Jessica Jones: Blind Spot - Im Visier

Jessica Jones: Blind Spot - Im Visier
Jessica Jones: Blind Spot - Im Visier
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonSep 2020

Story

Ein packendes Crime-Drama, das sich immer mehr zum Mystery-Thriller wandelt. Autorin Kelly Thompson zeigt, dass JJ auch ohne Bendis hervorragend funktioniert.

Zeichnung

Die ersten fünf Kapitel – und somit die Kern-Story – sind eine optische Wucht! Düster und in vielen Momenten fast fotorealistisch.

Power-Mom

Cold Case

Da sitzt sie, die gute Jess. Angekettet auf einem Stuhl und im lasziven Superheldinnen-Dress. Wer Miss Jones kennt, dürfte wissen, dass ihr sowas gewaltig den Tag versauen kann. Und ebenso, dass man sie nicht unbedingt bis aufs Äußerste reizen sollte. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen?

Eigentlich beginnt die Geschichte mit einem schönen Tag. Gemeinsam mit Göttergatte Luke Cage und Töchterchen Danielle genießt die junge Familie ein wenig Freizeit im Park. Als Workaholic kann Jessica solch seltene Momente aber nur halbwegs genießen und schon bald ruft wieder die Arbeit. Als sie die Räume ihrer Detektei Alias Investigations betritt, wartet allerdings mehr als nur Papierkram auf sie. Sie stolpert regelrecht über die Leiche einer jungen Frau. Zur großen Überraschung ist das Opfer keine Unbekannte für Jess. Dies wird sie dem Officer, der gerade mit einer Waffe im Anschlag hinter ihr steht und sie unsanft zum Verhör aufs Revier schafft, aber nicht sagen. Jessica hält sich zurück und beschränkt sich lediglich auf die Nennung des Namens, bevor ihr Anwalt Matt Murdock sie aus der unangenehmen Verhör-Situation befreit.

Dia Sloane, so der Name der Toten, war vor sechs Jahren Jessicas Klientin. Sie suchte die Alias-Detektei auf, weil sie Gewissheit wollte, dass ihr gewalttätiger Freund Jared fremdgeht. Als wären Handgreiflichkeiten jeder Art nicht schon genug Grund, die Reißleine zu ziehen… Bevor Jess den Fall aufklären konnte, verschwand Dia spurlos und sie verfolgte ihn nicht weiter. Nun hat sie die Vergangenheit eingeholt. Jessica nimmt die Ermittlungen wieder auf und gerät schon bald in Bedrängnis. Erneut hält ihr ein Unbekannter eine Waffe an den Kopf… nur, dass er dieses Mal abdrückt.

Kein Neuling

Jessica Jones ist nicht erst mit ihrer NETFLIX-Serie, die nach drei Staffeln eingestellt wurde (wie auch die ihrer Kollegen „Daredevil“, „Luke Cage“, „Iron Fist“ und das gemeinsame Team-Up in „The Defenders“), im MARVEL-Kosmos aufgeschlagen. Eingeführt wurde sie bereits im Jahr 2001. Unter dem MAX-Imprint, welches sich vornehmlich an erwachsene Leser richtete und nicht mehr den strengen Regeln der Comic Code Authority unterlag, ging MARVEL direkt mit einem gänzlich neuen Charakter an den Start. Erschaffen von Comic-Autor Brian Michael Bendis, brachte Jessica Jones es mit ihrer Solo-Reihe „Alias“ auf ganze 28 US-Hefte, die Panini für die deutschen Leser in zwei dicke Megabände packte. Einen weiteren Megaband füllten die 18 ausgaben der 2016-Serie, die MARVEL unter dem NOW!-Banner veröffentlichte. Erst in Ausgabe #28 der „Alias“-Serie verpasste Bendis Jessica Jones einen Background. So war Jones schon eine Schulkameradin von Spider-Man Peter Parker. Rückwirkend bekam sie die Superheldinnen-Identität Jewel verpasst, die ihre Kräfte durch den Kontakt mit radioaktiven Substanzen erhielt. In „Alias“ war sie allerdings weit vom Saubermann… öh, -frau-Image entfernt. Sie soff, vögelte und prügelte, was das Zeug hielt. Abgefuckt vom ganzen Superhelden-Kram. Erst ihre Beziehung zu Power Man Luke Cage führte ihr Leben wieder in geordnetere Bahnen. Töchterchen Danielle war natürlich der Hauptgrund, ein vorbildlicheres Dasein zu führen. So wurde Jessica Jones sogar zum Mitglied der Avengers, was ohne ein Ausbrechen aus dem MAX-Imprint nicht möglich gewesen wäre, da aufgrund des dortigen Gewaltgrades und des ausgiebigen Alkohol-, Drogen- und Nikotin-Genusses keinerlei Crossover aus dem laufenden Kanon möglich gewesen wären.

