George Orwell

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Yannic Niehr
9101

Comic-Couch Rezension vonSep 2019

Story

Mag man seine Werke auch kennen, so lernt man doch noch viel Neues über das unglaubliche Leben und Wirken Orwells – und wie dies mit seinen Romanen und deren Einfluss zusammenhängt.

Zeichnung

Der schwarz-weiße Stil lädt zum Lesen zwischen den Zeilen ein, die Gastkünstler runden das Ganze nuanciert ab. Orwells soziopolitischer und kultureller Kontext wird ausdrucksstark vermittelt.

Big Brother is still watching you!

Eric Blair verlebt eine unscheinbare Kindheit, ist meist für sich und liest viel. Im prestigeträchtigen Internat St. Cyprian durchlebt er (wortwörtlich) eine harte Schule. Früh entwickelt er ein politisches Interesse und tritt nach seiner Zeit auf dem Eton College der burmesischen Polizei bei. Nach seiner Rückkehr nach England beginnt er mit dem Schreiben, und betreibt als überzeugter Sozialist Feldforschung im bedrückenden Milieu der Arbeiterklasse, der er sich verbunden fühlt. Der schriftstellerische Erfolg – und der Erfolg in der Liebe – stellt sich erst ein, nachdem er sich seinen Künstlernamen zulegt, unter dem ihn heute jeder kennt: George Orwell (Letzteres der Name eines Flusses, an dem er gerne angeln ging). Doch möchte er sich weiterhin ins turbulente Weltgeschehen einmischen. Es folgt der Beitritt bei der POUM-Partei in Barcelona, sowie schließlich die Flucht, nachdem Francos Regime das Land bezwungen hat. Orwell ist und bleibt furchtlos selbst im Angesicht des Todes, schreibt auch in den Wirren des Zweiten Weltkriegs fleißig weiter, adoptiert einen kleinen Sohn, und schafft schließlich während seines ruhigeren Lebensabends – nachdem seine erste Frau verstorben ist und er seine zweite geehelicht hat, und während die Tuberkulose an ihm zerrt – seine bekanntesten Werke.

„Damals schon hatte ich verstanden, dass der Imperialismus ein Übel war“

Das bewegte Leben von George Orwell mit seinen Höhen und Tiefen liest sich so spannend, dass es fast selbst Inhalt eines seiner Romane sein könnte. Als politisch engagierter Mensch, der von dem Werk Orwells nachhaltig geprägt ist, war diese Comic-Umsetzung von dessen Biographie eine Herzensangelegenheit für Pierre Christin. Der hochwertige (und passenderweise in knalligem Rot gehaltene) Band wirkt schon auf den ersten Blick schlicht, aber elegant. Beeindruckend vielschichtig schildert Christin darin die verschiedenen Stationen im Leben des Eric Blair und später George Orwell, schreibt eine Chronologie seiner Reisen und Handlungen sowie seines politischen Engagements und künstlerischen Schaffens, erwähnt dabei – eingebettet in den jeweiligen Kontext – die wichtigsten Werke des Autors und ihre Bedeutung. Gerade heute, im von globalen, allumfassenden und allgegenwärtigen Technologien geprägten Informationszeitalter, wo schamlos mit Fake News Schindluder betrieben wird, ist die monumental einflussreiche Dystopie 1984 brandaktuell. Dass er Zeit seines Lebens politisch sehr aktiv war und scharfsinnig, humorvoll und ohne falsche Scheu seine Meinungen vertreten hat, passt da durchaus ins Bild. Nicht zu verachten sind aber auch die anderen in diesem Band erwähnten Erzählungen - natürlich darf Farm der Tiere – die „fabel-hafte“ und zugleich bitterbös-komische Abrechnung mit den Fehlschlägen des Kommunismus und mit faschistischem Gedankengut – nicht fehlen. Doch auch darüber hinaus erfährt man in dieser Graphic Novel noch viel Neues, sowohl aus Orwells Privatleben, als auch aus seinem journalistischen und essayistischen Schaffen.

„Einer der hellsichtigsten Analysten des 20. Jahrhunderts“

Zwangsläufig wurde die Chronik etwas eingedampft, und die ein oder andere Momentaufnahme kommt ein wenig kurz (so wird der Tod von Orwells Ehefrau nur in einem Nebensatz erwähnt), doch das lässt sich bei einer Biografie, die sich künstlerisch derart viel vornimmt, nicht vermeiden. Trotz dessen ist dem thematischen roten Faden jederzeit zu folgen. Die mit kräftigen Kontrasten arbeitenden Schwarz-Weiß-Bilder erinnern an Scherenschnitte. Der präzise Detailreichtum erschafft eine kalte, leicht sterile und etwas beklemmende Umgebung, die jedoch nicht ohne (tatsächliche) Farbtupfer auskommt. So vermittelt der Stil durch seinen leicht überhöhten Realismus glaubwürdig die Welt, aus der Orwell hervorgegangen ist, die ihn als Person zu dem gemacht hat, der er war, und die sein Schaffen inspiriert hat. Kurze Ausführungen zu den wichtigsten Romanen werden von farbenfrohen und lebhaften Beiträgen der Gastkünstler unterstrichen, die in ein dynamisches Spannungsverhältnis mit den anderen Zeichnungen treten, mal zynischen Humor, mal lyrische Leichtigkeit bieten und somit für den nötigen ästhetischen Abwechslungsreichtum sorgen. Die Texte werden abgerundet von einer Menge Originalzitate von Orwell selbst oder aus seinen Schriften. So entsteht ein anspruchsvolles Werk, das einem einen der ganz großen Literaten auf informative und intime Art und Weise näherbringt.

Fazit:

Christin und Verdier gelingt eine unterhaltsame, erhellende und stilistisch stimmige visuelle Umsetzung einer außergewöhnlichen Biografie – ein Projekt, das leicht in die Hose hätte gehen können, und doch auf ganzer Linie funktioniert. Die Graphic Novel setzt Orwell ein absolut empfehlenswertes Denkmal!

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