Neben der Spur

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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonAug 2018

Story

Von autobiographischen bis frei erfundenen Episoden ist alles dabei. Trotz vieler kleiner Einzelgeschichten ist ein roter Faden vorhanden, dem liebevoll gefolgt wird. Ein toller Erstling!

Zeichnung

Simpel aber effektiv. Das drollige Charakter-Design verfehlt seine Wirkung nicht und man möchte die zuckersüßen Figuren am liebsten tröstend in den Arm nehmen.

Überholspur

Spurlos

Eine uns unbekannte namenlose junge Frau beginnt ihr Studium an der Kunsthochschule. So weit, so unspektakulär… doch was uns auf den rund 200 illustrierten Seiten von „Neben der Spur“ erwartet, ist alles andere als öder Uni-Alltag, der zwischen Hörsaal und Universitätsgelände hin- und herpendelt. Das sympathische Persönchen lässt uns an seinem Leben teilhaben und erzählt interessante Episoden und Anekdoten, die den studentischen Trott zwar miteinbeziehen, aber auch tief ins Privatleben führen.

Angefangen von veganen Kommilitonen, die ihr schmerzfrei geerntetes Gemüse liebkosen als wäre es gestern noch lebensfroh und agil über eine Wiese gehüpft, über das erste verkaufte Bild, das unsere Studentin stolz in andere Sphären abdriften lässt, worauf sie sich in einem kurzen Anflug von Größenwahn mit dem Titel „Freischaffende Künstlerin“ adelt, bis hin zu Selbstzweifeln und Versagensängsten, die desillusionierend am Ego nagen. Gleichzeitig versucht unsere chaotische Kunst-Studentin noch ihren Alltag zu meistern, was dem kleinen Putz-Muffel manchmal ganz schön schwerfällt. Auch dem trostlosen Single-Dasein soll ein Ende bereitet werden und da trifft es sich doch ganz gut, dass ein Freund ihres Mitbewohners mal auf einen Besuch vorbeischaut…

So bekommen wir kleine und private Einblicke in lebensnahe Situationen, die die meisten von uns wahrscheinlich auch kennen. Die Nervosität vorm ersten Date. Schmetterlinge im Bauch. Gemeinsame Aktivitäten. Intime Momente. Den gemeinsamen Tagesablauf und… die alltäglichen Reibereien, die eine Beziehung so mit sich bringen kann.

Auch familiäre Kleinkriege finden ihren Platz. Vor allem, wenn man im Karriere-Schatten der eigenen Schwester steht… womit wir wieder bei den Selbstzweifeln wären. Der angehenden Künstlerin wird aber vollends der Boden unter den kleinen Füßchen weggezogen als ihr treuer – ebenfalls namenloser – Vierbeiner verschwindet. Beim gemeinsamen Pärchen-Spaziergang im Wald reißt der Hund sich bei seiner Jagd auf ein Eichhörnchen los und taucht nicht wieder auf. Für Studentin Namenlos bricht eine Welt zusammen. Jedoch lässt sie keine Möglichkeit ungenutzt, um ihren kläffenden Gefährten wiederzufinden. Selbst dann nicht, wenn ihre Beziehung darunter leidet und schon bald auf der Kippe steht…

Spurensuche

Viele der kleinen Einzelgeschichten sind mit einem thematisch passenden Titel versehen und füllen selten mehr als eine oder zwei Seiten. Oft reicht auch eine einzige, ganzseitige Illustration, um das Gefühlsleben des kleinen „Frolleins“ auf den Punkt zu bringen. Nicht selten wird dem Leser dabei warm ums Herz und es kann ein Kichern nur schwer unterdrückt werden. Auch Seufzer werden Euch gelegentlich entfleuchen, gefolgt von einem mitfühlenden „Aaaaaaaaawww…“. Ich bin mir sicher, dass viele Leute sich in der einen oder anderen Person wiederfinden werden… oder zumindest jemanden kennen, der so manche Charaktereigenschaft wiederspiegelt. Vielleicht sogar beides… wie bei mir.

Die Zeichnungen allgemein sind eher schlicht gehalten, was aber nicht als Nachteil zu sehen ist. Trotz der einfachen Darstellung bekommt man einen schnellen Zugang zu den knuffig-knuddeligen Charakteren und findet ebenso schnell den Einstig in die Welt der süßen Kunst-Studentin, angefangen mit dem ersten Tag an der Uni. Auf einem dünnen roten Faden tänzeln wir durch ihr Alltagsgeschehen, zwischen künstlerischen Ambitionen, Freude, Liebe, Trott und Tristesse. Mit einfachen und ehrlichen Mitteln werden wir dazu gebracht, dem drolligen Stehauf-Frollein alle erdenklichen Knubbel-Däumchen zu drücken. Der pointierte Witz – mal ausgesprochen und bissig auf den Punkt, mal durch simples aber effektives Minenspiel – erledigt den Rest, in diesem herzerwärmenden Wohlfühl-Comic.

Spurwechsel

„Neben der Spur“ stellt das Comic-Debüt der Künstlerin Valérie Minelli dar. Die junge Luxemburgerin verarbeitet darin teils autobiographische Erlebnisse aus der Zeit ihres Kunststudiums, als auch frei erfundene Erlebnisse. An der HBKsaar - der Hochschule der Bildenden Künste in Saarbrücken - wo Minelli im zarten Alter von 20 Jahren ihr Studium begann, merkte sie schnell, dass Kunstgeschichte ihr zu theoretisch war. Über den Umweg der Malerei landete sie schließlich in Comic-Kursen, wo sie sich deutlich besser aufgehoben fühlte. Mit dem „Bachelor of Arts“-Abschluss in „Freie Kunst“ schloss Valérie Minelli das Studium erfolgreich ab und begeistert zudem regelmäßig ihre 118.000 Instagram-Follower als „Mrs. Frollein“ mit neuen Zeichnungen und liebevoll gestalteten Bildergeschichten.

Mit dem Berliner Jaja Verlag fand sich ein toller Partner, der Valérie Minellis Erstlingswerk publizieren wollte und im Februar 2018 auch auf den Markt brachte. Der 2011 gegründete Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, jungen und aufstrebenden Künstlern und Autoren eine Plattform zu schaffen. Ein Blick in das Jaja-Programm beweist, dass sie dafür ein gutes Händchen haben. „Neben der Spur“ ist der beste Beweis dafür.

Fazit:

Mal himmelhoch jauchzend, mal zutiefst betrübt… Valérie Minellis namenloser Wuschelkopf mit Knuddel-Faktor 100 entführt den Leser in eine Cartoon-Welt, bei der nur wenige Striche reichen, um sie realistisch wirken zu lassen. Nah an der Figur und nah am Leben… und herzallerliebst. Und wenn die kleine Madame dann beim Hören eines guten Songs noch betrunken grölt „ICH WILL MEIN GESICHT ABREISSEN UND AUFESSEN!“, liegt man brüllend vor Lachen auf dem Boden.

Neben der Spur

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