Text:   Zeichner: Yoshiharu Tsuge

Der nutzlose Mann

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Nina Pimentel Lechthoff
9101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2020

Story

Was macht eine Person nützlich, wann ist eine Person nutzlos? Mit dieser Frage beschäftigen sich die Kurzgeschichten und haben mich zum Nachdenken angeregt. Das hat bei einigen Geschichten besser funktioniert als bei anderen, aber im Großen und Ganzen sind alle zwölf Kurzgeschichten absolut lesenswert.

Zeichnung

Mir gefällt die Mischung aus cartoonhaft überzeichneten Figuren und den detailreichen, teilweise sogar sehr realistischen Hintergründen. Was mir aber vor allem positiv aufgefallen ist, ist die Darstellung der Ehefrau eines der Protagonisten, denn in fast allen Geschichten sieht man ihr Gesicht nicht.

Die Bibel des nutzlosen Mannes

Welcher Nutzen hat der Mensch?

Steine verkaufen, alte Kameras reparieren, ziellos durch die Gegend spazieren – die Protagonisten der Kurzgeschichten, die im Band Der nutzloseMann versammelt sind, sind richtige Nichtsnutze. Aber was bedeutet das, ein Nichtsnutz sein, ein „nutzloser Mann?“

Kleine fiktionale Autobiographien

Yoshiharu Tsuge ist dafür bekannt geworden, das Genre des Shishosetsu (Ich-Romans) im Manga umzusetzen. Im Ich-Roman verwebt der Autor Fiktion und Realität, indem er seine Erfahrungen und Erlebnisse möglichst realitätstreu wiedergibt und dieses Ausgangsmaterial als Grundlage für die fiktionale Geschichte nutzt.

Und genau so sind die Kurzgeschichten, die im Sammelband „Der nutzlose Mann“ zu lesen sind. Die meisten Geschichten haben unterschiedliche Protagonisten, sie alle vereint die Tatsache, dass ihre Handlungen von den Menschen in ihrer Umgebung als „nutzlos“ angesehen werden. Der Protagonist der ersten Geschichte, „Das Langeweilezimmer“, hat sich ein Zimmer gemietet, in dem er sich zurückzieht, um nichts zu machen. Als seine Frau davon erfährt, verwandelt sie dieses Zimmer in etwas „Nützliches“. Sie dekoriert das Zimmer und stellt dort Möbel rein. Der Protagonist könne dort doch seine Mangas zeichnen.

Das ist noch eine Sache, die die Protagonisten gemein haben: Sie alle sind Manga-Zeichner, die des Zeichnens überdrüssig geworden sind und eine neue Beschäftigung suchen. Hier liegt der autobiographische Teil der Kurzgeschichten. Am Ende des Sammelbands gibt es ein Nachwort, wo der Comic-Historiker Ryan Holmberg über die Verbindungen zwischen den Kurzgeschichten und das Leben von Yoshiharu Tsuge erzählt. Dort erfährt man sehr viel über Tsuge, nicht nur was seine literarischen Werke angeht, sondern auch über sein Privatleben. So erkennt man, wie viel von Tsuge in seinen Protagonisten steckt, wo aber Autor und Figuren sich auch deutlich unterscheiden. Ähnlich wie schon in „Rote Blüten“ hilft das dabei, die Kurzgeschichten in einem neuen Licht zu sehen. Deswegen ist auch „Der nutzlose Mann“ ein Manga, den man öfters lesen sollte, um den Inhalt vollkommen zu verstehen.

Karikaturen vor fast realistischer Kulisse

Was „Der nutzlose Mann“ mit dem anderen Sammelband mit Geschichten von Yoshiharu Tsuge, „Rote Blüten“, gemein hat, ist der Zeichenstil. Die Figuren sind sehr karikaturhaft gezeichnet: Der Vogelhändler aus der Geschichte „Der Herr der Vögel“ hat einen an einen Pfirsich erinnernden Kopf, trägt eine große Brille mit runden Gläsern und sein Mund schwebt direkt über seinem Kinn. Der Mangaka Sukegawa Suzeko, der Protagonist der meisten Kurzgeschichten, hat einen sehr langen Kopf und einen Schnurrbart, von einem Mund ist nichts zu erkennen. Bei ihm lebt die Mimik von seinen sehr ausdrucksvollen Augen, die meistens sehr traurig aussehen. Für mich am interessantesten ist aber die Ehefrau von Suzeko. In vielen der Kurzgeschichten, in denen ihr Mann der Protagonist ist, sieht man ihr Gesicht nicht. Entweder wird sie von hinten gezeigt, oder ihr Gesicht ist verdeckt. Ich finde das eine sehr eindrucksvolle Art zu zeigen, wie weit sie und ihr „nutzloser Mann“ voneinander entfernt sind, auch wenn sie eigentlich ständig zusammen sind.

Anders als die Figuren, sind die Hintergründe sehr detailliert – und fast realistisch – gezeichnet.  In einer Geschichte erzählt Suzeko von einem Bekannten, der ein Antiquariat in seinem Wohnzimmer hatte. Über mehrere Panels kann man sich dabei verlieren, die Regale des Antiquariats zu durchstöbern, denn überall kann man etwas finden: eine alte Puppe, unzählige Kameras, Kuckucksuhren, Bilder in Rahmen, undundund.

Der Kontrast zwischen den sehr „einfachen“ Figuren und den sehr detailreichen Hintergründen gefällt mir sehr und erinnert an die Werke von Shigeru Mizuki, für den Yoshiharu Tsuge sehr lange als Assistent tätig war. Mir gefällt dieser Stil sehr, vor allem, weil – bei aller karikaturistischen Darstellung – die Figuren richtig ausdruckstarke Gesichter haben.

Fazit:

„Der nutzlose Mann“ ist eine sehr gelungene Studie darüber, was uns in unserer Gesellschaft zu nützlichen Menschen macht – oder eben, wie der Titel schon verrät, zum Nichtsnutz. Zwar spielen die Geschichten im Japan einer vergangenen Ära, kann man den Kurzgeschichten aber dennoch sehr viel entnehmen. Großartig finde ich auch, dass das Nachwort Lesern wie mir, die nicht viel über den Autor oder über japanische Literatur wissen, eine neue Perspektive auf das Werk eröffnet.

Der nutzlose Mann

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