Text:   Zeichner: Katsuhiro Otomo

Akira #1

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Marcel Scharrenbroich
10101

Comic-Couch Rezension vonJan 2018

Story

Eine dystopische Zukunftsvision, deren düsterer Grundton, gepaart mit Coming-of-Age-Elementen, universell und zeitlos ist. Ein Klassiker im Manga- und Sci-Fi-Genre.

Zeichnung

Realistische Zeichnungen, die durch Schraffuren eine hohe Dynamik erzielen. Der hohe Detailgrad überzeugt auch nach fast 40 Jahren noch.

Gangs of Neo-Tokyo

It started with a ki… ra

Man mag es kaum glauben, dass Katsuhiro Otomos Mammutwerk „Akira“ bereits 1982 in Japan seinen Anfang nahm, denn die Geschichte scheint auch nach bald vier Jahrzenten noch brandaktuell und hat nichts von ihrer Faszination eingebüßt. 1990 wurde die Reihe in ihrem Heimatland abgeschlossen und nur ein Jahr später wurde die monumentale Erzählung über ein mächtiges Wesen namens „Akira“ dank des Carlsen-Verlages auch in Deutschland veröffentlicht. Es war der Stein des Anstoßes, der eine Lawine ins Rollen brachte, die noch immer unaufhörlich weiter rast… ohne sichtbares Ziel. Ganz im Gegenteil sogar. Sie nimmt weiter an Fahrt auf.

Trotz des für Manga-Verhältnisse sehr westlich gehaltenen Stils von Katsuhiro Otomo, stellte „Akira“ auf dem deutschen Markt ein Novum dar und war ein dementsprechendes Risiko für den Verlag. Die einst für den amerikanischen Markt angepasste Version, mit gewohnter Leserichtung durch Spiegelung und neuartiger, digitaler Kolorierung, wurde von Carlsen in einem Zeitraum von fünf Jahren in 20 Bänden komplett auf den Markt gebracht und stellt damit die erste, in Deutschland vollständig veröffentlichte Manga-Reihe dar. Der Grundstein für den hiesigen Erfolg war gelegt und öffnete die Tür für unzählige weitere Projekte, die sich bis heute einer stetig wachsenden Beliebtheit erfreuen.

Der endgültige Manga-Durchbruch erfolgte dann 1996 mit „Dragon Ball“. Selbst die ungewohnte, originale Leserichtung von rechts nach links trübte den Lese-Spaß nicht und wird von den meisten Reihen auch in den aktuellen Publikationen beibehalten. Meist wird diese Weise auch von den Lesern bevorzugt und ist oftmals sogar eine Vorgabe vom Lizenzgeber. Seit Jahren gibt es auch bei uns Verlage, die sich ausschließlich auf Mangas konzentrieren und auch etablierte Häuser haben ihre Produktpalette erweitert und bedienen mit ihrer großen Auswahl so ziemlich jede Käuferschaft.

Freaks, Gangs & heiße Öfen

Im ersten Band von Otomos insgesamt 2200 Seiten umfassenden Epos wird man den titelgebenden „Akira“ noch nicht zu Gesicht bekommen. Dieser wird zuerst nur namentlich erwähnt und war der Auslöser für eine Katastrophe, mit deren Ausmaß der Leser auf den ersten, noch farbigen Seiten konfrontiert wird, bevor der Künstler die weitere Handlung in prächtigen schwarz/weiß-Bildern fortsetzt…

Eine gewaltige Atomexplosion am 6. Dezember 1992 und der daraus resultierende dritte Weltkrieg zerstörten Tokio und ebenso alle weltweiten Metropolen. 38 Jahre später ist die futuristische Stadt als Neu-Tokio wieder aufgebaut und einzig ein riesiger Krater erinnert noch an den kolossalen Einschlag. Chaos und Bandenkriminalität herrschen auf den belebten Straßen und Motorrad-Gangs liefern sich auf ihren getunten Maschinen einen erbitterten Kampf.

Eine dieser Gangs wird angeführt vom jungen Kaneda, als sich während einer nächtlichen Spritztour ein folgenschwerer Unfall ereignet. Tetsuo, der bereits seit Kindheitstagen mit Kaneda befreundet ist und verzweifelt versucht, aus dessen Schatten zu treten, rast mit seinem Bike in einen plötzlich auf der Straße auftauchenden Jungen, dessen Gesicht dem, eines Greises gleicht. Es kommt beim Aufprall zu einer Explosion, die Tetsuo schwer verletzt. Der mysteriöse Junge scheint unversehrt und ehe sich Kaneda versieht, verschwindet dieser vor seinen Augen. Das plötzlich auftauchende Militär lässt den verletzten Tetsuo ins Krankenhaus bringen… augenscheinlich.

Tatsächlich wird der bewusstlose Junge in ein militärisches Forschungslabor gebracht, wo festgestellt wird, dass die Explosion beim Unfall etwas in Tetsuo verändert hat. Welche Forschungen werden hier betrieben?

Währenddessen lernt Kaneda im Stammlokal der Gang ein Mädchen namens Kei kennen, die einer Untergrundorganisation angehört und mit ihrer Gruppe die mysteriösen Forschungen der Regierung verfolgt, in denen seltsam vergreiste Kinder eine große, aber noch unerklärliche Rolle spielen.

Indessen wachsen die unerklärlichen Kräfte von Tetsuo weiter und er droht dem Wahnsinn zu verfallen. Er fühlt sich übermächtig, zum ersten Mal in seinem Leben… und sein drohender Kontrollverlust macht ihn gefährlich… extrem gefährlich.

