Text:   Zeichner: Nicolas Bara

Das Konzil der Bäume

Das Konzil der Bäume
Das Konzil der Bäume
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Marcel Scharrenbroich
8101

Comic-Couch Rezension vonSep 2018

Story

Aufgrund des mit 64 Seiten leider geringen Umfangs, wirkt die Story leicht gehetzt. Ansonsten tolle und spannende Unterhaltung mit einem großartigen Duo, von dem man mehr sehen möchte. Ein Punkt Abzug für das unpassende und plötzliche Romantik-Gesäusel.

Zeichnung

Gemessen am Grusel-/Mystery-Aspekt der Geschichte ungewohnt cartoonig… auf den zweiten Blick aber genau die richtige Wahl, um aus der Masse herauszustechen. Die hervorragende Kolorierung versprüht glaubwürdig den viktorianischen Charme.

Kasimir & Artemis: Götterjäger

Die viktorianischen X-Akten

Direkt im ersten Panel werden wir mit einem einsamen und unwirtlichen Gebäude konfrontiert, welches bedrohlich-imposant auf einem Hügel am Waldrand thront. Bei dem steinernen Gemäuer handelt es sich um ein „Hospital für Frauen und Kinder“. Hört sich nicht gerade einladend an und das schummrige Mondlicht, das durch die nächtliche Wolkendecke fällt und das Gebäude in einen mystischen Schimmer taucht, verstärkt diesen ersten Eindruck nur noch. Innerhalb der Mauern geht es auch nicht harmonischer zu, da sich dort regelmäßig zu nächtlicher Stunde ein mysteriöses Phänomen zuträgt. Um Punkt Mitternacht erheben sich die dort untergebrachten Kinder aus ihren Betten und schreiten wie in Trance geschlossen aufs Dach des Hospitals, um dort - angeordnet in einem Kreis – eine seltsame Zeremonie abzuhalten. Mit den Armen in der Luft rudernd und mit zu Fratzen verzerrten Gesichtern stimmen sie einen fremdartigen Gesang ungewissen Ursprungs an. Das allnächtliche Ritual findet bereits seit mehreren Wochen statt und lässt das gesamte Personal ratlos zurück… vor allem, da auch die beteiligten Kinder keinen Aufschluss geben können. Jede Nacht kehren sie nach ihrem dreißigminütigen Ausflug wieder in ihre Betten zurück, als wäre nichts gewesen… und können sich am nächsten Morgen an nichts erinnern. Für den Leiter der Einrichtung, Amilcar Ziehfuss, und den behandelnden Arzt, Doktor Rufus Mortemanus, ist es Zeit aktiv zu werden. So wird das „Öffentliche Ministerium für Privatangelegenheiten“ mit dem mehr als seltsamen Fall betraut, das sogleich zwei seiner besten Mitarbeiter zur Aufklärung entsendet.

Miraculix und seine Brüder

Bei ihrer Ankunft im Hospital erfährt das ermittelnde Duo Kasimir Duprey und Artemis Hartcourt von Doktor Mortemanus, dass es sich bei den sieben Kindern, die für das nächtliche Mysterium verantwortlich sind, um Mädchen und Jungen handelt, die von der Polizei in einer Waldlichtung aufgefunden wurden, nachdem sie allesamt unter unerklärlichen Umständen von zuhause verschwunden waren. Sie wurden bereits in einem katatonischen Zustand in die Obhut des Hospitals gegeben, wo sie vom Doktor untersucht und von Krankenschwester Wilma versorgt wurden. Den Ermittlern ist zudem schon bekannt, dass in den letzten Monaten mehrere Mitarbeiter der Einrichtung spurlos verschwanden und ein vom „Ministerium“ geschickter Kollege, der diesen Fall untersuchte, ebenfalls nicht mehr auftauchte. Kasimir und Artemis ist die Sache nicht geheuer und schon bald merken sie, dass ihre Nachforschungen nicht unbedingt erwünscht sind. Dem Direktor liegt mehr an dem guten Ruf seines Hauses als an der Lösung des Mysteriums… ebenso ist ihm mehr daran gelegen, die Schnüffler und ihre neugierigen Fragen loszuwerden, als dass den Kindern möglichst schnell geholfen wird. Die vorgehaltene Waffe des zerknirschten Aufsehers Agamemnon lässt Kasimir und Artemis den unfreiwilligen Rückzug antreten, doch so schnell geben sie sich nicht geschlagen. An diesem Arbeitseifer können sich andere Behörden mal ein Beispiel nehmen, denn auch nächtliche Überstunden nehmen die beiden investigativ in Kauf.

Während ihrer Nachforschungen merken die Ermittler schnell, dass sie einer größeren Sache auf der Spur sind. Ungeahnte Unterstützung bekommen sie ausgerechnet von der gutherzigen Krankenschwester Wilma, die die einst grausame Ermordung einer Druiden-Bruderschaft durch römische Invasoren offenbart. Welche Verbindung zwischen den Druiden und den aktuellen Geschehnissen liegt, gilt es schnellstens herauszufinden. Die rätselhafte Lichtung, an der die verwirrten Kinder aufgegriffen wurden, rückt ins Blickfeld von Artemis und Kasimir und schon bald sehen sie sich mit blutenden Bäumen, schaurigen Ritualen, unheimlichen Kräften und vergessenen Göttern konfrontiert.

