El Che

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Marcel Scharrenbroich
3101

Comic-Couch Rezension vonMär 2019

Story

Ein abschreckendes Beispiel für eine Biografie. Wild und zusammenhanglos wird hier durch das Leben von „Che“ gesprungen, was in wahrer Guerilla-Manier zum Geduldsspiel für den Leser wird.

Zeichnung

Bis auf wenige Ausnahmen bei räumlichen Darstellungen ein Reinfall. Unförmig und ungelenk gleichen sich die stocksteifen Charaktere, deren wilde Schießereien völlig deplatziert wirken und besser bei „G.I. Joe“ aufgehoben wären.

Wer ist wer und wann ist wer warum wo?

Wenn Ernesto mit dem Fidel…

Das wöchentlich erscheinende, amerikanische „Time“-Magazin zählte ihn 1999 zu den 100 einflussreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts und ein 1960 aufgenommenen Foto von Alberto Korda sorgte dafür, dass dieses Bild bis heute millionenfach auf T-Shirts gedruckt wurde und immer noch gedruckt wird. 2013 musste die Kaufhauskette C&A das modische Accessoire mit dem markanten Konterfei sogar vom polnischen Markt zurückrufen, da dort viele Bürger empört über seine Abbildung waren. Für die einen ist er Revolutionär und Freiheitskämpfer… für die anderen brutaler Taktiker uns skrupelloser Verbrecher. Für die einen Ernesto Rafael Guevara de la Serna… für die anderen einfach „Che“.

1928 in Rosario, der drittgrößten Stadt Argentiniens, geboren, wuchs Ernesto Guevara als ältestes von insgesamt fünf Kindern in gutbürgerlichen Verhältnissen auf. Bereits als Zweijähriger erlitt er seinen ersten Asthmaanfall. Eine Krankheit, die ihn sein Leben lang begleiten sollte und wohl schon früh den Wunsch in ihm weckte, Arzt zu werden. Dem Asthma geschuldet, konnte Ernesto keine öffentliche Schule besuchen und wurde lange Zeit von seiner Mutter Celia de la Serna y Llosa daheim unterrichtet, die ihm dort auch fließendes Französisch beibrachte. Nachdem die Asthma-Schübe sich in zunehmendem Alter in Grenzen hielten, drückte Ernesto doch noch die Schulbank. Im Alter von 18 Jahren trennten sich seine Eltern und Ernesto zog zu seiner Mutter nach Buenos Aires. Mit dem Abitur in der Tasche, bekräftigte der Tod der Großmutter den jungen Mann noch stärker darin, sein Medizinstudium zu beginnen.

Noch während des Studiums unternahm Ernesto mehrere Reisen durch Argentinien und Südamerika. Sein prägender, neunmonatiger Motorrad-Trip nach Peru, den er mit seinem Freund und Reisegefährten Alberto Granado (1922 – 2011) unternahm, wurde 2004 preisgekrönt unter dem Namen „Die Reisen des jungen Che“ von Regisseur Walter Salles verfilmt. Dort besuchte Ernesto eine Lepra-Kolonie, die ihn mit dem Elend der dortigen Bevölkerung konfrontierte und ihm vor Augen hielt, welch vergleichsweise privilegiertes Leben er im Gegensatz zu den ärmlichen Verhältnissen vor Ort führen durfte.

1953 schloss Ernesto Guevara sein Studium erfolgreich ab und wurde Doktor der Medizin und Chirurgie. Er entschloss sich jedoch weiter durch die Welt zu reisen, was ihn nach Bolivien, Peru, Lima und Ecuador führte. Von dort aus weiter nach Panama, Costa Rica und Guatemala. An unterschiedlichen Stationen arbeitete er in Hospitälern und sah während dieser Zeit viel Leid, Rückständigkeit und die skrupellose Unmoral, mit der die Bevölkerung ausgebeutet wurde. Schon hier keimte in ihm die Überzeugung, dass die dortigen Missstände nur durch eine Revolution geändert werden könnten. Während seiner Zeit in Costa Rica lernte Ernesto auch zwei Kubaner kennen, die zuvor vergeblich versuchten, den diktatorisch regierenden Staatspräsidenten Fulgencio Batista zu stürzen. Ein Mann, der ebenfalls an dieser Aktion beteiligt war, trat 1955 in Mexiko in Ernestos Leben: Fidel Castro (1926 – 2016).

Zu diesem Zeitpunkt hatte die Kluft zwischen Arm und Reich Ernesto längst radikalisiert und er schloss sich Castro und seiner Truppe, bestehend aus Exilkubanern, Bürgerkriegs-Veteranen und Guerilla-Experten, an. Diese beschlossen, das Batista-Regime auf Kuba mit Waffengewalt zu beenden. Nachdem das Guerilla-Lager entdeckt und somit der Plan vorerst vereitelt wurde, landete Guevara kurzzeitig im Gefängnis. Nach seiner Freilassung hielt er sich nicht an die Auflagen das Land zu verlassen und tauchte unter. Erneut schloss er sich den rund 80-köpfigen Rebellen an und man konnte Kuba 1956 tatsächlich unbemerkt auf dem Schiffsweg erreichen. Es folgte ein zweijähriger Kampf gegen die Batista-Armee. Während dieser Zeit stieg „Che“, wie er mittlerweile genannt wurde, vom Expeditionsarzt zum erbarmungslosen Widerstandskämpfer auf, was ihn schon bald zum „Comandante“ ab der Seite Fidel Castros machte.

