Das Nest (Gesamtausgabe 2)

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Nina Pimentel Lechthoff
10101

Comic-Couch Rezension vonFeb 2022

Story

Mir hat die Story vom zweiten Band wesentlich besser gefallen. Vor allem, wie sich Marie von den antiquierten Vorstellungen des Dorfs – und auch von Serge – emanzipiert, finde ich spannend. Den Punktabzug gibt es für die unbeständige Erzählerstimme, die unvermittelt erscheint und genauso plötzlich wieder verschwindet.

Zeichnung

Die Dorfatmosphäre strömt hier aus jeder Pore. Auf allen Ebenen – von den sehr markanten Figuren über die unaufgeregte Farbgebung bis hin zu der Gestaltung der Panels – hatte ich das Gefühl, diese Geschichte und ihre Figuren zu verstehen und ihnen nahe zu sein.

Ein (ganz und gar nicht) verschlafenes Nest

Was bisher geschah…

Maries Ehemann stirbt und auf einmal muss sie allein den einzigen Gemischtwarenladen in Notre-Dame-des-Lac führen. Als Serge auftaucht, ein Mann von Welt aus der Großstadt, findet Marie einen Seelenverwandten. Doch im verschlafenen Dorf irgendwo in der kanadischen Provinz hat jeder seinen festgelegten Platz und ein Fremder wie Serge wird erst einmal streng unter die Lupe genommen.

Im zweiten Band der Gesamtausgabe von „Das Nest“ ist Serge aber schon zum Teil der Gemeinde geworden. Jetzt zerreißen sich die Bewohner nicht mehr darüber das Maul, wie befremdlich Serge ist, sondern über die Beziehung von Serge und Marie. Denn beide leben im gleichen Haus – auch wenn in unterschiedlichen Zimmern. Alle in Notre-Dame-des-Lac wollen eine Heirat sehen. Auch Marie ist von Serge sehr angetan. Was aber nur Marie weiß: Serge ist schwul.

Maries Reise zum Ich

Im zweiten Band der Gesamtausgabe von „Das Nest“ steht der Konflikt zwischen Moderne und Tradition in Notre-Dame-des-Lac im Fokus. Dieser wird an verschiedenen Stellen ausgetragen. Serges Homosexualität bleibt nicht lange geheim und einige seiner Freunde müssen sich mit dieser Seite von Serge auseinandersetzen. Am öffentlichsten und offensichtlichsten wird dieser Konflikt in Maries Geschichte ausgetragen. Nach dem Tod ihres Mannes blüht in Marie eine neue Leidenschaft. Sie verliebt sich in Serge, aber als dieser ihre Gefühle nicht erwidert bzw. nicht erwidern kann, erfährt sie diese Liebe von einem jüngeren – und vergebenen – Mann. Als diese kurze Affäre im Dorf bekannt wird, schließen vor allem die Dorffrauen Marie konsequent aus. Um den Groll der Dorfbewohner zu entgehen, flieht Marie in die Großstadt. Ihre Emanzipation, die mit dem Tod ihres Mannes begonnen hat, nimmt für Marie an Fahrt auf. Während sie in der Großstadt aufblüht, merken die Dorfbewohner, was für ein integraler Bestandteil ihrer Gemeinschaft Marie ist. Es ist zwar Schade, dass es zum Bruch kommen musste, damit sie das verstehen, aber es ist schön zu sehen, dass eine Witwe so wichtig für diese doch sehr konservative Gesellschaft ist.

Von „sehr gut“ zu „hervorragend“

Beim ersten Band der Gesamtausgabe von „Das Nest“ habe ich lange gebraucht, um in die Geschichte reinzukommen. Das war beim zweiten Band überhaupt nicht der Fall. Ich war sofort drin – auch wenn ich die ganzen Figuren und ihre Beziehungen zueinander nicht mehr auf dem Schirm hatte. Während ich mich beim ersten Band von Kapitel zu Kapitel gehangelt habe, habe ich Band zwei in einem Rutsch durchgelesen.

Das liegt auf keinen Fall an den Bildern, denn sie sind wie schon im ersten Band hervorragend. Die Figuren haben alle etwas Karikaturhaftes an sich, sodass man sie sehr gut voneinander unterscheiden kann – bei der Fülle an Figuren ist das aber auch notwendig. Die Farbgebung ist sehr unaufgeregt. Die gedeckten Töne passen gut zur Atmosphäre.

Am meisten gefällt mir aber der Erzählfluss, der mich von Panel zu Panel getragen hat. Manchmal gibt es sehr viel Text zu lesen, aber die Sprechblasen sind so angeordnet, dass man sich gut zurechtfinden kann. Die besten Passagen sind für mich aber die, die vollkommen ohne Text auskommen. Da kann man zur Ruhe kommen und die Idylle des Dorflebens genießen.

Mein einziger Kritikpunkt ist – wie schon im ersten Band – die Erzählstimme. Manchmal kommt nämlich der verstorbene Mann von Marie zu Wort und kommentiert das Geschehen, ein bisschen so, als würde er Marie ein Brief schreiben und seine Meinung zu dem äußern, was gerade passiert. Mein Problem damit ist nicht, dass diese Erzählstimme da ist, ganz im Gegenteil: Ich finde es sehr interessant, wie ein ehemaliges Dorfmitglied, das als Geist nun mal mit der Vergangenheit verknüpft ist, auf die Neuerungen im Dorf reagiert. Das Problem für mich liegt eigentlich darin, dass diese Erzählerstimmte erst gar nicht da ist, dann sehr unvermittelt erscheint und genauso plötzlich zwischendurch verschwindet.

Fazit:

Aber ausgenommen der Erzählerstimme kann ich nur Positives zu „Das Nest – Gesamtausgabe 2“ sagen. Die Bilder sind wie schon im ersten Band hervorragend. Die Details, die Farben, der Panelfluss – alles, was am ersten Band für mich funktioniert hat, hat mir in Band 2 noch besser gefallen. Ich bin auch ein großer Fan des Handlungsstrangs von Marie und bin sehr gespannt, wie ihre Emanzipationsgeschichte weitergehen wird!

Das Nest (Gesamtausgabe 2)

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