>KLICK!<

Ist das noch Comic oder schon ein Foto-Roman? Keine Sorge, es IST noch Comic. Allerdings so realistisch gezeichnet, dass die Grenzen regelrecht zu verschwimmen scheinen. Dabei wirkt die Mimik erfreulicherweise nicht wie eingefroren, sondern fängt die verschiedenen Gefühlsregungen sehr gut ein. Der italienische Zeichner Mattia De Iulis war 2019 bereits an der US-Mini-Serie „Invisible Woman“ beteiligt, lieferte Beiträge für „Marvel Comics #1000“ und den One-Shot „Incoming!“, ist im (USA-)aktuellen „Empyre“-Crossover involviert und ist auch bei „Spider-Woman“ und dem kommenden „The Immortal Hulk“ nicht untätig. Kurz gesagt, ein ganz heißes Eisen im Haus der Ideen. Bleibt zu hoffen, dass es weitere Comics über den großen Teich schaffen, die aus seiner talentierten Künstler-Feder kommen. Für mich persönlich wäre dies tatsächlich ein Kauf-Argument, wobei die Trefferquote bei mir – als Viel- und Alles-Leser – auch auf der Autoren-Seite generell hoch ist, was eine Zeichner-orientierte Kaufentscheidung natürlich erleichtert.

Allerdings gibt es auch etwas zu bemängeln. Die Kurz-Auftritte anderer Superhelden wirken hier eher wie Fremdkörper, was beim Lesen immer wieder etwas rausreißt. Auch sind diese nicht wirklich vorteilhaft getroffen. Vielleicht liegt es am Setting, welches – bis auf eine kurze Splatter-Orgie gegen Seemonster – erst im Laufe der Geschichte ins Übernatürliche abdriftet. Auf jeden Fall bleibt De Iulis ein Zeichner, den ich ab jetzt auf dem Schirm behalten werde.

Eigentlich nach fünf Kapiteln abgeschlossen, gibt es (warum auch immer…) aber noch ein weiteres. Das sechste US-Heft bildet einen Epilog, beziehungsweise eine nette Beilage, die aus Gründen der Vollständigkeit natürlich ebenfalls im Paperback von Panini enthalten ist. Ebenso wie die Story, in der es um Töchterchen Danielles Geburtstag geht, der vom Schmierlappen Lone Shark gestört wird, woraufhin Jess und Luke sich mit der Fischfresse durch die ganze Bude prügeln, flachen aber auch die Zeichnungen ab. Diese stammen nun von Marcio Takara und bewegen sich höchstens auf Standard-Niveau. Gelungen ist hingegen die angehängte Cover-Galerie, die die Variants von Martin Simmonds zur „Blind Spot“-Mini-Serie zeigt.

Fazit:

Ein echtes Highlight aus dem diesjährigen Panini-Œuvre! Die Comic-Jessica von Autorin Kelly Jones („Captain Marvel“, „Black Widow“, „Star“) ist sehr nahe an der NETFLIX-Version, die hervorragend von Krysten Ritter verkörpert wurde, und kommt ähnlich düster daher. Eine Mischung aus modernem Hardboiled-Krimi und dezentem Superhelden-Einschlag. Inklusive Gastauftritten von Doctor Strange, Captain Marvel und Spider-Man.

Jessica Jones: Blind Spot - Im Visier

Kelly Thompson, Marcio Takara, Mattia De Iulis, Panini

Jessica Jones: Blind Spot - Im Visier

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