Ende Dezember 1958 endeten die Kämpfe und Castros Rebellen gingen als Sieger hervor. Batista floh ins Exil. Fidel Castro ernannte seinen Freund Ernesto zum Wirtschaftsberater des Landes und von 1959 bis 1961 avancierte dieser sogar zum Präsidenten der Nationalbank. Sein Kampf galt fortan der Großmacht USA und er setzte sich für die wirtschaftliche Unabhängigkeit Kubas ein, zu dessen Industrieminister er 1961 befördert wurde.

1965 legte Ernest Guevara seine Ämter nieder, da seine Interessen und die des Staatschefs Castro immer weiter auseinandergingen. Grundlegende Wirtschaftsfragen und eine Versorgungskrise, ausgelöst durch Guevaras ambitionierte, aber auch rigide Planwirtschaft, sorgten für den Bruch zwischen den einstigen Weggefährten und „Che“ zog es erneut in die Welt, um nach kubanischem Vorbild Revolutionen voranzutreiben. Seine erste Station im Kampf gegen den Imperialismus war der zentralafrikanische Kongo, wo er sich dem anhaltenden Bürgerkrieg anschloss.

1966 nahm er mit einer kleinen Guerilla-Truppe den Kampf gegen das bolivianische Militärregime auf, konnte aber nicht auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen. Die Rebellen wurden verraten und es kam zu einem letzten Gefecht mit den Regierungstruppen. Bei La Higuera, einer Ortschaft im südamerikanischen Bolivien, wurde Guevara verwundet und anschließend inhaftiert. Fünf seiner Weggefährten gelang die Flucht nach Chile.

Auf Befehl des Präsidenten René Barrientos Ortuño wurde Ernesto „Che“ Guevara dort am 9. Oktober 1967 hingerichtet… ohne Gerichtsverhandlung und trotz Verbotes der Todesstrafe.

„Revolutionär“ ist hier leider gar nichts

So viel zu den Fakten, die zwar bei weitem nicht das ganze Leben Guevaras beleuchten und dutzende weitere Seiten füllen könnten, dafür aber wenigstens chronologisch nachvollziehbar sind. Ganz im Gegensatz zur Comic-Biografie „El Che“ von Giuliano Ramella und Stefano Cattaneo. Autor Ramella scheint vorauszusetzen, dass man als Leser des Comics bereits bestens mit dem Leben und Werdegang „Che“ Guevaras vertraut ist… anders kann ich mir das wilde hin- und herspringen zwischen den Jahreszahlen nicht erklären. Scheinbar wahllos schleudert man uns von 1935 nach 1966 und anschließend wieder zurück nach 1961, wo wir für ein paar Seiten verweilen, um dann nach 1958 reisen, nur um kurz danach 1952 einen kurzen Besuch abzustatten. So geht es im Laufe des Buches immer weiter… Das wäre ja noch halbwegs nachvollziehbar und akzeptabel, wenn es wenigstens einen konkreten Sinn ergeben würde. Anstatt die Geschichte chronologisch aufzuarbeiten und den Leser nur ein bisschen an die Hand zu nehmen, wird so aber gänzlich die Atmosphäre zerstört… beziehungsweise lässt dieser künstlerische(?) Kniff überhaupt nicht zu, dass sich überhaupt nur ansatzweise Atmosphäre aufbaut. Die eindimensionale Erzählweise gibt dem ganzen Werk dann noch den Todesstoß. Die steifen Action-Sequenzen wirken ebenso deplatziert, wie der gesamte Stil, in dem sich „El Che“ präsentiert… inhaltlich UND visuell.

Von der Pop-Ikone zur Karikatur

Die monotonen Zeichnungen von Stefano Cattaneo reißen das Ruder leider auch nicht mehr rum. Zu ungelenk kommen die teils schlampig und zu grob gestalteten Charaktere rüber. Lediglich Räumlichkeiten und Umgebungen können mit Details und wenigstens etwas Tiefe punkten. Dies kann man bei den Figuren nicht behaupten. Diese gleichen sich, bis auf wenige Abänderungen, wie ein Ei dem anderen und erwecken allesamt den Eindruck, als hätten sie Lippen-Herpes im Endstadium. Was hat der Zeichner sich denn bitte dabei gedacht? Auf Farbe wurde übrigens gänzlich verzichtet, was ich aber schon fast als Segen betrachte. Jedoch hätten es gerne Grauabstufungen sein dürfen, damit „El Che“ wenigstens ein BISSCHEN Räumlichkeit erfährt, aber… Nein. Auch da schaut man als enttäuschter Leser in die Röhre.

Fazit:

Es ist wirklich schade, dass das ansonsten hochwertige Hardcover aus dem Knesebeck Verlag in allen inhaltlichen Punkten versagt. Wer wirklich etwas über die popkulturelle Ikone, den Freiheitskämpfer und Menschen Ernesto Rafael Guevara de la Serna erfahren möchte, greift entweder direkt zu einer geschriebenen Biografie, von denen es gleich mehrere auf dem Markt gibt, oder gönnt sich die Comic-Biografie „Che“ von Héctor Oesterheld und Alberto & Enrique Breccia, welche zwar auch in schwarz-weiß daherkommt, aber zeigt, wie man es RICHTIG macht. Zudem liefert sie eine detaillierte Chronologie über die wichtigsten Stationen im Leben von Guevara. Juan Martin Guevara veröffentlichte 2017 unter dem Namen „Mein Bruder Che“ auch seine eigene Sicht auf das verstorbene Familienmitglied. Auch deutsche Künstler nahmen sich der Kuba-Thematik an und so kann ich interessierten Lesern die Comic-Biografie „Castro“ von Reinhard Kleist nahelegen. An dessen grandioser Zeichenkunst kann sich Stefano Cattaneo mal ein Beispiel nehmen… ein Unterschied wie Tag und Nacht.

El Che

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