Murdervale

  • Erko
  • Erschienen: August 2017
  • 0
Murdervale
Murdervale
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Marcel Scharrenbroich
7101

Comic-Couch Rezension vonFeb 2019

Story

Die Geschichte nimmt sich die Zeit, die sie braucht, damit die handelnden Charaktere sich entfalten können und eine Bindung zum Leser aufgebaut wird. Insgesamt gut und spannend erzählt… auch wenn gegen Ende mit Genre-Klischees zu rechnen ist.

Zeichnung

Klassische Zeichnungen in atmosphärischen Aquarellen. Übersichtlich und auf den Punkt. Detailliert, ohne künstlich aufgeblasen und überfrachtet zu sein. Die wesentlichen Dinge bleiben im Vordergrund… Victor, Sara und das unheilschwangere Städtchen Murdervale.

„Nur Arbeit und kein Spielen macht Jack zu einem gelangweilten Jungen“ -Jack Torrance

„…der perfekte Ort für einen Horrorfilm.“

So bezeichnet Victor gegenüber seiner Frau Sara das scheinbar verlassene Städtchen, mitten im Nirgendwo. Eigentlich wollten die beiden ein längst überfälliges Wochenende nutzen, um die Seele mal baumeln zu lassen. Eine solche Verschnaufpause hat vor allem Victor dringend nötig, da sein stressiger Bürojob ihn an den Rand eines Burnouts treibt. Auch in ihrer Ehe kriselt es, was überhaupt erst der Grund war, warum sich Victor so in seine Arbeit stürzte. Gebessert hat sich die häusliche Situation dadurch allerdings nicht… ganz im Gegenteil. Als er mal wieder – gestresst von Deadlines und chronischem Zeitdruck – Überstunden schiebt und anschließend daheim mit seiner vernachlässigten Frau aneinandergerät, folgt für das Ehepaar eine Schrecksekunde. Mitten im Streit bricht Victor plötzlich zusammen…

Erfreulicherweise fällt der Arztbesuch positiver aus, als es zuerst den Anschein machte. Körperlich sind keine Anomalien feststellbar, jedoch rät der Doc Victor sehr dazu, beruflich deutlich kürzer zu treten. Er solle mal ordentlich ausspannen, bevor ernstere Probleme auftreten. Mithilfe medikamentöser Unterstützung soll sich Victor Zeit nehmen und neue Kraft tanken, was er und Sara zum Anlass nehmen, einen schon lange aufgeschobenen Wochenend-Trip nachzuholen. Ein paar Tage am See, in der freien Natur, sollen für Erholung sorgen… und könnten das entzweite Paar gleichzeitig wieder zusammenbringen. Ein Warnschuss vor den Bug, der sich zum Positiven wenden könnte.

Während eines Zwischenstopps in einem abgelegenen Drugstore erkunden sie sich nach einem See in der Nähe. Vielleicht ein angrenzendes Städtchen, in dem man idyllisch die nächsten Tage verbringen kann. Der hilfsbereite Verkäufer lotst das Paar an einen nahgelegenen Ort, der allerdings nicht in den Karten verzeichnet ist. Hört sich doch gut an… wenig Trubel. Ein notdürftig aus Holzbrettern umfunktioniertes Ortsschild heißt die Neuankömmlinge willkommen, als der Tag sich dem Ende neigt:

WELCOME TO MURDERVALE

Victor und Sara machen in der menschenleeren Kleinstadt ein Hotel aus, welches erfreulicherweise – aber wenig überraschend – noch über freie Zimmer verfügt. Die alte Lady, die dort die Zimmer vermietet, hat die Höflichkeit zwar nicht mit Löffeln gefressen, aber wer weiß, wann sich in dieses entlegene Örtchen überhaupt mal ein Fremder verirrt. Tatsächlich kommen Victor und Sara sich gleich in ihrer ersten Nacht wieder näher und man könnte den Kurzurlaub wohl schon nach wenigen Stunden als Erfolg verbuchen, wenn sich nicht die mysteriösen Vorkommnisse häufen würden…

Noch in der gleichen Nacht klopft es an ihrer Tür, doch als Victor nachschaut, findet er niemanden vor. Nur ein herrenloser, leerer Korb steht auf dem Boden. Sehr merkwürdig… Auch die frischen Fußspuren im Zimmer machen Victor am nächsten Morgen stutzig. Diese Gedanken sind nach einem entspannten Tag am See und anschließender Erkundungstour durch Murdervale aber verschwunden. In der folgenden Nacht wird er jedoch von bizarren Halluzinationen geplagt, die er aber auf seine verschriebenen Medikamente schiebt. Zudem beobachtet er eine maskierte Gestalt, die unter ihrem Fenster auf dem Gehweg steht und ihn direkt anblickt. Verliert Victor langsam den Verstand?

