Text:   Zeichner: Gion Capeder

Superman

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André C. Schmechta
8101

Comic-Couch Rezension vonJan 2019

Story

Capeder bringt uns Seite für Seite dichter an seine Hauptfigur heran. Das geschieht nicht mit Wucht und spektakulärer Dramaturgie, sondern schleichend. So, wie Chris das Leben langsam aus den Händen gleitet.

Zeichnung

Die Geschichte ist äußerst kraftvoll inszeniert. Dabei wirken die Bilder auf den ersten Blick distanziert. So wie Chris versucht sein Leben zu kontrollieren, scheint es, als kontrolliert Gion Capeder die Bilder. Alle Panels sind fokussiert und sauber strukturiert.

Die Geschichte einer inneren Zerrissenheit

Chris ist verheiratet und hat eine Tochter. Er ist erfolgreich und verdient entsprechend gut. Es ist sogar eine weitere Beförderung in Aussicht gestellt. Eigentlich optimale Voraussetzungen für ein ausgeglichenes, zufriedenes Leben... Eigentlich.

Chris geht fremd, genießt das Flirten und den Sex mit fremden Frauen. Dafür lässt er erste wichtige Geschäftstermine sausen, vernachlässigt Beruf und Karriere. Seine Familie ahnt nichts davon.

Schleichender Kontrollverlust

Wir erleben Chris stets bemüht, sein Leben in geordneten Bahnen zu halten oder zumindest nach außen diesen Anschein zu erwecken. Da er bei Vorgesetzten und Mitarbeitern gleichermaßen geschätzt und beliebt ist, schafft es Chris auch zunächst, sich immer wieder aus heiklen Situationen im Beruf hinauszumanövrieren. Aber er steht vermehrt unter Anspannung.

Seine Frau ist verständnisvoll, ihr Mann ist schließlich auf dem Sprung zur nächsten Karrierestufe. Er bleibt der liebevolle Vater, mit einfach zu wenig Zeit. Doch was der Leser schon lange weiß, wird auch Chris bald bewusst. Etwas stimmt ganz und gar nicht mit ihm. Und schließlich gibt es die sicher geglaubte Beförderung doch nicht.

Der Superheld, der nie einer war

Nichts könnte gegensätzlicher und gleichzeitig passender sein, als der Titel „Superman“. Chris Tochter hat ihm ein Superhelden-Bild gemalt. Für sie ist ihr Vater wohl auch genau das.

Doch die ernsthafte Nachdenklichkeit, die Chris auf dem Cover zeigt, steht dem bereits entgegen. Und er wird auch zu keiner Zeit als Held inszeniert. Weder feiert Chris seine beruflichen Erfolge, noch prahlt er mit seinen lustvollen Gespielinnen oder tritt in irgendeiner Form übertrieben selbstsicher und charakterstark in Erscheinung.

Und genau das erdet die Hauptfigur. Chris Verhalten und sein beinahe verzweifelter Versuch seinem Leben Normalität zu verleihen, wirken auf den Leser glaubhaft.

Stilistisch kraftvoll und mit bedrückender Atmosphäre

Der Schweizer Gion Capeder inszeniert seine Geschichte äußerst kraftvoll. Dabei wirken seine Bilder auf den ersten Blick durchaus steril und distanziert. So, wie Chris versucht sein Leben zu kontrollieren, scheint es, als kontrolliert Gion Capeder die Bilder. Alle Panels sind fokussiert und sauber strukturiert. Gedeckte Pastelltöne, klare Linien, reduzierte Flächen, es gibt keine überflüssigen Verzierungen. Nur das Laub der Bäume bricht aus der zurückhaltenden Formsprache heraus.

Und dennoch entsteht eine überaus intensive und bedrückende Atmosphäre. Capeder bringt uns Seite für Seite dichter an seine Hauptfigur heran. Das geschieht nicht mit Wucht und spektakulärer Dramaturgie, sondern schleichend. So, wie Chris das Leben langsam aus den Händen gleitet.

Und Chris ist bewusst, was geschieht und dass Konsequenzen unausweichlich sind. Dennoch ist er machtlos, steht ganz ohne Superkräfte da, die ihm einen schnellen Sieg über sein Gefühlschaos einbringen könnten.

Therapiestunden, Energie-Drinks, Familienausflüge - alles hat nur den Anschein einer Verbesserung. Die Anforderungen im Beruf nehmen weiter zu und der eigene Erfolgsdruck steigt.

Die Kontrolle zu behalten fällt Chris immer schwerer. Dann schleichen sich erste Gewaltphantasien in Chris Gedanken. Diese inszeniert Capeder wie flüchtig gekritzelte Skizzen und stehen so im extremen Kontrast. Und es wird offenbar, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich diese Kraft einen Weg bahnt. Kann es überhaupt einen Weg zurück in ein geordnetes Leben geben?

Fazit:

„Superman“ erzählt die Geschichte einer inneren Zerrissenheit. Ein attraktiver, erfolgreicher Familienvater verliert die Kontrolle über sein Leben, verliert sich selbst. Gion Capeder inszeniert seine Graphic Novel mit beinahe kühler und analytischer Zurückhaltung und dabei doch so kraftvoll. Das bedrückende Ende ist erst spät absehbar. Chris Zukunft? Düster! Ein faszinierend emotionales Werk.

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