Text:   Zeichner: Thilo Krapp

20.000 Meilen unter dem Meer (nach Jules Verne)

20.000 Meilen unter dem Meer (nach Jules Verne)
20.000 Meilen unter dem Meer (nach Jules Verne)
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Marcel Scharrenbroich
9101

Comic-Couch Rezension vonSep 2022

Story

Ein zeitloses Abenteuer für Jung und Alt. Krapp orientiert sich an Jules Verne, fokussiert sich jedoch stärker auf ausgewählte Elemente. So adaptiert man einen Klassiker und macht ihn interessant für eine neue Generation.

Zeichnung

Ein klassischer Look mit leichtem Cartoon-Einschlag. Seine Stärken spielt Krapp bei der imposanten Ausstattung aus. Detailliert bis ins Kleinste, erzeugt er eine stets authentische Atmosphäre.

Auf 241 Seiten um die halbe Welt

Ein einmaliges Abenteuer!

Es herrscht Unbehagen auf den Weltmeeren. Vermehrt kam es im Atlantik und im Pazifik zu mysteriösen Vorfällen, bei denen Eisenschiffe regelrecht wie Sardinenbüchsen aufgeschlitzt wurden. Wir schreiben das Jahr 1867 und Experten wie Nicht-Experten waren sich überraschend einig, dass es sich um ein bislang unbekanntes Wesen übergroßen Ausmaßes handeln muss, welches sich in seinem natürlichen Lebensraum gestört fühlt und angreift. Einer der Experten war der angesehene Professor Pierre Arronax, Verfasser eines Standardwerkes über die Tiefsee. Er war sich sicher, dass es sich um ein Seeungeheuer handeln MUSSTE! Umso erfreuter war er, als er eine Einladung aus Amerika erhielt. Er sollte Teil einer Expedition werden, auf der das Monster endlich zur Strecke gebracht werden sollte. Arronax hätte vor Freude platzen können… ganz im Gegensatz zu seinem treuen Diener Conseil, der das „Abenteuer“ etwas nüchterner einschätzte.

Von Brooklyn aus stach die „Abraham Lincoln“ in See. An Bord machten Arronax und Conseil die Bekanntschaft von Ned Land, dem bärbeißigen Harpunier des Schiffes. Im Laufe der sechsmonatigen Odyssee über den Atlantik, bis in den indischen Ozean, dann quer durch pazifische Gewässer wurden die unterschiedlichen Männer so etwas wie Freunde. Immerhin etwas, was die Expedition Positives hervorbrachte, denn vom vermeintlichen Seeungeheuer fehlte jede Spur. Der Kapitän hatte eine Frist gesetzt, da die Jagd nicht endlos weitergeführt werden konnte. Und diese Frist endet heute Nacht…

Gerade als man sich mit der Schmach abzufinden versucht, geschieht das Unglaubliche. Irgendetwas attackiert die „Abraham Lincoln“ und setzt ihr ordentlich zu. Die Wucht des Angriffs reißt Arronax, Conseil und Ned von Bord. Gerade als die Kräfte schwinden und die nächtlich-schwarze See zum nassen Grab zu werden droht, können die Männer sich auf eine Insel retten. Aber… eine Insel? Länglich, schmal und… metallisch? Nein, keine Insel. Sie befinden sich auf der Oberfläche eines Bootes. Besser gesagt… eines Unterwasser-Bootes.

Herr des „Hauses“, welches der charismatische Kapitän „Nautilus“ getauft hat, ist ein Mann namens Nemo. Nemo hat sich von der Erdoberfläche abgewendet. Abgewendet von einer Gesellschaft, die die Natur schamlos ausbeutet und mit der er sich nicht mehr identifizieren kann. Die Weltmeere sind nun sein Zuhause. Und damit das auch so bleibt, sollen seine „Gäste“ sich von ihren bisherigen Leben an Land verabschieden. Ein Lebensstil, mit dem sich nicht jeder der neuen Passagiere anfreunden kann und will…

Klassische Literatur kommt nie aus der Mode

Es gibt Geschichten, die kriegst du einfach nicht kaputt. Selbst wenn sie für trashige C-Movies als Vorlage herhalten müssen und x-fach durch alle Medien geprügelt werden. Verändert, ergänzt, modernisiert und billig von ihnen geklaut… phantastische Weltliteratur hat es zwar nicht einfach, verfügt aber über einen schier undurchdringlichen Panzer, der seelen- und ideenlose Drehbuchschreiber, Autoren etc. scheppernd abprallen lässt. Wenn, dann macht es richtig… und ignoriert nicht die Intention des jeweiligen Verfassers.

Einer von denen, die es richtig machen, ist der Berliner Künstler Thilo Krapp. Krapp schreibt und illustriert nicht nur seit Jahren Kinderbücher wie „Othello & Giovanni“ (SÜDPOL), fertigt Zeichnungen für die „Young Detectives“ (von Andreas Schlüter; EDEL KIDS BOOKS), „Lenny unter Geistern“ (von Frank M. Reifenberg; DTV JUNIOR), „In 80 Tagen von Peking nach Paris“ (von Stephan Martin Meyer; GERSTENBERG) oder das unterhaltsame Wissenschafts-Buch „Mit Einstein im Fahrstuhl“ (von Jürgen Teichmann; ARENA) an und zeichnet Cover für die „Euro Kicker“-Reihe (von Fabian Lenk; COPPENRATH) oder Lukas Hartmanns „Die wilde Sophie“ (DIOGENES). Nein, er illustriert auch detailverliebt seine Bildergeschichten „Die Lichter von Paris: Émile auf der Weltausstellung“ und „Émile in Berlin: Mäusejagd im Warenhaus“ (GERSTENBERG) und seine „Damian & Alexander“-Comics (EPSILON), deren Zeichnungen bereits beweisen, wie akribisch sich Thilo Krapp mit der zu verarbeitenden Materie auseinandersetzt.

