Leeeeet’s do the Tiiiiime-Warp agaaaaaaaaaaain…
…and again, and again, and again, and…
Eigentlich hatte Micky seiner Dauerfreundin Minnie einen abendlichen Theaterbesuch versprochen, doch das Treffen zum gemeinsamen Ticket-Kauf muss der rasende Reporter leider gänzlich seiner besseren Hälfte überlassen. Die Chance auf eine Knaller-Reportage kann er sich nicht entgehen lassen und eigentlich sollte Minnie dafür doch Verständnis haben… oder? Pustekuchen. Ganz und gar nicht verständnisvoll keift sie ihm ihren Unmut via Handy ins übergroße Mäuse-Ohr. Da fragt man sich, ob die kleine Dame überhaupt ein Handy braucht… bei dem Organ? Unter Androhung nicht näher definierter Gewalt, wird dem eingeschüchterten Micky zu verstehen gegeben, dass er am Abend besser pünktlich vorm Theater steht, sonst… sonst KNALLT’S!
Sollte eigentlich zu machen sein, denkt sich Micky, der bereits auf dem Weg zu seiner Reportage ist. Angekommen an der mitgeteilten Adresse, bemerkt er, dass diese zu einem Friseursalon gehört. Hm, merkwürdig… hier soll eine unfassbar wichtige Story schlummern? Micky betritt den Laden. Niemand da. Kaum auf dem alten Friseurstuhl platzgenommen, saust dieser unvermittelt in die Tiefe. Auf dem Boden der Tatsachen angekommen, stellt der verblüffte Mäuserich fest, dass er in einem ziemlich chaotischen Labor gelandet ist. Dieses leitet Professor Dublex… zusammen mit seinem zerstreuten Bruder Ecks. Die zwei Affen (es sind WIRKLICH Affen) halten mit ihrer neusten Erfindung nicht lange hinterm Berg und präsentieren… TA-DAAAAAA: Eine Zeitmaschine!
Diese Zeitmaschine – in Form eines modifizierten Friseurstuhls – funktioniert allerdings nur mit der gleichzeitigen Einnahme einer speziellen Tablette. Dank der (lest folgende Stelle bitte mit einem sarkastischen Unterton) präzisen und sorgfältigen Arbeit der beiden hochqualifizierten Wissenschaftler und ihrer bis ins kleinste Detail ausgefeilten Erfindung, kann sogar ein genaues Datum für eine Zeitreise festgelegt werden. Micky, der natürlich als Testperson fungieren soll, entscheidet sich für den 14. Juli 1789… den Sturm auf die Bastille. Er wirft die Wunderpille ein und noch bevor der Computer überhaupt mit den Zielkoordinaten programmiert ist, kracht ihm die umgebaute Trockenhaube auf den Schädel. Was im Normalfall höchstens in einer dicken Beule und einem angefressenen Reporter resultieren würde, trägt aber hier ganz andere Früchte, denn mit einem lauen „PUFF“ ist Micky wie vom Erdboden verschwunden…
Glaubt Herr Maus anfänglich noch, dass die Zeitreise funktioniert hat, muss er bald feststellen, dass er am Paris den 18. Jahrhunderts minimal vorbeigerauscht ist. Spätestens als Micky Auge in Auge mit einem Dinosaurier steht ist klar, dass das Experiment gehörig aus dem Ruder gelaufen ist. Hals über Kopf geht die Hatz durch den prähistorischen Urwald, bis ein erneuter Schlag auf die Nuss zum nächsten Zeitsprung führt… ins Jahr 1907!
„Straßen? Wo wir hinfahren, brauchen wir keine… Straßen.“
„Mickys Reisen durch die Zeit“ ist der insgesamt siebte Band der Disney-Hommage-Reihe, in der namhafte Künstler den bekannten Charakteren ihre Stempel auf die Knollennase – oder wahlweise den Schnabel – drücken. Und recht schnell bemerkte ich, dass dieser Band das Zeug für die Spitzen-Platzierung innerhalb dieser Kollektion hat. Rasant und humorvoll von Szenarist Dab’s geschrieben, folgen wir Micky Maus in ein haarsträubendes Abenteuer, welches kaum Luft zum Atmen lässt. Knall auf Fall (wortwörtlich zu verstehen) werden die Epochen gewechselt, was durchgängig großartige und spannende Unterhaltung verspricht. Vom Schützengraben ins alte Ägypten, von der Stippvisite in Leonardo da Vincis Atelier zu sympathischen Höhlenmenschen und vom Deck von Kolumbus‘ Santa Maria ohne Umwege zur ersten Mondlandung… wenn das kein wilder Trip ist, weiß ich es nicht!
Der häufige Wechsel der Schauplätze ist natürlich auch eine Steilvorlage für jeden kreativen Künstler und so merkt man Zeichner Fabrizio Petrossi förmlich an, welchen Spaß er bei der Arbeit gehabt haben muss. Hier konnte er sich richtig austoben und verpasst dem überdrehten Abenteuer einen NOCH überdrehteren Stil, der hervorragend funktioniert. Die Bezeichnung „Cartoon-Stil“ wird auf die Spitze getrieben und müsste für seine Darstellungen eigentlich neu definiert werden. Ecken und Kanten sucht man in seinen vollgepackten Panels vergeblich. Geschwungene Linien, überzeichnete Figuren und losgelöste, sich anscheinend verflüssigende Formen soweit das Auge reicht.
Hat mich im Hommage-Band „Micky und der verlorene Ozean“ noch die glasklare und leuchtende Inszenierung von Silvio Camboni regelrecht zerstört (im positiven Sinne), kann ich Petrossis Stil mindestens genau so viel abgewinnen. Hier zeigt sich eindeutig die Stärke, die die Disney-Hommagen allesamt eint: Die Interpretations-Vielfalt der europäischen Comic-Künstler, die sich zwar vor der klassischen Welt von Walt Disney verneigt, aber zeitgleich etwas komplett Neues und Eigenständiges erschafft… und das Band für Band.
Fazit:
Da die Hommage-Reihe eher im höherpreisigen Segment angesiedelt ist, eignet sie sich wohl am ehesten für eingefleischte Sammler und ausgewiesene Donaldisten. Jedoch sollten auch Gelegenheitsleser und Disney-Sympathisanten mal zwei bis drei Blicke riskieren, denn hier bekommt man liebevoll inszenierte Disney-Kost auf extrem hohen Niveau serviert. Auch bei „Mickys Reisen durch die Zeit“ hat der Egmont Verlag erneut hochwertige Arbeit geleistet und das edle Hardcover im Großformat wieder mit Halbleinen-Einband und Spotlack-Akzenten veredelt. Immer wieder ein Genuss… vor allem, da auch der Inhalt dem äußeren Erscheinungsbild in nichts nachsteht.
Dab's, Fabrizio Petrossi, Egmont
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