Text:   Zeichner: Martín Tognola

Der Bus

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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonOkt 2021

Story

Das geht ans Herz. Zwischen Tiefschlägen, seltenen Glücksmomenten und dem Leben auf der Straße. Ehrlich, dramatisch, liebenswert und auf jeder der 180 ein echter Genuss.

Zeichnung

Nicht preisverdächtig, aber Tognola schafft es, die Geschichte zu transportieren.

…mit Ruhe und Gemütlichkeit

Papa-Bär

Der gutmütige Bär ist Anfang 40, weiß aber dennoch nicht, wohin er im Leben möchte. Hier mal falsch abgebogen, dort in einer Sackgasse gelandet und seitdem im Kreisverkehr unterwegs. Ohne Job und ohne Wohnung lebt er in einem kleinen Bus und hält sich mit Stadtführungen durch Barcelona über Wasser. Er kutschiert Touristen durch die Metropole und bietet ihnen mit seinen Freunden eine Rundfahrt der ganz besonderen Art. Außerdem hilft er, wo er nur kann. Meistens kleinere Reparaturen, für die er sich bei Geldmangel seiner Kunden auch mit einem leckeren Abendessen bezahlen lässt. Geht es nicht gerade um das Anzapfen fremder Internet-Leitungen, ist er eine ehrliche Haut und trägt das Herz am rechten Fleck. Ein wahrer Überlebenskünstler. Seine Ex-Frau weiß allerdings nichts von seinem Lebensstil und denkt, dass Bär berufstätig ist und in einem schicken Loft wohnt. Sonst wäre sie wohl auch nicht damit einverstanden, dass er Zeit mit der gemeinsamen Tochter verbringt. Soweit möchte Bär es keineswegs kommen lassen, denn Violetta ist sein Ein und Alles. Trotz ständiger Geldnot möchte er seiner Tochter etwas bieten… und Not macht erfinderisch. Ein Glück, dass beide mit einer blühenden Fantasie gesegnet sind und Freude in den kleinen Dingen finden können.

Mitten zwischen Geldsorgen, dem Versuch herauszufinden, wohin er eigentlich möchte, und phantastischen Kurztrips außerhalb unserer Realität mit Violetta, tritt plötzlich die attraktive Penelope in Bärs Leben. Ihr braucht er nichts vorzumachen. Er kann sein wie er ist… und sie hört ihm zu. Und er hört ihr zu. Bär ist verliebt. Doch sind Bären überhaupt für die Liebe gemacht?

Das Herz am rechten Fleck

„Der Bus“ ist einer dieser Comics, die man aufschlägt und sofort weiß, dass man ein glückliches Händchen bei der Wahl des Lesestoffs hatte. Spätestens nach Beenden des Buches wird man bemerken, dass die Temperatur ein paar Grad nach oben geklettert ist. Autor Ramon Pardina hat ein derart positives Werk abgeliefert, welches vielleicht genau zur richtigen Zeit kommt. Ein bisschen Mitgefühl hier, ein amüsiertes Schmunzeln dort und immer wieder wärmende zwischenmenschliche Momente, die den Herbst plötzlich nicht mehr ganz so grau in grau erscheinen lassen. Ja, sowas brauchen wir definitiv häufiger. Dabei gelingt Pardina das Kunststück, die Gesellschaft zwar kritisch zu betrachten, dieses aber nicht überzustrapazieren. Er lässt hinter Fassaden blicken, gibt sich aber nicht damit zufrieden, nur Schwarz und Weiß zu karikieren. Nüchtern, gern mal verträumt, dann wieder nachdenklich und melancholisch… und angenehm klischeefrei.

Erschienen ist „Der Bus“ als wertiges Hardcover im INSEKTENHAUS Verlag von Alexander Kaschte. Der Autor, Verleger und Frontmann des Musikprojekts „Samsas Traum“ hat nicht zum ersten Mal ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Comic-Veröffentlichungen bewiesen. Neben Erotik der härteren Gangart und handfestem Horror in den „Trauma Tales“, in denen er Songs seiner Band in bester EC COMICS-Manier verewigt, kommen immer mehr künstlerisch und inhaltlich anspruchsvolle Werke ans Tageslicht, die den Verlag im positiven Sinne „unberechenbar“ machen. Darunter die edle Jules Verne-Adaption „20.000 Meilen unter dem Meer“ und die optisch herausragenden Bilderwelten in „Van Gogh - Fragmente eines Lebens in Bildern“, der Märchen-Interpretation „Rotkäppchen“ und „Niemand außer dir“, allesamt von Danijel Žeželj illustriert. Sollte man als Freund der Neunten Kunst unbedingt auf dem Schirm haben.

Die Sonne Spaniens…

…wärmt nicht nur Strand-Touristen. Sie scheint auf jeder Seite und strahlt die Leserinnen und Leser förmlich an. Der warme Orange-Ton, in dem das komplette Buch gehalten ist und der in unterschiedlicher Intensität den einzigen Farb-Akzent darstellt, ist von Beginn an einnehmend. Eine markante Note, wenn man so will. Zeichner Martín Tognola ist nun nicht die künstlerische Entdeckung des Jahrzehnts, so ehrlich darf man schon sein. Dafür haben die manchmal groben, vielleicht schlichten Skizzierungen ihren ganz eigenen Charme. Ich bin mir sicher, dass Ihr nach ein paar Seiten wissen werdet, was ich meine. Mir reichen die klobigen Figuren, denn sie transportieren den Kern der Geschichte aussagekräftig genug. Genug, dass ich zu jedem Zeitpunkt mitfühlen konnte. Genug, dass mich Ramon Pardina dort ansprach, wo ich angesprochen werden sollte. In „Der Bus“ steckt letztendlich mehr Wärme, als künstlich aufgeblähte State-of-the-Art-Illustrationen mir mit seichtem Inhalt vorgaukeln könnten. Mehr Schein als Sein gibt es wahrlich genug… nicht nur in Comic-Form. Hier sieht man vorzüglich, was gutes Storytelling ausmacht. Und Autor und Künstler scheinen sich hier sehr gut zu ergänzen. Mittlerweile möchte ich mir den klumpigen Überlebenskünstler Bär gar nicht mehr anders vorstellen wollen.

Fazit:

Ein gesellschaftskritisches Drama, welches den Drama-Anteil nicht überstrapaziert. Glücklicherweise, denn „Der Bus“ ist eine warmherzige Geschichte über die bedingungslose Liebe eines Vaters für seine Tochter. Zwar wird schmerzhaft verdeutlicht, wie schnell ein sozialer Abstieg erfolgen kann, doch daran klammert sich der Comic nicht fest. Hier wird nicht pausenlos in der Wunde gebohrt, sondern mit schützenden Pflastern umhergeworfen. Parteien in zwei Lager zu spalten und Menschen auf Grund unvorhergesehener Lebensumstände einen Stempel aufzudrücken wäre zu einfach. Da steht „Der Bus“ mit seinen grundsympathischen Charakteren und ganz viel Herz haushoch drüber.

Der Bus

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