Perfekt ist dies in seiner Graphic Novel „Der Krieg der Welten“ zu sehen, die der EGMONT Verlag 2017 veröffentlichte. Im Gegensatz zu den verschiedenen Verfilmungen (unter anderem von Steven Spielberg im Jahr 2005), Serien und dem berühmt-berüchtigten CBS-Hörspiel von 1938, welches von Orson Welles und dem von ihm mitgegründeten „Mercury Theatre“ derart authentisch interpretiert wurde, das es zu heftigen Reaktionen an den Endgeräten führte, hat Krapp sich am Ursprungsmaterial orientiert. Dieses wurde von Herbert George Wells verfasst und erstmals 1898 veröffentlicht. Entsprechend ging der Künstler sehr klassisch vor, um den Look nah am Zeitraum der Handlung zu halten. Mit dem Verzicht auf Farbe bekam die Graphic Novel einen ansprechenden Sepia-Touch verpasst, was meiner Meinung nach die ideale Variante dieser Umsetzung darstellt. Der französische Verlag EDITIONS JUNGLE sah das etwas anders und ließ in Absprache mit Thilo Krapp eine kolorierte Version für „La Guerre des Mondes“ erstellen. Diese wiederum gefiel dem CARLSEN Verlag so gut, dass man sie von den Franzosen einkaufte, um 2021 in Deutschland eine Farbversion der Graphic Novel herauszubringen. Krapp passte dafür die Farben nochmals eigenhändig an. Tja, die Wege eines Comics sind manchmal abenteuerlich und unergründlich…

Detailverliebt

Was schon bei „Der Krieg der Welten“ eindrucksvoll hängenblieb, ist Thilo Krapps Liebe zum Detail. Selbst Dinge, die man mit dem bloßen Auge höchstens am Rand wahrnimmt, überlässt er keineswegs dem Zufall. Er recherchierte direkt vor Ort, besuchte Museen und studierte Bücher aus der damaligen Zeit, damit jede Einzelheit stimmig erscheint. Ebenso akribisch ging er nun bei „20.000 Meilen unter dem Meer“ vor, welches CARLSEN im edlen Hardcover-Format herausgebracht hat. Für die imposante Innenausstattung der „Nautilus“ ließ er sich vom Jugendstil inspirieren und setzte auf fließende Formen und Muster. Ein umfangreicher Anhang mit Skizzen und Entwürfen liefert tiefere Einblicke in Krapps liebevoll-verschnörkelte Arbeit. Einen Grundriss seiner Interpretation des beeindruckenden Unterwasser-Gefährtes bekommt man schon nach dem Aufklappen geliefert.

Interessant ist, dass Thilo Krapp sich zwar den 1869 veröffentlichten Abenteuer-Klassiker von Jules Verne zur Vorlage seiner Umsetzung nimmt, inhaltlich aber leichte Änderungen vollzogen hat. Elemente, die heute wieder brandaktuell sind, hat er deutlich herausgestellt, während sinnvolle Kürzungen die Geschichte knackig und kompakt halten. Das gefällt und zeigt, dass man sich nicht komplett von einer Vorlage entfernen muss, um ihr neuen Drive zu geben.

Farbenfroher Unterwasser-Spaziergang

Ein paar Worte noch zur Kolorierung, die dieses Mal bereits von Anfang an eingeplant war. Auch hier orientierte sich Krapp an der Zeit, in der die Geschichte angelegt ist, um möglichst authentische Farben zu nutzen. So dominieren meist blass-erdige Töne, wenn wir uns an Bord der „Nautilus“ befinden, was eine schon fast gemütliche Stimmung erzeugt. Wenn es dann aber auf Erkundungstour auf den Meeresboden oder auf Landgang geht, kennt die Farbvielfalt kaum noch Grenzen. Kräftig, lebendig und leuchtend-fantasievoll. Dass die Farben digital aufgetragen wurden, vergisst man komplett. Ebenso die eigentlichen Zeichnungen, deren schwungvolle Outlines mit zurückgenommener Deckkraft ebenso gut analogen Ursprungs sein könnten. Die Kunst ist es halt, Modernes nicht zwingend modern aussehen zu lassen. Und das ist komplett gelungen.

Fazit:

Man merkt sofort, dass „20.000 Meilen unter dem Meer“ ein Herzensprojekt ist. Bis ins kleinste Detail durchdacht, visuell ein wahrer Gaumenschmaus und dazu noch abenteuerlich wie lehrreich erzählt. Nach „Der Krieg der Welten“ ein weiterer Klassiker der phantastischen Literatur, der niemals langweilig wird. Nicht die erste und bestimmt nicht die letzte Adaption… dafür aber eine der schönsten. Man darf gespannt sein, welchen Evergreen der Weltliteratur sich Thilo Krapp als Nächstes vorknöpft. Hätte ich eine „Zeitmaschine“, wäre ich vielleicht schlauer…

20.000 Meilen unter dem Meer (nach Jules Verne)

Thilo Krapp, Thilo Krapp, Carlsen

20.000 Meilen unter dem Meer (nach Jules Verne)

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