wäre weniger mehr gewesen. Auch die grelle, knallbunte Kolorierung hätte etwas dezenter eingesetzt werden können. Da der Titel aber durchaus auch an ein jüngeres Publikum gerichtet ist, ist dies Meckern auf gehobenem Niveau.

Die deutsche Veröffentlichung von Dani Books beinhaltet die komplette Mini-Serie von „Opposite Forces“. Neben der Standard-Softcover-Ausgabe wird zudem noch eine auf 77 Exemplare limitierte Variant-Cover-Edition mit signiertem Druck von Tom Bancroft angeboten. Die Deluxe-Hardcover-Variante mit signiertem Druck und Original-Head-Sketch ist bereits vergriffen. Zusätzlich zur kompletten Story beinhaltet jede der Veröffentlichungen noch einen umfangreichen Bonusteil, der sich sehen lassen kann. Zusätzlich zum sympathischen und informativen Vorwort von Bancroft gibt es im hinteren Teil des Buches - neben einer zweiseitigen Kurzgeschichte - noch ganzseitige Artworks und Pin-Ups von namhaften Künstlern wie J. Scott Campbell, Humberto Ramos, Phil Noto, Frank Cho und anderen Comic-Größen zu bestaunen. Tom Bancroft liefert ebenfalls einige tolle Designs und gibt uns Einblicke in sein Sketchbook, in dem er auch einiges über die Entstehung seiner Charaktere verrät. So bekommt der deutsche Leser mit der Dani Books-Veröffentlichung ein umfangreiches Paket, das alles bietet, was es zum Thema „Opposite Forces“ zu finden gibt.

Fazit:

„Opposite Forces“ ist eine locker-leichte Superhelden-Story der etwas anderen Art, die durchaus gut unterhält und durch ihre Buddy-Movie-Thematik, in der ein ungleiches Paar – wohl oder übel – an einem Strang ziehen und sich zusammenraufen muss, zu gefallen weiß. Man merkt, dass der Künstler mit Freude bei der Sache war und ihm die Figuren am Herzen liegen. So wirkt „Opposite Forces“ zu keiner Zeit wie eine Fließband-Auftragsarbeit und kann durch augenzwinkernden Charme glänzen… auch wenn Bancroft gelegentlich zu sehr auf die Tube drückt und übers Ziel hinausschießt.

Opposite Forces

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