Wer braucht schon Sherlock Holmes…

…wenn man ein dynamisches Ermittler-Duo wie Kasimir Duprey und Artemis Hartcourt auf seinen Fall ansetzen kann? Nun, natürlich kann dem weltbesten Detektiv und seinem treuen Freund und Begleiter Dr. Watson niemand so schnell das Wasser reichen, doch die ungleiche Pärchen-Dynamik, die an die Protagonisten aus „Mit Schirm, Charme und Melone“ oder die langjährigen FBI-Agenten Mulder und Scully erinnert, hat durchaus ihren Reiz. Es macht Spaß, die taffe Lady Artemis - die zur (positiven) Abwechslung mal nicht in jedem zweiten Panel heldenhaft aus einer misslichen Lage gerettet werden muss und eher an eine viktorianische Lara Croft erinnert – und dem bärbeißigen Kasimir – der trotz seiner harten Schale in seinem trauten Heim liebevoll von seiner mütterlichen „Nanny“ betüddelt wird… und bei dem ich aus irgendeinem Grund dauernd an Hugh Jackman denken musste – bei ihrer Arbeit zuzuschauen. Allein das erste Zusammentreffen im „Öffentlichen Ministerium für Privatangelegenheiten“ sorgt für ein charmantes Schmunzeln beim Leser. Die genretypischen Neckereien zwischen den beiden dürfen natürlich ebenso wenig fehlen, wie das obligatorische Knistern, das bei ähnlichen Konstellationen auch immer wieder durchblitzt.

Und genau HIER ist mein einziger Kritikpunkt, welcher mir die Haare zu Berge stehenließ, so dass ich am liebsten ins Panel gehüpft wäre… beziehungsweise dem Autoren mal kräftig an den Ohren gezogen hätte! Mit nur einem… besser gesagt, mit nur ZWEI Sätzen verpufft diese angenehm kribbelige Atmosphäre zwischen den Protagonisten und die sarkastischen Sticheleien lösen sich in schmalzig-fluffigen Watte-Wölkchen auf. Hier war der Moment gekommen, wo ich augenrollend und mit übertriebenen Kuss-Lauten eine kleine Pause einlegte, um das bis dahin perfekte Lese-Erlebnis kurz zu unterbrechen. Gut… ich hatte auch ein kleines Hüngerchen und der Moment bot sich halt gerade für eine kurze Auszeit an… aber danach ging es weiter. Frisch gestärkt (und dank des schnulzigen Ergusses von Pierre Boisserie auch mit etwas Sodbrennen) beendete ich „Das Konzil der Bäume“ und war heilfroh, dass der Autor nach diesem Fauxpas erneut die Kurve gekriegt hat und den Band stark zu einem gelungenen Ende gebracht hat. Leider war die abgeschlossene Geschichte zu schnell vorbei und nach dem Zuklappen des optisch fantastischen Hardcovers hab ich Lust auf mehr… und hey, das Sodbrennen ist auch weg!

Mut zur Knolle!

Auch wenn die Charaktere in „Das Konzil der Bäume“ deutlich überzeichnet sind und mit ihren knolligen Riechkolben eher an Cartoon-Figuren erinnern, schmälert dies den Gesamteindruck nicht. Vergleiche mit „Malcolm Max“ – von Peter Mennigen und Ingo Römling - liegen nahe und sind gar nicht mal so abwegig. Auch musste ich das ein oder andere Mal an einen meiner All-Time- Favorites „Offenbarungen“ denken. Dort sind die Akteure ebenfalls etwas unproportioniert dargestellt, was dem fantastischen Zeichner Humberto Ramos zu verdanken ist, der dem Werk erst durch diese Tatsache seine (meiner Meinung nach) Einzigartigkeit verleiht. „Das Konzil der Bäume“ spielt zwar nicht ganz in dieser Liga, kann sich aber einen ähnlich kreativen „Unikat“-Stempel aufdrücken, den der eigenwillige Stil durchaus verdient hat. Die Story selbst verkommt – trotz des anfänglich befremdlichen Charakter-Designs - nie zur Lachnummer und liefert - trotz gut dosiertem Humor – eine spannende Handlung. Die comichaften Protagonisten wirken erstaunlich stimmig in dem gelungen dargestellten viktorianischen Setting. Die Örtlichkeiten sind atmosphärisch in Szene gesetzt und versprühen eine gewisse und angemessene Bedrohlichkeit. Die bräunlich-warmen Erdtöne und die kreativ-abwechslungsreichen Perspektiven lassen eine perfekte Mystery-Stimmung aufkommen.

Fazit:

„Das Konzil der Bäume“ aus dem Splitter Verlag würde ich als gelungene Herbst-Lektüre bezeichnen. An Tagen, die wieder kühler und kürzer werden und an Abenden, die sich mit dicker Decke und Heißgetränk nach Wahl wieder gemütlicher gestalten lassen, bietet der abgeschlossene Band eine dichte und spannende Lesestunde mit sympathischer Charakter-Dynamik und hohem Mystery-Faktor. Deftigen Horror sucht man hier zwar vergebens, für wohligen Grusel mit auflockernden Sticheleien, seitens des ungleichen Duos, reicht es aber allemal.

Das Konzil der Bäume

Pierre Boisserie, Nicolas Bara, Splitter

Das Konzil der Bäume

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