Enola Holmes - 7. Der Fall der schwarzen Kutsche

Enola Holmes wohnt im Haus des Clubs für berufstätige Frauen und führt ein eigenständiges Leben mitten im viktorianischen London. Ihrem älteren Bruder Sherlock mit seinen detektivischen Fähigkeiten steht sie in nichts nach und behauptet sich in der von Männern dominierten Welt der Kriminalistik mit Raffinesse und Spürsinn.

Während sie hoffnungsvoll auf eine neue Aufgabe wartet, erreicht sie eine Nachricht von Dr. Watson, Sherlocks Holmes Partner, mit der Bitte ihrem Bruder, der nach einer aufreibenden Ermittlung in ein depressives Stimmungstief gefallen ist und sich in seiner Wohnung vor der Außenwelt abschottet, einen Besuch abzustatten, Als Enola, Sherlock daraufhin in der Bakerstreet aufsucht, um ihn mit freundlich-schwesterlicher Stichelei provozierend aus dessen Trübsinn zu locken, ergibt es sich, dass sie kurzerhand den Fall einer Klientin, die der Meisterdetektiv nicht empfangen möchte, übernimmt.

Eine Schwester wird vermisst

Die junge Letitia Glover ist zutiefst bestürzt, nachdem sie von ihrem Schwager Caddie, dem Earl von Dunhench, vom plötzlichen Tod ihrer Schwester Felicity nach nur kurzer, aber schwerer Krankheit erfahren hat. Die Nachricht erreicht sie zusammen mit einer Urne mit der Asche der Verstorbenen, deren Leiche aus Ansteckungsgefahr sofort verbrannt wurde. Die merkwürdigen Begleitumstände ihres Ablebens und dazu das lieblose Schreiben des Ehemanns lassen Letitia jedoch daran zweifeln, dass Felicity wirklich tot sein soll. Außerdem ist sie überzeugt, dass die besondere innige Zweisamkeit, die die Schwestern Tish und Flossie als Zwillinge miteinander verbindet, sie gegenseitig ihren Tod spüren lassen würde. Sherlock, dessen Neugier nun doch überwiegt, schaltet sich auf seine Weise rational-pragmatisch in die Klärung des rätselhaften Verbleibs von Flossie ein.

Holmes-Geschwister ermitteln gemeinsam

In Folge planen und starten Enola und ihr Bruder ihre Ermittlungen. Zunächst jeder für sich, zunehmend aber im Austausch der Ergebnisse. Sie recherchieren mit ganz ähnlichen Methoden, wenn sie beobachten, befragen oder verkleidet in andere Rollen schlüpfen. Dabei kristallisieren sich zwei wichtige Erkenntnisse heraus. Der Totenschein von Felicity ist gefälscht und schon die erste Gattin von Caddie verschwand unter mysteriösen Bedingungen, wobei beide Frauen von einer geheimnisvollen schwarzen Kutsche abgeholt wurden. Enola gelingt es, sich unerkannt Zutritt zum Anwesen des Earls zu verschaffen und macht dabei eine bedeutsame Entdeckung. In Flossies Zimmer stößt sie auf ein selbstgefertigtes Gemälde, in das die Vermisste einen Schriftzug eingearbeitet hat. Verbirgt sich dahinter ein versteckter Hinweis auf ihren möglichen Aufenthaltsort? Weitere Nachforschungen und Rückschlüsse bestätigen die Holmes in diesem Verdacht und sie sehen nur einen Weg, ihre furchtbare Vermutung zu bewahrheiten. Einer der extravaganten Pläne Enolas wird mit Hilfe des routinierten Sherlocks detailliert Schritt für Schritt geplant, um im richtigen Moment dank der mutigen Unterstützung von Tish Glover, die für ihre Zwillingsschwester alles tun würde, umgesetzt zu werden. Doch wird es mit diesem riskanten Unterfangen wirklich gelingen, den Schuldigen, zu überführen und Felicity wiederzufinden?

Umsetzung einer Romanvorlage

„Der Fall der schwarzen Kutsche“ ist der siebte Band der Comic-Reihe, die nach den Enola Holmes-Romanen von Nancy Springer entsteht und ist eine Zusammenarbeit der Autorin Serena Blasco und der Illustratorin Lucie Arnoux.

Der spannende authentische Plot mit historisch-gesellschaftlichen Bezügen auf das viktorianische England wird prägnant, überwiegend in wortgewandten, lebendigen Dialogen oder selbstreflektierenden Passagen vermittelt. Dabei gelingt es Blasco treffend, die variierende Gefühlspalette der Charaktere abzubilden. Das gilt für die Crime-Story als Haupterzählstrang ebenso wie beim Aufgreifen des persönlichen Backgrounds von Enola. Besonders Kenner der Serie können so mitverfolgen, wie die junge Detektivin immer mehr in ihrem selbstbestimmten Alltag ankommt. Nicht nur das Verhältnis zu ihrem Bruder Sherlock wird zunehmend vertrauter, auch die Glover-Zwillinge sind bald mehr als nur Klientinnen: ENOLA fühlt sich immer weniger ALONE!

Arnoux‘ Illustrationen überraschen mit satten Farben, gerne in grün oder lila Tönen, die regnerisches England-Grau-in-Grau vermissen lassen, gleichwohl jedoch durch eine gedeckte Farbauswahl adäquat traurige, düstere Begebenheiten und Stimmungen einfangen. Die üppige Bildgestaltung verzichtet auf jede Spur von britischer Steifheit. Stattdessen blitzt pointiert britischer Humor auf. Viele Details machen die Szenerie lebendig. Besonderes „Augenmerk“ liegt bei der Zeichnung der Personen auf der ausdrucksstarken Mimik. Die abwechslungsreiche Panels-Anordnung bereichert den Band temporeich. Linearen Zeilen in unterschiedlichen Bildgrößen folgen ganzseitige Motive, die ihren Platz dynamisch nutzen, wenn etwa Enolas Kutsche mit durchgehendem Pferd in Kurven die Seite von oben nach unten rast.

Fazit:

Der Fall der schwarzen Kutsche ist eine gelungene Adaption der Romanvorlage, die den Flair des britischen Kriminalromans beibehält, den schon die Enola Holmes-Bücher in Tradition von Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes Detektiv-Geschichten weiterführen. Ausgewogen getragen von den unterschiedlichen Charakteren der Protagonisten: der sympathisch-klugen Enola und dem exzentrischen Sherlock. Der kompakte, gut erzählte spannende Plot und die in Farbe und Form treffsichere Illustration sind Garanten für Crime-Time in Bestform.