Micky und der verlorene Ozean

Micky und der verlorene Ozean
Micky und der verlorene Ozean
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonJun 2018

Story

Solider Plot mit frischer, unkonventioneller Abwechslung. Eine interessante Ausgangssituation, die ihre Ursprünge, sowie eine zeitliche Verankerung aber leider im Dunkeln lassen.

Zeichnung

Über jeden Zweifel erhaben! Die liebgewonnenen Charaktere sahen nie besser aus und die strahlenden Farben bilden das optische Sahnehäubchen.

Micky goes Steampunk

Trio mit 2 Hirnen. Obwohl…

…Goofy – Hundshausens fleischgewordener Blitz in der Pfanne –, der neben Micky und Minnie zum sympathischen Dreiergespann dieser Geschichte gehört, diesmal mehr Grips im Kopf hat, als ein Spatz Fleisch an der Kniescheibe und somit gegensätzlich zu seiner sonst bekannten und gewohnten Tollpatschigkeit in Erscheinung tritt... so ganz kann der liebenswerte Tölpel aber dann doch nicht aus seiner Haut und eine charmante Dröseligkeit blitzt – wenn auch nur kurz – immer mal wieder durch. Moment… Goofy und intelligent? JA! Dies mag der Tatsache geschuldet sein, dass wir es hier mit einem Band der Disney-Hommage-Reihe zu tun haben, in der namhafte europäische Künstler ihre Interpretationen des Enten-/Mäuse-Universums zum Besten geben. Diese können auch gerne mal von den bekannten, disneyschen Lesegewohnheiten abweichen und so wird den liebgewonnenen Charakteren, mit denen wohl (fast) jeder von uns aufgewachsen ist, ihre Version aufs Kullerauge gedrückt.

Den Anfang macht der Schweizer Comic-Künstler Bernard „Cosey“ Cosandey mit dem Band „Eine geheimnisvolle Melodie - oder wie Micky seine Minnie traf“, der – wie der Name schon sagt – vom Kennenlernen des Mäuse-Paares handelt. Natürlich frei und neu interpretiert. Die zweite Hommage stammt aus der Feder von „Herr Hase“-Schöpfer Lewis Trondheim, der auch schon „Spirou & Fantasio“ in Szene setzte und aktuell mit „Maggy Garrisson“ ein heißes und erfolgreiches Eisen im Feuer hat… sogar drei, wenn man ganz pingelig ist. Sie trägt den Titel „Mickey’s Craziest Adventures“ und wurde von Nicolas Keramidas bebildert. In „Micky Maus – Café Zombo“ erinnern die Zeichnungen von Régis Loisel an die Anfangstage des Mäuserichs und kommen im ungewohnten Querformat daher. Ebenfalls in der Vergangenheit schwelgt der vierte Hommage-Band. Mit „Die jungen Jahre von Micky“ präsentiert sich dem Leser ein gealterter Charakter, der seinem Enkel den ein oder anderen Schwank aus seinem bewegten Leben erzählt. Blumig ausgeschmückt und abenteuerlich übertrieben… wie Großväter halt so sind. Nun legt der Egmont Verlag den fünften Titel vor, der optisch umwerfend in Szene gesetzt wurde und somit ein wahres Fest für die Augen ist:

„Micky und der verlorene Ozean“

Am Anfang der Geschichte befinden sich Micky, Minnie und Goofy in einer verschneiten, vereisten Einöde im Norden des Urals. Zeitlich wird das Geschehen im 17. Jahr nach dem „großen Konflikt“ eingeordnet. Aber von welchem Konflikt ist hier die Rede? Weltkrieg? Apokalypse? Zombie-Seuche? Hat Dagobert sich an der Börse verspekuliert? Man weiß es nicht… Jedenfalls befindet sich das Trio mitten im stürmischen Schneetreiben auf einer Expedition. Ihr Ziel ist der wertvolle Brennstoff Koralit, der sich in einem gesunkenen Schwertransporter befindet. Tief auf dem Grund des Wassers, verborgen unter einer dicken Eisschicht. Mit einer altertümlichen Tauchausrüstung, die auch glatt einem Jules Vernes-Roman entsprungen sein könnte, macht Micky sich auf den Weg zum Wrack. Koralit verhindert, dass er bei seinem frostigen Tauchgang nicht sofort den kleinen Löffel abgibt und versorgt ihn auf seinem Weg in die Tiefe mit ausreichend Wärme. Mitten in der Bergung geschieht allerdings etwas Unvorhergesehenes: Kater Karlo erscheint mit seinem Luftschiff, inklusive schurkischer Gefolgschaft, auf der Bildfläche und ist seinerseits ebenfalls an dem versunkenen Wrack interessiert. Nun… eigentlich gilt sein Hauptaugenmerk natürlich dem Koralit, aber ein Kater seines Kalibers fackelt nicht lange und greift sich mit der mechanischen Kralle seines Zeppelins einfach das ganze Schiff. Ohne Rücksicht auf Verluste wäre es beinahe um Micky geschehen, doch dieser kann sich mit einem geborgenen Tank des Wracks an die Oberfläche retten, bevor der Schneesturm zu Höchstform aufläuft. Glücklich, nicht umsonst ihr Leben riskiert zu haben, treten die drei Freunde die Heimreise an…

