Text:   Zeichner: Tillie Walden

Auf einem Sonnenstrahl

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Nina Pimentel Lechthoff
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Comic-Couch Rezension vonMai 2021

Story

Die Liebesgeschichte zwischen Mia und Grace ist eine tolle Coming-of-Age-Geschichte und hat mich umgehauen. Dass auch die anderen Figuren sehr gut ausgearbeitet sind und jeweils ihre eigene Entwicklung durchmachen, ist das Sahnehäubchen obendrauf.

Zeichnung

Jede einzelne Seite und jedes einzelne Panel hat es verdient, auf Leinwand im Museum zu hängen. Das Zusammenspiel aus Farben und Licht ist wunderbar gelungen und die Figuren sind simpel, aber unfassbar ausdrucksstark gezeichnet.

Coming-of-Age in Space

Eine magische Liebesgeschichte

Was gibt es Schöneres, als eine Liebesgeschichte zwischen den Sternen? So könnte man ganz kurz die Handlung von Tillie Waldens Comic „Auf einem Sonnenstrahl“ beschreiben. Die junge Mia lebt in einem Internat in den Sternen. Als eines Tages die mysteriöse Grace in der Schule auftaucht, ist sie sofort fasziniert von dem Mädchen. Langsam blüht eine innige Freundschaft zwischen ihnen auf, die im Laufe der Zeit zu Liebe wird.

Jahre später heuert eine älter gewordene Mia auf einem Raumschiff an, deren Besatzung baufällige Weltraumarchitektur wieder in Schuss bringt. Der Alltag ist anstrengend und auch nicht ohne Gefahren. Aber schnell wird die Mannschaft zur Familie für Mia. Und diesen Zusammenhalt braucht sie, denn Mia hat einen Plan: Sie will Grace wiederfinden. Dafür muss sie aber ans Ende der Galaxie.

Space Opera trifft Coming-of-Age

Auf über 500 Seiten entführt uns Walden in eine atmosphärische Welt im All. Neue Planeten, seltsame Sportarten, Raumschiffe... In „Auf einem Sonnenstrahl“ ist alles neu und frisch, nichts scheint abgekupfert oder geklaut zu sein. Und auch wenn man auf Erklärungen oder eine Einführung in diese neue Welt vergeblich wartet, wirkt nichts zusammenhangslos oder verwirrend. Dafür ist die Geschichte, die Walden erzählt, einfach zu einnehmend und die Figuren zu stark. Fragen wie „warum schweben Gebäude einfach so im Weltall herum?“ oder „warum gibt es keine Männer?“ sind mir zwar kurz durch den Kopf geschossen, aber genauso schnell waren sie mir wieder egal.

Die Geschichte von „Auf einem Sonnenstrahl“ wird auf zwei Zeitebenen erzählt: Mias Zeit im Internat und ihr Leben auf dem Raumschiff. Diese wechseln sich immer mal wieder ab, sodass sich die beiden Zeitstränge sehr gut ergänzen. Fragen, die sich auf der einen Zeitebene ergeben, werden im nächsten Wechsel beantwortet. Dabei entstehen kleine Cliffhanger, die mich immer wieder zum Weiterlesen angeregt haben.

„Auf einem Sonnenstrahl“ erzählt zwar die Geschichte von Mia, doch ihre Figur ist nicht die einzige, die im Laufe des Comics erwachsen wird. Die anderen Besatzungsmitglieder haben alle ihre eigenen Kämpfe, die sie ausfechten müssen. In dieser zusammengewürfelten Familie gibt es immer wieder mal Zoff, aber wenn es hart auf hart kommt, halten sie sich gegenseitig den Rücken frei.

Diversität, Diversität, Diversität

Tillie Waldens Comics erzählen allesamt queere Geschichten – sei es der autobiografische „Pirouetten“, der verträumt-fantastische „West, West Texas“ oder eben der spacige „Auf einem Sonnenstrahl“. Mit Charlie und Alma zeigt sie, wie eine langjährige Partnerschaft auf Augenhöhe aussehen kann, mit Mia und Grace lernen wir eine junge Liebe kennen, die das ganze Weltall nicht zu trennen vermag. Die Figur Elliot ergänzt das Gefüge der LGBTQ-Charaktere. Xier redet nicht und ist nichtbinär – beides Umstände, die die Figuren auf Anhieb akzeptieren und im Laufe der Geschichte auch nicht weiter Thema sind. Bis eine neue Figur dazustößt und die Familie durch ihr intolerantes Verhalten dazu bringt, dagegen zu rebellieren.

Reduzierte Farben, verträumte Bilder

Ich liebe Tillie Waldens Zeichenstil. Er verbindet Manga-Ästhetik mit viel Liebe zum Detail. Es ist fast so, als würde man einen Ghibli-Film schauen, nur dass die Farben fehlen. Obwohl die Gesichter der Figuren sehr simpel gezeichnet sind – alle haben die gleiche Mund-Nase-Knopfaugen-Kombi – verströmen die Gesichter unfassbar viel Emotionen. Was den Figuren vielleicht an Komplexität fehlt, machen die Hintergründe mehr als wett. Mias Zimmer im Internat, die baufälligen Weltraumgebäude, die Kabinen im Raumschiff und das Raumschiff an sich – alles strotzt nur so vor Details. Immer wieder gibt es große, ganzseitige Bilder im Comic, die mir einfach die Luft genommen haben!

Nicht nur die detailreichen Bilder haben mich umgehauen, sondern vor allem die Farben. Diese sind im Großen und Ganzen sehr reduziert, vor allem wenn Mias und Graces Zeit im Internat gezeigt wird. Meistens ist eine Mischung aus Schwarz, Weiß und einer anderen Farbe zu sehen. Aber ich hatte nie das Gefühl, dass die Bilder farblos seien. Wie Walden die Farben einsetzt ist einfach nur schön. Manchmal werden Akzente gesetzt, wie z.B. Graces Schuhe, die gelblich schimmern. Oder die Farbe wird invertiert, wie etwa in der Szene, als Mia und Grace sich das erste Mal küssen. Die Farbe Rot schien über mehrere Seiten hinweg von außen ins Bild hinein – mal als Licht, dann als Weg, am Ende als Wasser – bis die Figuren rot sind und der Hintergrund Pechschwarz und die beiden sich küssen. Nur beim darüber nachdenken kommen mir die Tränen!

Fazit:

Eigentlich bleibt nur eines zu sagen: „Auf einem Sonnenstrahl“ ist ein absolutes Meisterwerk und schon jetzt mein Comic des Jahres. Wie Tillie Walden ihre Bilder in Szene setzt ist fantastisch, die Farbgebung ist atemberaubend und die Geschichte ist meisterhaft erzählt. Dass Walden die Geschichte über Jahre hinweg sporadisch als Webcomic veröffentlicht hat, zeigt, wie viel Gespür sie für ihre Figuren und deren Leben hat. Denn „Auf einem Sonnenstrahl“ wirkt wie aus einem Guss. Wenn man etwas kritisieren sollte, würde ich nur das Format bemängeln. Bei den großartigen Bildern hätte ich mir einen Comic in Überformat gewünscht. Aber vielleicht kommt ja irgendwann noch eine Deluxe-Version.

Auf einem Sonnenstrahl

Tillie Walden, Tillie Walden, Reprodukt

Auf einem Sonnenstrahl

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