Gerädert und übermüdet ist nach Sonnenaufgang nichts mehr von Ruhe und Gelassenheit zu spüren. Um ihrem Mann etwas Gutes zu tun und ihn bei seiner Genesung zu unterstützen, macht Sara sich auf, um ein ordentliches Frühstück zu besorgen. Victor wartet derweil in ihrem Zimmer, doch… Sara kehrt nicht zurück.

Freiräume

Der spanische Autor und Zeichner Vicente Cifuentes, der bereits in zahlreiche Projekte aller großen Verlage – darunter auch die Branchen-Riesen MARVEL und DC – involviert war und auch die bei uns im Splitter Verlag erschienene Literatur-Adaption „Der Krieg der Welten“ illustrierte, lässt sich erstaunlich viel Zeit, um seine beiden Hauptcharaktere einzuführen. Erstaunlich ist dies vor allem, da die gesamte Geschichte auf nur 52 Seiten erzählt wird… von denen die ersten auch noch aus einer Rückblende bestehen. Dennoch lässt er sich nicht hetzen und gibt Victor und Sara genügend Freiräume, die sie dem Leser näherbringen. Dadurch baut sich eine Sympathie mit den Protagonisten auf, die mitfiebern lässt. Ihre Probleme sind irdischer Natur, bodenständig und real. Das Ehepaar wird greifbar, besitzt Formen, mit nur allzu vertrauten Ecken und Kanten. Das entspannte Erzähltempo lässt das schleichende Grauen langsam einziehen. Holzhammer-Horror, der urplötzlich aus den Panels springt sucht man vergebens, was sehr zu begrüßen ist. Die dichte Atmosphäre steigert sich langsam, aber stetig. Auch wenn Cifuentes sich einiger Genre-Klischees bedient, der Story gegen Ende etwas die Puste ausgeht und sie das hohe, vorher erzeugte Mystery-Niveau nicht konstant halten kann, ist ein kurzweiliges Suspense-Drama herausgekommen, welches die Charaktere und ihre Probleme in den Vordergrund stellt.

Cifuentes liefert zeichnerisch mehr als ordentlich ab und nutzt einen klassischen Stil, ohne große visuelle Experimente. Dies ist sehr zu begrüßen, da die Geschichte so konstant im Vordergrund bleibt und nicht durch irgendwelchen style-over-substance-Schnickschnack verwässert wird. Nicht jede Erzählung braucht Splash-Pages, die dem Leser ins Gesicht springen, nur um zu zeigen, was das Medium Comic auf dem Kasten hat. Auch bei der Kolorierung geht es angemessen reduziert zu. Harmonische und weiche Aquarelle passen sich den jeweiligen Örtlichkeiten und Situationen an, während die markanten schwarzen Outlines dafür sorgen, dass die Figuren nicht in den detaillierten Kulissen untergehen.

Fazit:

„Murdervale“ bietet spannende – wenn auch kurze – Mystery-Unterhaltung. Genre-Freunde dürften ihren Spaß an dem optisch gelungenen Hardcover-Album aus dem Erko Verlag haben. Große Überraschungen und innovative Experiment bleiben zwar aus, dafür lässt sich der Band entspannt und ohne Augen- und Hirn-Verrenkungen lesen.

Im Anhang finden sich – neben einem Brief von Victor an Sara - noch einige Zeichnungen von Cifuentes‘ Künstler-Kollegen, wie Mikel Janin („Batman“, „Justice League Dark“), Rafa Sandoval („Catwoman“, „X-Men: Legacy“) und dem umstrittenen Ardian Syaf („Batgirl“, „Batman/Superman“), welcher von MARVEL vor die Tür gesetzt wurde, nachdem er antisemitische Botschaften in die erste US-Ausgabe von „X-Men: Gold“ einbaute.

Murdervale

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