Honeymoon - 1. Der Kuss der Sphinx
- Schreiber & Leser
- Erschienen: April 2025
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Die Nacht der Abenteuer
Love Boat
Das französische Ehepaar Sophie und Quentin möchte einfach mal die Ruhe genießen. Ein romantischer Urlaub an einem griechischen Strandparadies, Weg vom Job, weg von den Kindern, weg vom Alltag. Klingt ja auch zu verlockend: gutes Essen, Sonne satt, Cocktails und Amore. Das gelingt den beiden sogar ziemlich gut, bis ein alter Bekannter auftaucht. „Bekannter“ ist da auch schon das höchste der Gefühle, denn bis auf ein paar durchgefeierte Nächte vor gefühlten Ewigkeiten eint die Urlauber nicht sonderlich viel. Nennen wir es „flüchtige Bekanntschaft“, weshalb es Sophie und Quentin entsprechend schwerfällt, sich an seinen Namen zu erinnern. Ach ja, Oliver hieß der Bursche! Besonders deshalb in Erinnerung geblieben, weil er sich gern ordentlich Zeugs durch den Kolben zieht und durch seine nervig-penetrante Art. Diese legt er in der griechischen Traumkulisse ebenfalls an den Tag, lädt das Paar aber dann kurzerhand zu einem Abendessen auf sein Boot ein. Hach, warum nicht… allerdings stellt sich schnell heraus, dass es sich um eine ausgewachsene Luxusyacht handelt, und dass Oliver keinesfalls der Besitzer ist. Der eigentliche Eigentümer ist ein berühmt-berüchtigter Krimineller, den Olivers Agentur vertritt. Der Kahn soll nach Menorca gebracht werden, aus Gründen, die Sophie und Quentin lieber nicht wissen wollen, doch Oliver nutzt die Gelegenheit, um mal richtig auf die Kacke zu hauen. Die weiteren Gäste des Abends bestehen aus Geldwäschern, Drogenhändlern und Waffenschiebern. Also ein ganz reizender Haufen.
Jetzt wäre es wohl das Beste gewesen, still und heimlich zu verschwinden. Kurz auf den Tisch kloppen, den anwesenden 2000 Jahren Zuchthaus noch ein schönes Leben wünschen und den Urlaub in trauter Zweisamkeit ausklingen lassen. Oliver bleibt aber hartnäckig, und so nimmt der Abend seinen Lauf. Während Quentin vor allem die bestens ausgestattete Comic-Bibliothek des Yacht-Besitzers bewundert, ist Sophie sehr von den alt-ägyptischen Artefakten angetan. Fast schon ein schwimmendes Kunstmuseum! Als sie mit einem antiken Zepter hantiert, öffnet sich dieses, und es schlüpft ein ziemlich lebendiger Falter heraus. Äußerst merkwürdig. Noch merkwürdiger wird es, als sich der Flattermann auf die Nasenspitze eines der Gäste setzt. Direkt bei der ersten Berührung spuckt dieser einen Schwall Blut über den Esstisch und bricht tot zusammen. Schnell bricht Panik aus… und der laue Sommerabend entwickelt sich zum bleihaltigen und explosiven Fiasko.
Herz für Abenteurer
Mit schwungvollen, filigranen Bildern hat Bastien Vivès bereits in „Polina“ oder „Eine Schwester“ (beide REPRODUKT) bewiesen, dass er einen realistischen Stil mit nur wenigen Tuschestrichen aufs Papier bringen kann. Der erste Band seiner abenteuerlastigen Serie „Honeymoon“ bildet da keine Ausnahme. Trotz klassisch-klarer Linien haben seine Zeichnungen eine ungeheure Dynamik, was sie vom altbekannten Frankobelgischen abhebt. Dennoch atmen sie den Geist dieser beliebten Abenteuer. Indem er ein im Grunde ziemlich gewöhnliches Paar in eine Situation wirft, die Stück für Stück eskaliert, huldigt er charmanten Abenteuergeschichten, in denen man sich mit den Protagonisten identifizieren kann. Keine mit allen Wassern gewaschene Spione, Berufsabenteurer oder perfekt trainierte Agenten, einfach nur Herr und Frau Jedermann. Hier geht Vivès dann auch keine großen Experimente ein, sodass die Geschichte nicht mit unvorhersehbarem Twist oder gar doppeltem Boden aufwartet. Schlichtweg gradlinig erzählt, aber keineswegs spannungsarm. Eine besondere Tiefe darf man ebenfalls nicht erwarten, denn Sophie und Quentin sind bislang nur durch die wichtigsten Eckdaten definiert. Vielleicht im nächsten Band, denn im Mai 2025 wurde im französischen Verlag CASTERMAN bereits mit „Lune de miel - Le Secret de Coatlicue“ eine Fortsetzung veröffentlicht.
Kontroverser Zeitgenosse
Ob man nun gerade wegen Bastien Vivès zugreift, oder den Band von SCHREIBER & LESER aus genau diesem Grund auslässt, muss jeder für sich entscheiden. Vivès wurde auf Grund zweier in Deutschland unveröffentlichten Comics aus dem Jahr 2018 Verharmlosung von Pädophilie und Vergewaltigung seitens seiner Kritiker vorgeworfen. Es wurde sogar seine geplante Ausstellung auf dem großen Comic-Festival in Angoulême 2023 gecancelt, nachdem Drohungen gegen den Franzosen eingingen. An einer Hetzjagd möchte ich mich persönlich ohne gesprochenes Urteil und ohne nötiges Wissen um die beiden Werke nicht beteiligen. Ich bewerte hier nicht den Menschen Bastien Vivès und seine möglichen Ansichten bzw. Entgleisungen, sondern nur das vorliegende Comic-Album.
Fazit:
Inhaltlich kein Highlight, aber durchaus sympathisch erzählt. Eine kleine Liebeserklärung an klassische Familien-Abenteuer wie „Auf der Jagd nach dem grünen Diamanten“, „Indiana Jones“ oder „Crocodile Dundee“. Die kontrastreiche Kolorierung von Brigitte Findakly wertet die Zeichnungen nochmals auf und sticht farbenfroh heraus.

Bastien Vivès, Bastien Vivès, Schreiber & Leser
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