Text:   Zeichner: Geoff Shaw

God Country

God Country
God Country
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonDez 2022

Story

Mehr Drama als Fantasy, was aber keineswegs negativ zu sehen ist. Im Gegenteil. So lässt „God Country“ nur die Wenigsten kalt.

Zeichnung

Geoff Shaw schafft es nicht nur, die Action wuchtig in Szene zu setzen, sondern transportiert auch die Emotionen der Charaktere nahezu perfekt.

Auf Kriegsfuß mit Göttern

Ein Sturm zieht auf

Kein alltäglicher Familienbesuch: Der örtliche Sheriff informierte Roy und seine kleine Familie, dass man Roys Vater in der Nähe des Highways aufgegriffen hat. Emmett Quinlan, der verwitwet auf einer einsam gelegenen Farm lebt, leidet an Alzheimer. Häufig begleitet von aggressivem Verhalten, was auch die Deputies zu spüren bekamen. Der Sheriff und Janey, Roys Frau, reden auf ihn ein, dass er seinen Vater in eine entsprechende Einrichtung unterbringt, wogegen dieser sich jedoch sträubt. Roy fühlt sich verantwortlich für Emmett, ist sogar mit Janey und ihrer gemeinsamen Tochter Deena umgezogen, um seinem Vater näher zu sein und ihn im Heim seiner Kindheit im Auge zu haben. Er kann und will nicht loslassen, was fast zum Bruch mit seiner Gattin führt. Es wäre wohl dazu gekommen, hätte die Nacht nicht eine noch viel größere Überraschung zu bieten. Ein Sturm zieht auf…

Nicht irgendein x-beliebiger Sturm, denn der zerstörerische Wind prescht mit brutaler Härte auf das Quinlan-Haus zu. Holz bricht, Bretter fliegen umher und es bleibt kein Stein mehr auf dem anderen. Doch etwas kam mit dem Sturm. Ein Schwert. Und Emmett hält es inmitten seiner zerstörten Behausung in Händen. Valofax… die mächtigste Klinge, die jemals geschmiedet wurde. Das imposante Schwert stammt aus Götterhand und sucht sich seinen Träger selbst aus. Dass nun gerade Emmett Quinlan zu solchen Ehren kommt, ist für alle Anwesenden überraschend. Noch überraschender ist es, dass Emmett, so lange er das Schwert hält, wieder klaren Verstandes ist. Er erkennt Roy… erkennt dessen Frau und seine Enkelin… und erinnert sich an seine verstorbene Frau. Ein ganzes Leben liegt nun wie ein offenes Buch wieder vor ihm.

Die Freude über die wiedererlangte Vergangenheit und das klare Sehen im Hier und Jetzt ist jedoch nur von kurzer Dauer. Besuch kündigt sich an. Der Kriegsgott Aristus hat die Spur des Schwertes aufgenommen. Valofax wurde einst von seinem Vater Attüm, dem Herrscher von Immermehr und König aller Götter, geschmiedet. Als der Gott auf der Farm ankommt, wird endlich Licht in das Geheimnis um das Schwert gebracht. Beanspruchen kann Aristus die Klinge aber nicht, denn Valofax ist durchaus eigensinnig, doch die Familie des Gottes ist nicht zu Plaudereien aufgelegt. Attüm würde zum Äußersten greifen, um wieder in den Besitz des Schwertes zu gelangen… allerdings ist Emmett nicht bereit, seine Familie erneut aufzugeben. Eine Konfrontation scheint unausweichlich.