Zurück aus den eisigen Gefilden folgt schnell die Ernüchterung: 125 Gramm Koralit. Das war alles, was sie bergen konnten. Ein Fliegens@%&ss verglichen mit Karlos Ausbeute! Die Enttäuschung und der Ärger sind groß. Jedoch findet Goofy unter den Trümmern des Tanks einen seltenen Niederfrequenz-Modulator (häh… ich hätte NIE gedacht, dass ich die Worte „Goofy“ und „Niederfrequenz-Modulator“ JEMALS in einem Satz verwenden würde…), der auch schnell Verwendung finden soll. Eingebaut in den sogenannten „Autoskaph“ – ein mechanischer Taucher, welcher sich von Micky mit einer Art VR-Brille via Gedankensteuerung lenken lässt – soll er unseren Freunden bei der Bergung eines Artefakts aus dem Nemeidengraben helfen. Dieses seltene Artefakt ist der Mittelpunkt eines nationalen Wettbewerbs, an den eine Belohnung für den Finder geknüpft ist. Trotz des erneuten Auftauchens von Kater Karlo und seinen Schergen gelingt es, das Objekt in Sicherheit zu bringen. Yippiiieeeee!

Als Micky, Minnie und der Lange an zuständiger Stelle eintreffen, um den gefundenen Würfel aus Granit gegen die angepriesene Belohnung einzutauschen, erfahren sie, um was es sich bei ihrem Fund tatsächlich handelt: einen popeligen Würfel aus Granit. Der JEMAND, der dem Trio diese offensichtliche Enttäuschung offenbart ist jedoch nicht IRGENDJEMAND, sondern Professor Wunderlich… seinerseits der Entdecker der koralitischen Verbrennung. Er bietet ihnen einen Platz in seinem Team an, da der Prototyp des „Autoskaph“ seine Feuertaufe bei der Suche nach dem vermeintliche wertvollen Artefakt erfolgreich bestanden hat und auch weiterhin von großem Nutzen sein soll. Er soll bei der Neutralisierung einer verlorenen Waffe helfen, die den „großen Konflikt“ erneut heraufbeschwören könnte. Nach kurzer Überlegung willigen Micky und seine Freunde ein… es sind halt Ehrenmänner… Ehrenmäuse… -hunde… ihr wisst schon…

Gedanklich erneut mit dem „Autoskaph“ gekoppelt, taucht Micky wieder hinab in die Tiefe. Alles verläuft zunächst planmäßig. So weit, so gut… bis… Plötzlich bemerkt er, dass etwas nicht stimmt. Er verliert die Kontrolle. Jemand hat Zugriff über die neuronale Schnittstelle und übernimmt den „Autoskaph“. Micky taumelt panisch und fremdgesteuert durch die Tiefe, dann wird es dunkel um ihn… Ein surrealer Moment des Abdriftens und als Micky nach diesem augenscheinlichen Filmriss die Augen öffnet… sind fünf Jahre vergangen… und NICHTS ist mehr, wie es war…

Bildgewaltig!

„Farben… diese Faaaaarben!“ Das war mein erster Gedanke, beim Blick auf das aufwendige Motiv auf der Front des Hardcover-Bandes. Da kannte ich auch den Inhalt noch nicht… der hat mich dann endgültig niedergestreckt. Denn anders, als in vielen anderen Comics, wo das Cover noch das künstlerisch aufwendigste Element darstellt und einen ähnlich anspruchsvollen Inhalt nur suggeriert - nur um den Leser alsbald ernüchtert zurückzulassen - dreht „Micky und der verlorene Ozean“ nach dem Aufklappen erst so richtig auf!

