Text:   Zeichner: Eldo Yoshimizu

Gamma Draconis

Gamma Draconis
Gamma Draconis
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2021

Story

Eine reisefreudige Schnitzeljagd, bei der die Hauptfiguren leider etwas blass bleiben. Reale Anlehnungen verleihen der Story zusätzlich Spannung.

Zeichnung

Eldo Yoshimizus Bilder sind abwechslungsreich, detailliert und spielen sehr schön mit der Schwarz/Weiß-Umgebung. Kein Produkt von der Stange!

Der handliche Reiseführer für Freunde des fröhlichen Okkultismus

Schnitzeljagd und schwarze Magie

Aiko Moriyama ist aus dem fernen Osaka gekommen, um in Paris Religionsgeschichte zu studieren. Pierre Le Puy, ihr Geschichtsprofessor an der Paris-Sorbonne, betreut Aiko bei ihrer Master-Arbeit und unterstützt sie nach Kräften. Doch das Studium der religiösen Kunst dient nur als Tarnung. Im besten Fall kann Aiko somit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn das Primärziel ist, die esoterischen Kenntnisse ihrer Heimat zu vervollkommnen. Sie soll nämlich in eine übernatürliche Loge aufgenommen werden. Eine Tradition in ihrem Stammbaum und der Zeitpunkt der Initiation rückt für die eifrige Schülerin immer näher.

Während Aiko weiter ihre doppelt gesteckten Ziele verfolgt, wird aus dem British Museum in London der legendäre Spiegel von John Dee gestohlen. Ein Obsidian-Spiegel aztekischer Abstammung, dem magische Kräfte nachgesagt werden. Auftraggeber für die illegale Beschaffung ist der machtgierige Finanzier Julian Bedford. Zahlreiche Investoren unterstützen dessen Gamma-Fonds, mit dessen Hilfe Bedford die Forschung und Entwicklung neuer Technologien vorantreibt. Zu seinem Missfallen hat jedoch der Finanzermittlungsdienst ein Auge auf seine nicht ganz sauberen finanziellen Machenschaften geworfen. Doch hinter der offiziellen Fassade seines Imperiums sieht es noch viel, viel düsterer aus. Mit einem engen Kreis von Vertrauten möchte Bedford John Dees Spiegel nutzen, um das Tor in eine fremde Dimension zu öffnen. Eine erste Macht-Demonstration gelingt, indem Bedford die moderne Kommunikationstechnik nutzt, um sich unliebsamer Kontrahenten zu entledigen.

Dies bekommt auch Aiko mit, die gerade in Ligugé eingetroffen ist, eine der ältesten christlichen Abteien der Welt. Dort hat Professor Le Puy einen Termin mit dem leitenden Bibliothekar organisiert, damit Aiko in den seltenen Schriften der christlichen Magie stöbern kann. Wie der Zufall es will, trifft sie dort auf ihre Bekannte Janne Pauwels. Pauwels ist Polizistin mit dem Schwerpunkt Finanzkriminalität und ermittelt im Fall Bedford. Interne Informationen führten auch sie in die entlegene Abtei. Es nicht wirklich verwunderlich, dass ein einflussreicher Mann wie Julian Bedford stets über alle Machenschaften der Behörden bestens im Bilde ist. So verübt er mit Hilfe des Spiegels einen Anschlag auf den Bibliothekar. Und da ihm sofort berichtet wird, dass eine asiatische Studentin in Begleitung der ermittelnden Polizistin ist, rückt Aiko ganz unbemerkt auf dessen Abschussliste.

Je tiefer Aiko und Janne graben, desto gefährlicher wird es für sie. Ihre Wege führen sie von London bis nach Tokyo, stets mit dem Atem von Julian Bedford im Nacken. Und während Bedfords Pläne, das Portal in die fremde Dimension zu öffnen, immer mehr Gestalt annehmen, ahnt Aiko noch nicht, wie tief sie in diesem okkulten Schlamassel steckt…

Mr. Brown, sind Sie’s?

Was sich anhört, wie eine Schnitzeljagd, die aus der Feder von Dan Brown stammen könnte, ist (zumindest vom Aufbau) tatsächlich fast so etwas wie eine Manga-Interpretation dessen wohl berühmtesten Werkes. Das Aufspüren von Hinweisen, Reisen quer über den Erdball, religiöse Verschwörungen, okkulte Machenschaften machtgieriger Unternehmer und ein mysteriöses Artefakt… mit realem Hintergrund. John Dees Spiegel existiert nämlich wirklich. Der 1527 geborene Vertraute von Königin Elizabeth I. wurde, bevor er in deren Dienste trat, sogar der schwarzen Magie und Zauberei angeklagt. Er verschrieb sich esoterischen Studien, der Alchemie und fertigte Artefakte an, mit deren Hilfe er mit Engeln zu kommunizieren versuchte. Darunter auch jener Spiegel aus Vulkanglas. Dazu bediente er sich der henochischen Sprache, welche Dee vom englischen Spiritisten Edward Kelley diktiert bekam, während sich dieser in Trance befand.

Der französische Autor und Verfasser von Comic-Sachbüchern Benoist Simmat hat seine Hausaufgaben gemacht und liefert mit seinem Manga-Debüt einen schnörkellosen Mystery-Thriller der gradlinigen Sorte. Der abgeschlossene Einzelband aus dem Hause CARLSEN MANGA! ist kurzweilig, durchaus spannend inszeniert, kommt jedoch ohne große Überraschungen zum nicht wirklich spektakulären Finale. Dafür sind die Figuren einfach nicht interessant genug. Ihnen fehlt es an Tiefe und charakteristischen Eigenheiten, die vielleicht dafür gesorgt hätten, dass man überhaupt mehr über sie erfahren möchte. So aber bleibt „Gamma Draconis“ ein feiner Mystery-Happen für zwischendurch, der nicht allzu lange im Gedächtnis bleibt.

Allround-Talent

Wer im Manga-Bereich etwas bewandert ist, dürfte vielleicht schon über Eldo Yoshimizus Thriller-Debüt „Ryuko“ (ebenfalls bei CARLSEN MANGA! erschienen) gestolpert sein. In „Gamma Draconis“ nutzt Yoshimizu einen realistischen Stil, der sich angenehm von einem Großteil anderer Manga-Veröffentlichungen abhebt. Das Spiel mit Schwarz und Weiß beherrscht er zweifellos, was sich auch in den imposanten Architektur-Zeichnungen wiederspiegelt. Das kann sich sehen lassen und es bleibt zu hoffen, dass der umtriebige Eldo Yoshimizu, der außerdem Musiker und Fotograf ist, sowie für seine Arbeiten in der zeitgenössischen Kunst mehrfach ausgezeichnet wurde, weiterhin dem Manga treu bleibt. Davon würde ich nämlich gerne mehr sehen.

Fazit:

Die eigentlich starken Persönlichkeiten leiden darunter, dass sie charakteristisch eher schwach gezeichnet sind. Das flacht die Spannungskurve etwas ab. Wer darüber hinwegsehen kann, bekommt eine kurzweile Mystery-Hatz mit reichlich „Sakrileg“-Einschlag und hervorragenden Zeichnungen.

Gamma Draconis

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