Text:   Zeichner: Elizabeth Pich

Fungirl

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Marcel Scharrenbroich
4101

Comic-Couch Rezension vonApr 2024

Story

Muss man mögen… oder halt nicht. Ich gehöre dann wohl zur zweiten Kategorie.

Zeichnung

Mittelprächtiges Cartoon-Niveau ohne große Ausreißer nach oben oder unten. Lediglich die Kapiteltrenner haben mehr inhaltliche Tiefe.

Irgendwo hört der „Spaß“ auch auf

Chaos, Chaos und noch mal Chaos

Es entsteht genau da, wo die uns namentlich Unbekannte geht und steht. Wird das „Fungirl“ uns auf dem Cover noch als das Gegenteil einer Spaßbremse angepriesen, entpuppt sie sich schnell als wandelnde Katastrophe. Ebenso scham- wie planlos, eiert sie durchs Leben und hinterlässt Scherbenhaufen im Panel-Takt. Die junge Frau lebt zusammen mit ihrer besten Freundin Becky, mit der sie mal was hatte. Beckys Freund Peter, der bei den beiden ein- und ausgeht, ahnt davon nichts. Das könnte die Beziehung des Dreier-Gespanns wohl unnötig verkomplizieren. Allerdings wäre das der Spaßrakete, die ziemlich lustlos in einem Bestattungsunternehmen jobbt, wohl auch scheißegal. An ihre Mitmenschen und deren Gefühle denkt sie nämlich extrem selten. Sie macht einfach das, was sie will. Ein unberechenbares Verhalten, mit dem sie nicht nur den Menschen vor die Köpfe stößt, die ihr Gutes wollen.

Tja… viel mehr gibt es über die Story des verhältnismäßig dicken Comics (immerhin 249 Seiten) auch gar nicht zu sagen. Episodenhaft werden hier Schamlosigkeiten und Peinlichkeiten aneinandergereiht, die wohl „Female Empowerment“ wiederspiegeln sollen, mich aber eher kopfschüttelnd zurücklassen. Dass das „Fungirl“ gerne mal nackt mit einem Umschnall-Dildo durch die Wohnung rennt oder gefühlt alle paar Seiten an sich herumfingert, lässt sich ja noch verkraften, aber auf ein paar Tabubrüche, die meinen ganz eigenen Rahmen des guten Geschmacks sprengen, möchte ich gleich noch mal genauer eingehen.

Feministisch? Selten so „gelacht“…

Nichts gegen Feminismus, so viel gleich vorweg, denn die Gleichstellung sollte längst Normalität sein. Da dürfte es in einer aufgeklärten Gesellschaft eigentlich keine zwei Meinungen geben. Wenn dies aber bedeutet, dass man – egal, wie abgefuckt man sich verhält – immer mit allem durchkommt und mögliche Konsequenzen unter immer größer werdenden Scherbenhaufen vergräbt, habe ich vielleicht eine falsche Vorstellung von dem Begriff. Denn so verhält sich „Fungirl“, wie die freidrehende Axt im Walde.

Klar ist, dass die junge Frau prima als Ventil gesehen werden kann, durch die Lesende bildlich das dargestellt bekommen, was sie insgeheim auch mal machen würden, in der Realität aber sämtliche Alarmglocken davon abraten. Oder wer würde seiner besten Freundin heimlich vor einer OP-Assistenz am offenen Herzen Benzodiazepine verabreichen, die sie im ungünstigsten Moment einschläfern, wogegen dann nur noch hilft, dass ihr Freund ihr vor versammelter Mannschaft – warum auch immer – den Finger in den Arsch steckt? Kein Witz, und nur ein Beispiel für den vulgären „Humor“ in „Fungirl“. Reicht noch nicht? Wie wäre es dann damit, dass man einem verhassten Konkurrenten seines Chefs die Leiche eines Teenagers ins Bett legt und beide dann in eindeutigen Posen drapiert? Oder mit einem Einbruch in ein Verbindungshaus, wo man die Bewohner zu Verteidigungszwecken ausgiebig mit der eigenen Regelblutung abwehrt? Gerne darf in der Bar auch derjenige/diejenige lautstark ausgezeichnet werden, der/die „Fungirl“ am besten geleckt hat. Jap, auf DEM Niveau bewegen wir uns hier durchgängig.

So politisch unkorrekt, wie die Hauptfigur skizziert wird (und sich beim Furzen auch gerne mal einscheißt), so politisch korrekt ist das Buch an sich. Natürlich wird gegendert, natürlich ist Peter ein totaler Waschlappen und selbstverständlich werden von Becky auch die „alten weißen Arschlöcher“ (Seite 58), die sie in ihrem Job als Krankenschwester nur herumscheuchen, ins Visier genommen. Dass „Fungirl“ auf dem Backcover-Text als „menschlich und charmant“ und „mit einem Herz aus Gold“ angepriesen wird, war dann für mich der einzig große Lacher.

Hinter dem „Fun“…

…steckt die deutsch-amerikanische Comiczeichnerin Elizabeth Pich. Die Mitbegründerin des Comic Symposiums der HBKsaar (Hochschule der Bildenden Künste) in Saarbrücken wird mit Sicherheit vielen Comic-Freundinnen und -Freunden ein Begriff sein, ist sie doch eine Hälfte des Duos hinter den erfolgreichen Webcomic-Strips „War and Peas“ (zusammen mit Jonathan Kunz). Seit 2011 bringen die schwarzhumorigen Cartoons hunderttausende Follower zum Lachen, sodass PANINI im Jahr 2020 mit „War and Peas - Von Hexen und Menschen“ die erste gedruckte Variante in deutscher Übersetzung veröffentlichte. Auch „Fungirl“ erschien zuerst in englischer Sprache, wurde aber schnell auch in Europa bekannt. Neben französischen und italienischen Übersetzungen, hat es die unkonventionelle „Heldin“ nun durch den Schweizer Verlag EDITION MODERNE auch in deutschsprachige Gefilde geschafft.

Zeichnerisch bekommt man das, was man schon von „War and Peas“ gewohnt ist. Cartoon-Kost der einfacheren Art, die meist aufs Minimum reduziert ist. Runde Köpfe, zwei Punkte als Augen und Körper auf anatomischer Sparflamme. Das kann reichen, gerät auf knapp 250 Seiten aber doch sehr eintönig. Richtig überzeugt haben mich aber die ganz- oder doppelseitigen Bilder zwischen den fortlaufenden Eskapaden. Die Zeichnungen, nicht selten angelehnt an Popkultur („Snoopy“, „Wayne’s World“) oder Kunstwerke (Salvador Dalís „Die Beständigkeit der Erinnerung“), lassen oft tiefer blicken, als die obszönen Abenteuer, die „Fungirl“ Alltag nennt.

Fazit:

Nein, ich gehe bestimmt nicht zum Lachen in den Keller, bezeichne mich weiß Gott nicht als prüde oder unaufgeschlossen, aber mit der narzisstischen Soziopathin konnte ich so ziemlich gar nichts anfangen. Wie dem auch sei… „Fungirl“ wird in Deutschland bestimmt eine Leserschaft finden, die ihre Art zu schätzen weiß. Und auf die Meinung eines „alten weißen Arschlochs“ würde sie wohl eh scheißen. Von daher: Have Fun, girl.

Fungirl

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