Mythen der Antike: Orpheus und Eurydike

Mythen der Antike: Orpheus und Eurydike
Mythen der Antike: Orpheus und Eurydike
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Yannic Niehr
8101

Comic-Couch Rezension vonMär 2022

Story

Die Geschichten hätten noch mehr ausgebreitet und besser verbunden werden können, werden jedoch mit Verve erzählt. Zudem lernt man einiges dazu.

Zeichnung

Detailliert, atmosphärisch, fantasievoll: Allein schon für die Bilder voller frischer Einfälle und überzeugender Farbgebung lohnt sich dieser Band.

Einmal Unterwelt und zurück

Mit seiner Musik begeistert der Jüngling Orpheus Menschen wie Götter gleichermaßen und lässt sogar wilde Tiere handzahm werden, wenn er singt und sich dabei selbst auf der Leier begleitet. Doch für nur eine hat er sich entschieden: die wunderschöne Eurydike, mit der ihn eine unsterbliche Liebe verbindet. Doch das Schicksal scheint es auf das junge Glück abgesehen zu haben, und Eurydike stirbt tragischerweise an einem Schlangenbiss. Ohne sie kann und will Orpheus nicht leben, und er wagt, was noch kein Sterblicher zuvor gewagt hat: Er steigt in die Unterwelt hinab, schlägt sich dank seines musischen Talents bis zu deren Herrscher Hades durch und bittet diesen, Eurydike ziehen zu lassen. Hades‘ Angetraute lässt Gnade walten, und so wird es Orpheus erlaubt, seine Geliebte wieder in die Welt der Lebenden zu führen; sie wird ihn mit etwas Abstand begleiten und dabei stumm bleiben. Die Bedingung jedoch lautet: Er darf sich nicht nach Eurydike umsehen, sonst ist diese dazu verdammt, für immer in der Unterwelt zu bleiben. Wird es Orpheus gelingen, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen ..?

„Du hast nicht wirklich die Wahl. Im Grunde hattest du sie nie …“

Die spannende Reihe Mythen der Antike im SPLITTER-Verlag, in welcher griechische Sagen und Legenden in der Form von Graphic Novels präsentiert werden, wird mit diesem Band kunstvoll fortgesetzt. Diesmal erhält man sogar zwei Mythen zum Preis von einer: Der Geschichte von Orpheus und Eurydike geht die Erzählung um den Raub der Persephone voraus. Diese Tochter Demeters, der Göttin der Fruchtbarkeit und der Erde, möchte Zeus mit Hades verheiraten, der sie kurzerhand in die Unterwelt entführt, wo er sie aufmerksam umsorgt. Demeter kann den Verlust der geliebten Tochter jedoch nicht verkraften. Verbittert und rachsüchtig lässt sie allen Grund und Boden sauer werden, sodass nichts mehr gedeihen und angebaut werden kann. Hermes‘ Versuch, Persephone auf Zeus‘ Geheiß zu befreien, schlägt fehl, als Hades diese dazu verleitet, einen einzelnen Granatapfelkern zu essen: Wer in der Unterwelt etwas verspeist, bleibt an diesen Ort gebunden – ein göttliches Gesetz, das Zeus selbst nicht umgehen kann. So erdenkt dieser schließlich einen Kompromiss ein: Zwei Drittel des Jahres soll Persephone auf der Erdoberfläche bei ihrer Mutter verbringen, das verbleibende Drittel gehört sie Hades in der Unterwelt. In dieser Zeit wird auf Erden nichts blühen oder wachsen – und so sind die verschiedenen Jahreszeiten geboren.

„Bist du bereit, ins Leben zurückzufinden?“

Auch dieser Band enthält wieder ein umfangreiches, erhellendes Nachwort von Autor Luc Ferry, angereichert mit interessanten künstlerischen Darstellungen von Orpheus und Eurydike aus verschiedenen Epochen, die bezeugen, dass die Kernthemen dieser Mythen Universalthemen sind, welche die Menschen durch alle Zeiten hindurch beschäftigen. Dieser Anhang ist auch nötig, um Zusammenhänge sowie Unterschiede der zwei enthaltenen Geschichten zu beleuchten, die sich ansonsten eher isoliert gegenüberstehen. Beiden gemein ist eine Reise in die Unterwelt und ein Versuch, eine dort befindliche Person zurückzubringen. Für Götter gelten diesbezüglich offenkundig ganz andere Gesetze als für den Menschen: Orpheus muss sich am Ende in mehrfacher Hinsicht der Unumkehrbarkeit des Todes stellen. In dieser Legende fällt erneut eine leichte Parallele zu einer Geschichte der christlichen Theologie auf: Auch die Flucht von Lots Familie aus Sodom und Gomorra war mit einem göttlichen Verbot belegt, sich umzudrehen und zurückzublicken – mit ähnlich furchtbaren Folgen (der Kontext ist natürlich ein gänzlich anderer). Besonders faszinierend ist jedoch vor allem das Ende von Orpheus‘ Geschichte, das im Gegensatz zu den Vorereignissen wohl nicht jedem vertraut sein dürfte.

„Überall in der Unterwelt erklingt deine Musik. Selbst meinen Gemarterten hat sie einige Momente der Ruhe verschafft …“

Beiden enthaltenen Mythen hätte mehr Raum gegeben werden können, um die Hintergründe ihrer Charaktere feiner zu zeichnen, eine stärkere Verknüpfung ihrer Themen herzustellen und für eine bessere Ausgewogenheit ihrer Seitenzahlen zu sorgen. Ein kleines Manko ist überdies das Figurendesign, welches zwar sehr detailverliebt ist, gerade bei den männlichen Charakteren jedoch nicht immer genügend markante Unterscheidungsmerkmale aufweist. Dies sind allerdings im Angesicht der allgemeinen Qualität der Illustrationen nur sehr kleine Kritikpunkte. Die Welt der griechischen Antike, in welcher die Realität auf scheinbar ganz natürliche und widerspruchslose Art und Weise mit Mythen und Fabeln koexistieren kann, wird wieder in ihrer ganzen epischen Breite erfasst und versetzt in farbenfrohes Staunen. Der Kontrast zur Unterwelt gerät dadurch umso packender: Der Hades mitsamt den ihn bevölkernden Gestalten und den nicht enden wollenden Kolonnen von Seelen kürzlich verstorbener ist (wohl bewusst) stark an uns bekannte Darstellungen der Hölle angelehnt, die Furcht und Faszination verbinden. Hier bietet der Band umwerfend schöne visuelle Kompositionen, von denen man den Blick gar nicht mehr abwenden möchte.

Fazit:

Orpheus & Eurydike, und: Der Raub der Persephone ist ein weiterer gelungener Teil der Reihe Mythen der Antike, welcher einem gleich zwei dieser Mythen auf unterhaltsame und originelle Art und Weise näherbringt und besonders optisch punkten kann – auch für Einsteiger zu empfehlen.

Mythen der Antike: Orpheus und Eurydike

Luc Ferry, Clotilde Bruneau, Diego Oddi, Splitter

Mythen der Antike: Orpheus und Eurydike

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