Kampf gegen das Vergessen

Die abgeschlossene Mini-Serie „God Country“ stammt aus der Feder des Autoren-Überfliegers Donny Cates. Der erfolgreiche „Doctor Strange“-, „Venom“- und „Thor“-Schreiber hat für den IMAGE-Verlag eine überraschend intime Story geschrieben. Überraschend und intim und deshalb, weil sich die Handlung - fernab von irgendwelchen Superhelden-Universen - um eine augenscheinlich normale Familie dreht. Und obwohl Götter involviert sind, wird die restliche Menschheit außen vorgelassen. Kein überdimensionales Weltuntergangs-Epos mit gewaltigen Schlachten, sondern nur ein Mann, der dagegen ankämpft, sich und seine Familie in der Schwärze der Vergessenheit zu verlieren. Damit trifft Cates einen ebenso wunden wie relevanten Punkt, denn Story und Figuren sind sehr überzeugend dargestellt. Alzheimer und Demenz sind nur allzu greifbare Erkrankungen… und gegen das Altern ist noch kein Kraut gewachsen. Früher oder später muss sich jeder von uns dieser Hürde stellen. Uns allen ist hier und da schon mal ein Gedanke entfallen. Eine vergessene Telefonnummer hier, ein Name dort, oder wo wir unseren Haustürschlüssel zuletzt abgelegt haben. Kein Beinbruch, doch was wäre, wenn wir plötzlich geliebte Menschen nicht mehr erkennen würden? In fragende, fremde Gesichter blickten? Hilflos dabei zusehen müssten, wie ein gigantischer Radiergummi mit hohem Tempo zu uns aufschließt und alles auslöscht, was wir als unser Leben kennen… kannten? Würden wir nicht nach jedem Strohhalm greifen, um diesen Prozess aufzuhalten? Ja, das würden wir wohl… und deswegen ist die Motivation von Emmett Quinlan auch jederzeit nachvollziehbar. Nur dass der Strohhalm in diesem Fall das wohl mächtigste Schwert ist, welches je das Licht der Welt(en) erblickte. Und bei Gott, ja, ich würde es schwingen, bis mir die Arme abfallen…

Bereits bei der vierteiligen Serie „Buzzkill“ (DARK HORSE) von 2014 arbeitete Donny Cates mit Zeichner Geoff Shaw zusammen. Mit „The Paybacks“ setzten sie ihre gemeinsame Arbeit beim US-Verlag fort, sollten aber auf ihren weiteren Wegen noch öfter aufeinandertreffen. Zum Beispiel bei den MARVEL-Serien „Thanos“ und „Guardians of the Galaxy“. Aktuell arbeiten sie Hand in Hand an der (vollkommen zu Recht!) hochgelobten Serie „Crossover“ (in deutscher Übersetzung bei SPLITTER), während Cates zuletzt als Autor der fortlaufenden Reihen „Redneck“ (IMAGE), „Babyteeth“ (AFTERSHOCK) und „Hulk“ (MARVEL) reichlich viele Eisen im Feuer hatte. Erst im Herbst 2022 ging mit „Vanish“ sein neuster Streich bei IMAGE in Serie.

In „God Country“ setzt Geoff Shaw zeichnerisch sehr auf Realismus. Das hätte schnell in die Hose gehen können, tut es zum Glück aber nicht. Seine Zeichnungen sind einfach großartig! Kratzig, rau und ausdrucksstark. Zwischen Schmerz, eisernem Willen und brachialer Zerstörung hat Shaw einige beeindruckende Panels geschaffen, die im Gedächtnis bleiben und ihre epische Wirkung nicht verfehlen. Im Großformat wären diese Bilder das Sahnehäubchen auf einer ansonsten hervorragenden Veröffentlichung gewesen. Ja, ja… Meckern auf hohem Niveau, denn das Erfreulichste ist doch, dass „God Country“ es nach mehr als fünf Jahren nun doch endlich noch nach Deutschland geschafft hat.

Fazit:

Eine epische Geschichte in kleinem Kreis, die sowohl in ihren schnellen, actiongeladenen Teilen als auch in den ruhigen, intimen Familienmomenten punktet. Mitreißend und zeitlos, noch dazu fantastisch - geradezu "göttlich" - umgesetzt.

God Country

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