Kaneda schließt sich den Terroristen an, um seinen einstigen Weggefährten, der mittlerweile zum Oberhaupt der rivalisierenden „Clowns“ aufgestiegen ist, zu retten und ihn gegebenenfalls aufzuhalten, bevor sein Schicksal dem desjenigen gleich kommt, dessen Name bedrohlich über Allem schwebt… „Akira“.

Der Sprung auf die Leinwand

1988 wurde Katsuhiro Otomos dystopisches Science Fiction-Meisterwerk als Anime verfilmt. Der Schöpfer steuerte höchstpersönlich das Drehbuch bei und bekleidete auch den Regieposten. Die Manga-Vorlage wurde zum Zeitpunkt der Entstehung des Films noch nicht komplett publiziert und so stoppte die Veröffentlichung während des Produktionsprozesses und wurde erst nach der Fertigstellung des Animes fortgesetzt. Die Handlung der gedruckten Vorlage wurde für die Adaption stark gestrafft und auf einige Nebenhandlungen wurde verzichtet.

Im Mai 1991 lief „Akira“ auch in den deutschen Kinos… allerdings nur für zwei Wochen, bevor der Film von Warner Bros. im Oktober 1992 dann auf VHS veröffentlicht wurde. 2001 brachte Laser Paradise eine DVD auf den Markt. Es sollte allerdings noch bis Oktober 2014 dauern, bis der japanische Animations-Meilenstein in gebührender Qualität auf Blu-ray erschien, inklusive beider angefertigten Synchronfassungen (1991 und 2005).

Wer in den 80er-Jahren aufgewachsen ist, dürfte dort schon mit japanischer Animations-Kunst in Berührung gekommen sein, denn TV-Klassiker wie „Die Biene Maja“, „Heidi“, „Captain Future“ oder „Wickie und die starken Männer“ wurden ebenfalls im Land des Lächelns produziert und begeisterten Kinder schon lange vor „Sailor Moon“, „Dragon Ball“, „Naruto“ oder „One Piece“.

So wie „Akira“ bereits in gedruckter Form in Deutschland für weitere Veröffentlichungen den Weg ebnete, waren die Zuschauer auch nach der Verfilmung offen für andere fernöstliche Abenteuer. „Wicked City“, „Vampire Hunter D“ oder „Ghost in the Shell“ sind nur wenige Beispiele für Kontinent-übergreifende Erfolge. Vor allem die Produktionen von Studio Ghibli sind seit 1986 ein Garant für großartige Filme und wurden sogar schon mit dem Oscar oder dem Goldenen Bären der Berlinale ausgezeichnet. Aktuellstes Beispiel für den anhalten Anime-Hype dürfte wohl „Your Name.“ sein, der in seinem Heimatland alle Erwartungen toppte und zum erfolgreichsten Anime überhaupt avancierte. Nach einem limitierten Kinostart im Januar kann man sich ab Mai 2018 selbst davon überzeugen, ob der mit Kritiker-Lob überhäufte Film wirklich das hält, was der Trailer verspricht. Ich bin auf jeden Fall dabei und habe mein Exemplar schon reserviert…

„Akira“ hat, wie gesagt, viele Türen geöffnet. Nun bleibt die Frage, ob es ein anderes Buch, bzw. ein anderer Film ebenso geschafft hätte? Vielleich war die Zeit für westliche Leser/Zuschauer einfach reif… oder „Akira“ war einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort und der Carlsen-Verlag hatte den dementsprechend richtigen Riecher. Was immer es auch gewesen sein mag, Otomos „Akira“ hat mich damals weggeblasen und tut es auch heute noch. Egal, ob in gedruckter Form oder in bewegten Bildern.

Das Telefonbuch von Tokio

Katsuhiro Otomos Bilder springen den Leser förmlich an. Sie sind detailliert, actionreich und dynamisch. Die westlich angehauchten Zeichnungen waren zum Entstehungszeitpunkt einmalig für einen Manga. Otomo verzichtete auf die typischen Überzeichnungen, wie große Augen etc. und setzte bei seiner Inszenierung auf Realismus. Dieser Realismus tut der packenden Geschichte von „Akira“ durchaus gut und unterstreicht die postapokalyptische und sozialkritische Ernsthaftigkeit. Otomo reißt den Leser mit, lässt ihn schmunzeln und lässt ihn durch plötzliche Gewaltausbrüche zusammenzucken. „Akira“ ist rasant, detailreich und hart… und der erste Band zeigt schon mal deutlich, wo in Neu-Tokio der Hammer hängt.

Seit August 2001 liegt der Manga (nach der ersten Farb-Veröffentlichung in den 90ern) komplett in sechs telefonbuchdicken Bänden vor, die bis heute in mehreren Auflagen gedruckt wurden und die originale schwarz/weiß-Fassung enthalten. Anlässlich des 25. Jubiläums der deutschen Publikation, wurde „Akira“ von Carlsen im Dezember 2016 eine limitierte, farbige Gesamtausgabe spendiert, die in einer stabilen Sammlerbox geliefert wird. Enthalten sind natürlich alle sechs Bände mit Klappenbroschur, verziert mit partiellem Glanzlack. Passenderweise ist das Ganze auf 1991 Exemplare limitiert.

Fazit:

Alles Nötige wurde bereits gesagt und so fällt mein Fazit recht kurz aus: „Akira“ ist ein zeitloses Meisterwerk im Science Fiction-Genre und genießt seinen weltweit hohen Status vollkommen zu Recht.

Akira #1

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