Auch wenn die solide erzählte Story von Denis-Pierre Filippi keinen Innovations-Preis gewinnt, kann man als Disney-Freund mit dieser opulenten Hommage eine Menge Freude haben. Die endzeitliche Ausgangssituation mit Steampunk-Touch übt durchaus ihren Reiz aus und auch die Charaktere, die mal gegen den Strich besetzt sind, sorgen für gelungene Abwechslung. Gut… Micky IST und BLEIBT Micky. Kühn, draufgängerisch und altklug. Minnie jedoch ist taff, selbstsicher und nicht bloß ein Anhängsel des Titelhelden, was ihr sehr gut zu Gesicht steht und ihren Charakter von verjährten, eindimensionalen Eigenschaften löst. Goofy – wie anfänglich bereits angesprochen – wirft mit wissenschaftlichen Fachbegriffen um sich und wirkt erschreckend schlau. Gewöhnungsbedürftig, aber eine nette Abwechslung zum dauerhaft etablierten Tollpatsch mit dem unbeholfenen, befremdlichen Gegluckse. Auch der vermeintlich ewige Widersacher – Kater Karlo – darf mal auf der anderen Seite glänzen.

Der Star von „Micky und der verlorene Ozean“ ist aber unumstritten die brillante Optik! Ein Wahnsinn, was Silvio Camboni da aufs Papier gezaubert hat. Mit fast selbstverliebter Detailgenauigkeit zelebriert der Künstler die Freiheiten, die der losgelöste Band ihm bietet und tobt sich großflächig aus. Jedes Panel versprüht den klassischen Disney-Charme und besticht durch eine fast greifbare Tiefe. Die Szenerie ist beeindruckend und aufwendig dargestellt. Richtig lebendig wird Cambonis Welt aber erst durch die strahlende Kolorierung von Gaspard Yvan. Was Yvan – assistiert von Jessica Bodart – hier geschaffen hat, ist an Atmosphäre und Stimmigkeit kaum zu übertreffen. Egal ob frostige Schneelandschaft, blühende Wälder, kristallig schimmernde Ozeane mit strahlendem Himmel oder berauschende Tiefseewelten… farbig warm und einladend. Harmonische Schattierungen verleihen zusätzliche Dynamik, die Cambonis Zeichnungen fast dreidimensional erscheinen lassen. Ein optischer Hammer, der zum Verweilen und (im wahrsten Sinne) Eintauchen einlädt.

Mjam…

DAS nenne ich mal einen optischen Leckerbissen! Der Egmont Verlag rückt das künstlerisch anspruchsvolle Werk ins perfekte Licht und spendiert ihm damit eine gebührende Veröffentlichung. Der bordeauxrote Leinenrücken des hochwertig gebundenen Hardcover-Bandes fällt bereits positiv ins Auge und die Verzierung des grandiosen Front-Motivs lässt weiter staunen. Die mechanischen Apparaturen, die Silvio Cambonis Zeichnung einrahmen, sind mit einem schimmernden, metallischen Effekt versehen, der sich eindrucksvoll vom eigentlichen Motiv abhebt. Zusätzlich verfügt der Titel-Schriftzug über eine Spotlack-Veredlung. Ebenso das Motiv auf der Rückseite. Auf dem hochwertig-dicken, matten Papier kommen alle künstlerischen Aspekte hervorragend zu Geltung.

Fazit:

Ich kann „Micky und der verlorene Ozean“ eine klare Empfehlung aussprechen, auch wenn der neuste Teil der Disney-Hommage-Reihe - gemessen an seinem Umfang – nicht gerade für einen schmalen Taler zu haben ist. Silvio Cambonis grandiose Zeichnungen, Gaspard Yvans umwerfende Kolorierung und die gebotene Qualität seitens Egmont beseitigen jedoch direkt beim Aufklappen des Bandes alle Zweifel und lassen dem schnöden Mammon nicht hinterhertrauern… wir sind ja hier nicht im Geldspeicher und heißen Dagobert Duck.

Für Oktober 2018 sind bereits zwei weitere Bände der Hommage-Reihe angekündigt. In „Donald’s Happiest Adventures: Auf der Suche nach dem Glück“ widmen sich erneut Trondheim und Keramidas dem Disney-Universum und rücken Entenhausens Lieblings-Choleriker in den Fokus. Bei Texter Dab’s und Zeichner Fabrizio Petrossi geht es mit „Mickys Reisen durch die Zeit“ dann um einen wilden Ritt quer durch die Geschichte. Für Nachschub ist also auch in Zukunft gesorgt.

 

Cover-Abbildung © 2018 Disney

Micky und der verlorene Ozean

Denis-Pierre Filippi, Silvio Camboni, Egmont

Micky und der verlorene Ozean

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