Heart of Gold - Der erste Akt
- Cross Cult
- Erschienen: Juni 2023
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Zeichen und Wunder
Ein ungewöhnlicher Gottesdienst
Ionel, ein Pianist mit Albinismus, leidet zunehmend. Er verliert nach und nach sein Augenlicht, womit er seine Karriere an den Nagel hängen könnte. In seiner Not greift er nach jedem Strohhalm, selbst wenn erhoffte Lösungen rational noch so abwegig erscheinen. In einer kleinen französischen Stadt macht derweil ein Priester von sich Reden, der in seinen wöchentlichen Gottesdiensten scheinbar wahre Wunder vollbringt. Durch Handauflegen heilt Père Dunant kranke Gläubige. Wunderheiler oder Scharlatan? Ob der schiere Glaube Berge versetzen kann, soll sich zeigen, und so sucht Ionel den offenbar gesegneten Gottesdiener auf. Wieder und wieder. Immer wieder stellt Ionel sich in die Schlange der frommen Schäfchen, die sich durch Dunants Hand Linderung ersehnen. Und immer wieder wird er abgewiesen und auf einen nächsten Gottesdienst vertröstet. Doch Ionel gibt in seiner Verzweiflung nicht auf, bleibt hartnäckig. Er sucht sogar aktiv die Nähe zum Priester, hinter dem sich ein überraschend faszinierender Gesprächspartner verbirgt. Faszinierend… und äußerst mysteriös.
Noch kratzen wir an der Oberfläche
Ähnlich einer musikalischen Ouvertüre eröffnen Eliot Baum und Viv Tanner, die beiden Schöpfer von „Heart of Gold“, ihr Debütwerk in einem sehr entschleunigten Tempo. Fast schon filmische Sequenzen, in denen viel mit Blickwinkeln gespielt wird, machen uns langsam mit den beiden Hauptfiguren vertraut. Baum und Tanner lassen dabei meist ihre atmosphärischen, hauchzarten Bilder für sich sprechen. Text gibt es wenig. Wenn, sind die gesprochenen Worte dafür gehaltvoll. So entstehen interessante Gespräche zwischen Ionel und Père Dunant, zwischen Glauben und Vorsehung, Segen und Erlösung. Das Knistern zwischen den Charakteren ist dabei zunehmend spürbar. Und man muss nicht zwingend religiös sein, um sich davon mittragen zu lassen. Empathie und eine gewisse Faszination am Unerklärlichen reichen schon aus. Tragende Antworten bleibt „Der erste Akt“ zwar noch schuldig, lässt mich jedoch äußerst neugierig zurück, wohin die Reise noch führen mag.
Neben den mysteriös-romantischen Schwingungen sind die beeindruckenden Bilder, gepaart mit einer spürbaren Melancholie, die treibenden Kräfte. Die skizzenhaft stilisierten Figuren gefallen mir sehr. Noch mehr bin ich allerdings von der umwerfenden Architektur begeistert. Die örtliche Kirche, immerhin der bisherige Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, bietet dutzende Möglichkeiten, das Potential der österreichischen Künstler auszuschöpfen. Die dezente Kolorierung in Pastelltönen stiehlt den feinen Linien zu keiner Zeit die Show, weshalb jeder gekonnte Strich zielsicher ins Auge trifft. Die „Kunst des Weglassens“ ist hier mal positiv zu bewerten. Auf unnötige Details wurde verzichtet. Was dann aber gezeigt wird, ist umso detailverliebter.
Fazit:
Als Webcomic gestartet, über Kickstarter für einen überschaubaren Kreis in den Druck gegangen und nun im Überformat (Danke, CROSS CULT!) - der optimalen Präsentationswahl, um die faszinierenden Bilder gebührend zu präsentieren - für alle Comic-Liebhaber verfügbar. Eine leise, überaus geheimnisvolle Geschichte, die neugierig auf ihren Fortgang macht.
Viv Tanner, Eliot Baum, Viv Tanner, Eliot Baum, Cross Cult
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